Immunzellen "erschnüffeln" Krankheitserreger
Immunzellen sind dazu in der Lage, Infektionen wie ein Spürhund zu "erschnüffeln". Sie nutzen dazu spezielle Sensoren, die sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TLR). Bonner Wissenschafter haben jetzt herausgefunden, wie das im Detail funktioniert. Die Toll-like-Rezeptoren gehören derzeit zu den "heißesten" Themen der Immunologie-Forschung.
"Viele Zellen im Körper - vor allem solche in den Schleimhäuten und die des Immunsystems - tragen auf ihrer Oberfläche zahlreiche TLR. Diese funktionieren ähnlich wie die Riechrezeptoren in der Nase: Wenn sie auf ein spezifisches chemisches Signal stoßen, werden sie aktiviert", hieß es jetzt in einer Aussendung zu einer Arbeit von Wissenschaftern um Günther Weindl vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn, die in "Nature Communications" veröffentlicht worden ist (DOI: 10.1038/s41467-024-53770-9).
Fresszellen "erschnüffeln" ein Bakterium "erschnüffeln"
Der Alarm, der durch die Aktivierung der Rezeptoren an der Oberfläche von Immunzellen ausgelöst wird, führt dann im Zellinneren zu einer Reihe von Reaktionen. Wenn Fresszellen (Makrophagen) ein Bakterium "erschnüffeln", leiten sie zum Beispiel die Phagozytose ein, bei der sie den Erreger umfließen und verdauen. Andere Immunzellen schütten beispielsweise spezielle Botenstoffe aus und locken dadurch weitere Zellen des körpereigenen Abwehrsystems an. So kann beispielsweise eine Entzündungsreaktion entstehen.
Es gibt verschiedene Gruppen von Toll-like-Rezeptoren, die jeweils auf andere "Gerüche" ansprechen. "Dabei handelt es sich um Moleküle, die sich im Laufe der Evolution als wichtige Gefahrensignale herauskristallisiert haben", erklärte Weindl. Solche Moleküle sind typischerweise auch Lipopolysaccharide (LPS). Das sind wichtige Bestandteile der Zellwand von Bakterien.
Immunzellen, die auf die Oberfläche von potenziellen Krankheitserregern ansprechen, sind für die körpereigene Abwehr in vielen Fällen entscheidend. Die Toll-like-Rezeptoren gehören als Bestandteile des angeborenen Immunsystems zu den entwicklungsgeschichtlich frühesten Elementen der Krankheitsabwehr von Organismen. Hinzu kommt, dass sie im Falle einer sich anbahnenden Infektion eine sehr frühe Reaktion auslösen.
Noch viele offene Fragen
"Noch nicht vollständig geklärt ist in vielen Fällen, zu welchen Antworten ein so detektiertes Signal führt", sagte Weindl. "So ist es zum Beispiel denkbar, dass unterschiedliche Moleküle ein und denselben TLR stimulieren, dabei aber verschiedene Reaktionen auslösen." Genau das analysierten die deutschen Wissenschafter.
Normalerweise untersuchen Forscher solche Fragen unter Verwendung von farbig markierten Molekülen. Dadurch lässt sich beispielsweise sichtbar machen, wenn durch den Rezeptor ein bestimmter Signalweg angeschaltet wird, bei dem diese Moleküle eine wichtige Rolle spielen. Diese Methode ist jedoch sehr aufwendig und erfordert, dass man die Signalwege, die beeinflusst werden könnten, schon sehr gut kennt.
"Wir haben dagegen ein anderes Verfahren erprobt, das ohne Farbmarkierungen auskommt", berichtete der deutsche Wissenschafter. "Es wurde bereits erfolgreich zur Aufklärung der Arbeitsweise anderer Rezeptoren eingesetzt. Wir haben mit dieser Methode nun erstmals Toll-like-Rezeptoren untersucht." Das Verfahren basiert darauf, dass (Immun-)Zellen bei Kontakt zu einem Signalmolekül meist ihre Gestalt ändern. Dadurch bereiten sie sich etwa darauf vor, ein Bakterium zu "verschlucken" oder in erkranktes Gewebe einzuwandern.
Änderung der Gestalt lässt sich sehr einfach sichtbar machen
Diese Änderung der Gestalt lässt sich laut den deutschen Experten sehr einfach sichtbar machen. Dazu setzt man die Zellen mit Toll-like-Rezeptoren auf eine speziell beschichtete transparente Platte und bestrahlt sie von unten mit einer Breitband-Lichtquelle. Dort, wo das Licht auf die Beschichtung trifft, werden bestimmte Wellenlängen des Lichtspektrums zurückgestrahlt. Welche Wellenlängen zurückgeworfen werden, hängt von den Vorgängen und Veränderungen in der Zelle ab.
"Wir konnten zeigen, dass diese Änderungen der reflektierten Wellenlängen bereits wenige Minuten nach Zugabe des Signalmoleküls einsetzen", sagte Weindls Mitarbeiterin Janine Holze. "Wir haben außerdem Zellen mit Lipopolysacchariden aus E. coli (Escherichia coli-Bakterien; Anm.) und aus Salmonellen konfrontiert. Beide Zellwandkomponenten stimulieren denselben Toll-like-Rezeptor. Dennoch veränderte sich das zurückgestrahlte Spektrum nach Gabe der E. coli-LPS auf andere Weise als nach Gabe des Salmonellen-Pendants." Das spricht dafür, dass ein und derselbe Rezeptor durch unterschiedliche Moleküle auf verschiedene Weisen aktiviert wird und dann je nach Signal spezifische Antworten auslöst.
"Das Verfahren erlaubt es daher, die Funktionsweise der Rezeptoren viel differenzierter aufzuklären als bislang", betonte Weindl. "Außerdem vereinfacht es die Suche nach möglichen Medikamenten mit einem ganz bestimmten Wirkprofil." Mit ihnen ließe sich zum Beispiel die Immunreaktion verstärken, so dass die körpereigenen Abwehrtruppen Krebszellen wirksamer bekämpfen als bisher. Bei Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma hingegen suche man eher nach Möglichkeiten, eine überschießende Immunantwort (Entzündung) zu dämpfen, weil sonst gesundes Gewebe geschädigt werde.