Spätes erstes Kind mit Risiken behaftet
Längere Ausbildungszeiten, ein geändertes Rollenverständnis in der Gesellschaft und die berufliche Situation von jungen Frauen in den reichen Staaten der Welt bringen für die erste späte Schwangerschaft Risiken mit sich. Das hat jetzt ein Wiener Wissenschafterteam in einer Studie belegt. Mehr Frühgeburten, mehr Kaiserschnitte und ein geringeres Geburtsgewicht sind die Folge des höheren Alters der Mütter.
Das Autorenteam um Sylvia Kirchengast vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien hat ihre Untersuchung im American Journal of Human Biology (doi: 10.1002/ajhb.70037) publiziert. Analysiert wurden die Daten von Müttern und ihren ersten Kindern (6.831 Babys), die zwischen 2010 und 2019 in der Klinik Donaustadt zur Welt kamen.
"In den vergangenen Jahrzehnten hat das mütterliche Alter bei der ersten Geburt ständig zugenommen, vor allem in Ländern mit hohem Einkommen. In Österreich ist das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt in den vergangenen 40 Jahren (seit 1984; Anm.) von 23,8 Jahre auf 30,3 Jahre gestiegen", schrieben die Autoren der Studie. Die Gründe für diese Entwicklung seien vielfältig: Veränderungen des sozialen und wirtschaftlichen Umfelds, ein neues Rollenverständnis junger Frauen, der Wunsch nach Selbstverwirklichung und beruflichem Erfolg über Mutterschaft, Familie und Haushalt hinaus, längere Ausbildungszeiten und ein intensiveres Berufsleben kommen zum Tragen. In Österreich hätte sich zum Beispiel allein der Anteil der Frauen bei den erfolgreichen Studienabgängern zwischen 1990 und 2022 von 41,9 Prozent auf 55,2 Prozent erhöht.
Ältere Erstgebärende - Erhöhte Gefährdung
Doch gleichzeitig bedeutet das eine Erhöhung des Alters werdender Mütter und mögliche gesundheitliche Risiken. Die Wissenschafter, unter ihnen Beda Hartmann von der Klinik Donaustadt, haben deshalb die Daten von Müttern und deren Erstgeborenen nach den verschiedenen geburtshilflichen und neonatalen Kriterien analysiert.
In der Zusammenfassung schreiben die Autorinnen der Studie: "Erstgebärende im Alter von 35 Jahren und älter haben statistisch häufiger Frühgeburten - mit einem 1,32-fachen Risiko (im Vergleich zu 20- bis 34-Jährigen; Anm.) für Frauen zwischen 35 und 39 Jahren und einem 2,35-fachen Risiko für Frauen ab 40 Jahren. Das mütterliche Alter ist auch statistisch signifikant mit einer höheren Rate von medizinisch eingeleitetem Geburtsvorgang, mehr Kaiserschnitten und Neugeborenen mit einem geringen Geburtsgewicht (kleiner 2.500 Gramm) verbunden. (...) Fortgeschrittenes mütterliches Alter bei der ersten Geburt ist ein relevanter Risikofaktor für bestimmte geburtshilfliche und neonatale Komplikationen."
Von Reproduktionsmedizin am Beginn bis zur Entbindung
Die Wissenschafter hatten 20- bis 34-jährige Erstgebärende als Vergleichsgruppe gewählt und ihnen die Daten von 35- bis 39-jährigen Müttern und von Frauen über 40 Jahre mit ihrem ersten Kind gegenübergestellt. So zum Beispiel war es mit Unterstützung der Mittel der Reproduktionsmedizin (In-vitro-Fertilisierung etc.) zu 5,9 Prozent der Schwangerschaften in der Referenzgruppe gekommen. Bei den Erstgebärenden im Alter zwischen 35 und 39 Jahren lag diese Rate bereits bei 15,1 Prozent, unter den 40-Jährigen und noch Älteren bei 31 Prozent.
Zu Frühgeburten kam es in der ersten Gruppe bei 6,5 Prozent der werdenden Mütter, bei 8,4 Prozent der 35- bis 39-Jährigen und schließlich bei 14 Prozent der noch älteren Erstgebärenden. Geplante Kaiserschnitte gab es in der Vergleichsgruppe mit einer Häufigkeit von 6,3 Prozent (Notfall-Kaiserschnitte: 11,8 Prozent), unter den 35- bis 39-Jährigen lag die Rate bei 10,3 Prozent (geplant) bzw. bei 17,6 Prozent (Notfall) und unter den noch älteren Gebärenden bei einer Häufigkeit von zwölf Prozent (geplant) bzw. 25,8 Prozent (Notfall). Weniger als 2.500 Gramm hatten 5,8 Prozent der Babys in der Vergleichsgruppe, 8,3 Prozent der Babys von 35- bis 39-jährigen Frauen und schließlich 14,3 Prozent der Neugeborenen in der Gruppe der ältesten Frauen. Alle Unterschiede in diesen Vergleichen waren statistisch signifikant.
Die Mutterschaft zu verzögern, das sei insgesamt ein eher riskanter Trend, stellen die Studienautorinnen schließlich fest. Abgesehen von individuellen Wünschen und Vorstellungen dürfte das aber zu einem erheblichen Teil auch an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hängen.