Experten: Europäische Wälder und Holzmarkt steuern auf Krise zu
Massive Auswirkungen durch den Klimawandel, veränderte Einstellungen der Waldbesitzer und widerstrebende Ansätze in der Politik: Die europäischen Wälder, aber auch die Holzindustrie können nur durch ein rasches Gegensteuern nachhaltig gesichert werden, geht aus einem in Wien vorgestellten Bericht internationaler Forscherinnen und Forscher hervor.
"Der Klimawandel schreitet rascher voran, als wir alle gedacht haben. Wir haben keine Zeit mehr, Fehler zu machen", erklärte Florian Kraxner vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien und Mitautor der Studie "Europas Holzversorgung in Zeiten des Umbruchs". Er verwies bei einer Pressekonferenz der "International Union of Forest Research Organizations" (IUFRO), einem in Wien ansässigen Forschungsverbund rund um das Thema Wald, auf immer wärmere Temperaturen, von denen der Alpenraum besonders stark betroffen sein werde, eine Zunahme von Dürreereignissen, Borkenkäferbefall, Hitzewellen und Waldbränden.
Erhöhte Brandgefahr
Die Waldbrandgebiete könnten sich in Europa mehr als verdoppeln, wenn die Pariser Klimaziele nicht erreicht würden. "Auch wir werden davon nicht verschont bleiben", so Kraxner. Weniger Wasser in den Flüssen erschwere wiederum die Löscharbeiten. Natürlich sei es notwendig, gegen den Klimawandel anzukämpfen, es brauche aber auch eine Anpassung, um die Biodiversität im Wald und den Rohstoff Holz zu erhalten. Dem Waldwachstum würden die zunehmenden Schäden durch Stürme, Schädlinge und Feuer zwar regional unterschiedlich zusetzen. Ein leichtes Plus Anfang des Jahrhunderts im Norden könne aber Verluste in Zentral- und Südeuropa nicht ausgleichen.
Ein wichtiger Schlüssel seien neue, resilientere Baumarten, da die "Superbäume" Fichte und Buche immer stärker unter Druck geraten würden. Robinien seien beispielsweise widerstandsfähiger, auch wenn die Industrie von dem Baum nicht so begeistert sei und man damit keinen Schönheitspreis gewinne. "Wir müssen das Portfolio an Baumarten rasch und massiv erweitern, daraus Superbäume machen und mit diesen Bäumen wirtschaften lernen", sagte der Experte im Vorfeld des internationalen Tag des Waldes am 21. März. Es sei keine Zeit für Feldstudien, die 30 Jahre dauern.
Er verwies auf umfangreiche Forschungsaktivitäten in diesem Bereich, die aber eher "hinter dem Vorhang" stattfinden würden. Der Wald werde in Zukunft jedenfalls anders aussehen. "Das fällt vielleicht nicht leicht. Aber wir müssen einige von diesen Bildern aufgeben. Die Chancen, dass wir sonst mit zwei blauen Augen davon kommen, sind gering", so Kraxner. Er hob auch die Bedeutung einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Holzindustrie hervor. Es sollten technische Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, um aus nicht so guter Holzqualität vernünftige Baumaterialien herzustellen.
Konflikt zwischen Klimaschutz und Wirtschaft
Auf Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und der wachsenden Nachfrage nach Holz und Holzprodukten - Stichwort Bioenergie - wies Studienleiter Metodi Sotirov von der Universität Freiburg hin. Nachdem es keine formale europäische Waldpolitik gebe, würden die Ansätze zwischen einer Einschränkung der Holznutzung bei gleichzeitiger Ausweitung der Schutzgebiete und einer forcierten Holznutzung pendeln. In Skandinavien stehe die stoffliche Nutzung im Vordergrund, während südliche Länder auf den Klimaschutz umgeschwenkt seien. Mittel- und Osteuropa würden eher ausgleichend agieren. Die Waldpolitiken sollten unter dem Motto "weniger Konflikte, mehr Synergien" harmonisiert werden, so Sotirov.
Auf das Holzangebot auswirken würden sich auch die unterschiedlichen Typen bzw. Interessen von Waldbesitzern. Der Anteil im Privatbesitz habe zugenommen und sei heterogener geworden, zeigt die Studie, die von TEAMING UP 4 FORESTS, einer im Jahr 2021 von der IUFRO und dem Verpackungs- und Papierkonzern Mondi gegründeten Plattform, durchgeführt wurde. Die Palette reiche von den "Optimierern", die eine intensive, gewinnorientierte Forstwirtschaft betreiben, über passive Besitzer, die wenig Lust an der Bewirtschaftung haben, bis zu Umweltschützern, die Biodiversität und Erholung in den Vordergrund stellen.
Diese Veränderung führe zu einem geringeren Interesse, den Markt mit Holz zu versorgen. Auch hier sei die Politik gefordert, die Vielfalt der Besitzer und Forstbetriebe mit verschiedenen Mitteln zu unterstützen. Aktuell befinden sich den Autoren zufolge 56 Prozent der europäischen Waldflächen in Privatbesitz, in Österreich dürften es rund 50 Prozent sein. Gefördert werden sollte auch eine Diversifizierung der Holzversorgung in Hinblick auf die geopolitische Resilienz, also die Unabhängigkeit von Importen.
Service: Der Bericht online: https://teamingup4forests.com/wood-supply-study/