Sportliche Senioren konsumieren mehr Alkohol
Ausreichende körperliche Betätigung gilt als besonders gesund. In Sachen Alkoholkonsum trifft das laut einer Studie von Wiener Wissenschaftern offenbar nicht wirklich zu. Ältere Erwachsene konsumieren nämlich mehr Alkohol als "Couch Potatoes", haben sie herausgefunden. In der Gesellschaft oft verdrängt, stellt starker Alkoholkonsum speziell im höheren Lebensalter in der westlichen Welt ein großes und wachsendes Gesundheitsproblem dar.
"Die Häufigkeit von Alkoholmissbrauch unter älteren Erwachsenen steigt an. Dabei ist diese Bevölkerungsgruppe besonders verletzlich, was die negativen Auswirkungen von Alkohol betrifft. Während das Wissen über Vorbeugefaktoren noch gering ist, ist körperliche Aktivität als möglicher Schutz angedacht worden", schrieben jetzt Sabine Weber von der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der MedUni Wien (AKH) und ihre Co-Autorinnen in der Fachzeitschrift "European Psychiatry" (doi: 10.1192/j.eurpsy.2025.2417).
Die Fachleute haben die Daten von 3.133 Teilnehmern an einer großen internationalen Studie in 13 Staaten ausgewertet. Die Beobachtungsdauer betrug im Mittel bis zu sechs Jahre. Das mittlere Alter der Probanden betrug zu Beginn der Untersuchung 54 Jahre. Die Teilnehmer stammten aus Österreich, Belgien, Tschechien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Israel, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Schweden und der Schweiz, 54,4 Prozent waren weiblich.
Mehr physische Aktivität - Mehr Alkohol
Während in Verhaltenstherapie von Abhängigen sportliche Betätigung durchaus eine positive Rolle spielen kann, kommt es offenbar bei der Verbindung von Lebensstilfaktoren mit dem Alkoholkonsum bei älteren Erwachsenen zu einem völlig anderen Bild: Schon zu Beginn der Studie zeigte sich eine "positive" Assoziation zwischen körperlicher Betätigung und der Häufigkeit des Trinkens von alkoholischen Getränken. Bei angegebener moderater physischer Aktivität erhöhte sich der Alkoholgebrauch im Vergleich zu Inaktivität um den Faktor 1,9. Bei intensiver körperlicher Belastung stieg das gar um den Faktor 2,1. Männer tranken insgesamt mehr, ebenso Probanden mit besserem Gesundheitszustand, Depressionen und höherer Schulbildung.
Auch im Verlauf der Beobachtungszeit zeigte sich ein ähnliches Bild. Mittelgradige körperliche Betätigung über bis zu sechs Jahre hinweg erhöhte die Alkohol-Konsumfrequenz um den Faktor 1,8, intensiver Sport um den Faktor 1,9.
Besonderes Risiko für Ältere
Gerade ältere Senioren könnten dadurch in eine erhebliche gesundheitliche Problematik hineinrutschen: Im Rahmen der Seneszenz verändert sich der Flüssigkeitshaushalt, was die Wirkung von Alkohol verstärkt. Die kognitive Leistungsfähigkeit wird schwächer, Alkohol verstärkt das. Die negativen Effekte reichen bis hin zu Problemen mit der Einnahme notwendiger Medikamente etc.
Gegenstrategien wären laut den Fachleuten um Sabine Weber dringend erforderlich. Immerhin dürfte in der EU der Anteil der Über-65-Jährigen bis zum Jahr 2070 auf rund 30 Prozent ansteigen. Es gibt wissenschaftliche Studien, die gezeigt haben, dass ein Drittel der Menschen mit Alkoholmissbrauch erst mit höherem Lebensalter in diese Situation gekommen sind.
Auf der anderen Seite ist das Alkoholproblem der Senioren in der westlichen Welt insgesamt im Steigen begriffen: Hier wirken sich auch soziale Faktoren wie Einsamkeit und der Eintritt ins Pensionsalter aus - zusätzlich zu dem Umstand, dass auch bereits ein erheblicher Teil der jüngeren Bevölkerung ein Alkoholproblem, das sich im höheren Alter bei weitem nicht verringern muss. Quer über alle Altersgruppen dürften rund 15 Prozent der Österreicher (19 Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen) so viel Alkohol konsumieren, dass dies längerfristig als gesundheitsschädigend bezeichnet werden kann.
Mehr soziale Kontakte durch Sport
Die Gründe für die von den Wissenschaftern gemachten Beobachtungen über die Assoziation zwischen Alkoholkonsum und körperlicher Betätigung dürften komplex sein: Einerseits führt regelmäßiger Sport zu mehr sozialen Kontakten, was in der westlichen Gesellschaft wiederum zu häufigerem Trinken von Alkohol führen könnte. Auf der anderen Seite zeigte sich, dass Probanden mit vielen anderen chronischen Erkrankungen - offenbar bedingt durch ihre gesundheitliche Situation - weniger tranken.