Vom Start-up Boom zum Gründerökosystem
In Österreich lässt sich seit ein paar Jahren eine steigende Dynamik in der Start-up-Szene beobachten. Das mediale Interesse in Zeitungen und Blogs bis hin zu speziellen TV-Programmen, zahlreiche – auch international renommierte - Events und eine öffentliche Diskussion haben dazu geführt, dass die Themen Gründung, Unternehmertum und Start-ups in aller Munde sind. Aber was hat eigentlich zu diesem "Boom" geführt? Wer sind die Akteure und welche Rolle spielt das Umfeld in diesem Zusammenhang?
Viele der gängigen Erklärungen greifen meist zu kurz, da sie nur einzelne Teilaspekte eines gesamten sich entwickelnden Systems herausgreifen und dabei die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren und den Einfluss von Umfeldfaktoren außer Acht lassen.
In jüngster Zeit versuchen Wissenschaftler und Praktiker die Intensität von Unternehmertum in einem bestimmten regionalen Umfeld zu beschreiben und zu messen. In diesem Zusammenhang ist immer öfter vom Begriff "Gründerökosystem" die Rede. Darunter versteht man eine Reihe von vernetzten Institutionen, die gemeinsam das Ziel haben, Gründer durch alle Phasen der Unternehmensentwicklung hindurch zu unterstützen. Ein Gründerökosystem besteht aus verschiedenen Bereichen, die interagieren, um Unternehmertum in einer Region nachhaltig zu fördern: Ideen und Talente, Kultur, Finanzkapital, Politik, Infrastruktur sowie Markt bzw. Kunden. Da jede Region einzigartig ist, kann ein prosperierendes Gründerökosystem nur über eine ganzheitliche Herangehensweise etabliert werden, die die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren in den verschiedenen Bereichen fördert und die lokalen Bedingungen und Eigenheiten berücksichtigt.
Somit war es auch in Österreich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die zu der derzeitigen Dynamik im Gründerökosystem geführt haben: Einerseits spielen erfolgreiche Gründer aus der Region eine wichtige Rolle, da sie eine Vorbildfunktion einnehmen und damit der jüngeren Generation als Inspiration dienen. Darüber hinaus werden viele erfolgreiche Unternehmer Investoren, Berater oder Beiratsmitglieder von neuen Unternehmen und stellen Jungunternehmern Kapital, Erfahrungen und Kontakte aus ihrem persönlichen Netzwerk zur Verfügung. Sie fungieren damit als Business Angels und Mentoren. Demnach ist eines der interessantesten Phänomene in einem nachhaltigen Gründerökosystem, dass sich Gründer und Unternehmer gegenseitig unterstützen.
Auch die öffentliche Förderlandschaft in Österreich hat sich in den letzten Jahren konstant weiterentwickelt und bietet eine breite Palette von Zuschüssen und Beratungsleistungen, die auf unterschiedliche Branchen und Entwicklungsstadium der neuen Unternehmen abgestimmt sind. Diese Unterstützung von öffentlichen Institutionen spielt speziell in einer frühen Phase eine wichtige Rolle.
Allgemein ist in vielen westlichen Ländern und auch in Österreich ein Umdenken bezüglich der Karriereerwartung bei den Leuten der Generation Y (oft auch "Millenials" genannt) zu beobachten. Im Vergleich zu den vorhergehenden Generationen ist der Drang nach Autonomie, Selbstverwirklichung und dem Bedürfnis, einen Unterschied zu machen, bei den Mitgliedern dieser Kohorte besonders stark ausgeprägt. Die Werte der Millenials gehen demnach Hand in Hand mit dem von Eigeninitiative und Schnelllebigkeit geprägten Gründerdasein. In meiner Rolle als Mentor und Coach an verschiedenen Universitäten frage ich regelmäßig Studenten nach ihren beruflichen Zukunftsvisionen. Während vor fünf Jahren noch die klassischen Karrieremodelle (z.B. Einstieg bei einer etablierten Beratungsfirma) als Berufswunsch geäußert wurden, ist gegenwärtig eindeutig ein Trend in Richtung Selbstständigkeit und Unternehmertum festzustellen. Ein großer Anteil der jungen Leute kann sich gut vorstellen, früher oder später selbst ein Unternehmen zu gründen.
Dynamische Gründerökosysteme sind durch die Vernetzung und Kooperation talentierter und motivierter Menschen geprägt, denn neue Unternehmen entstehen durch eine konstante Rekombination von Ideen, Talenten und Kapital - eingebettet in eine fördernde Kultur. In diesem Zusammenhang spielt auch das Thema Infrastruktur eine ganz zentrale Rolle: Einrichtungen wie Coworking-Spaces, Inkubatoren und Accelerators dienen als Ort des Austausches und der Vernetzung und unterstützen die Entwicklung junger Unternehmen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Auch im infrastrukturellen Bereich hat sich in den letzten Jahren viel getan und vor allem in Wien gibt es nun eine Vielzahl solcher Einrichtungen.
Um aus dem Start-up Boom ein nachhaltiges Gründerökosystem zu schaffen, bedarf es der engeren Zusammenarbeit aller privaten und öffentlichen Akteure und Initiativen. Darüber hinaus sollen Gründer verstärkt mit Mentoren zusammengebracht werden, die bereit sind, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Kontakte zu teilen. Im Vergleich zum Beispiel mit den USA, in denen Mentoring vor allem im Start-up Bereich weitverbreitet ist, gibt es in Österreich noch Aufholbedarf. Letztlich braucht es das persönliche Engagement jedes Einzelnen von uns. Damit kann sich jede oder jeder fragen, welchen Beitrag sie oder er leisten kann und wie sie Gründer in ihrem persönlichen Umfeld fördern wollen. Nicht Verwunderung oder Misstrauen sollten jungen Gründern entgegengebracht werden, sondern Wertschätzung, Ermutigung und Unterstützung.