Auch schwächere Atlantik-Strömung könnte Klima in Europa verändern
Vielfältig sind die Konsequenzen von Treibhausgas-Emissionen - eine weniger beachtete Folge ist deren Einfluss auf Bewegungen in den Ozeanen. So könnte die atlantische Umwälzbewegung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) - der Golfstrom bildet einen Teil davon -, durch das Schmelzen von Eismassen schwächer werden, sagte David Thornalley vom University College London bei einem "Big Picture Talk" der Universität Wien am Dienstag. Klima-Veränderungen würden folgen.
AMOC transportiert warmes Wasser an der Ozeanoberfläche gen Norden und kaltes Wasser in größerer Tiefe gen Süden. Die Umwälzbewegung spiele etwa bei der Kontrolle des Meeresspiegels sowie bei der Verteilung von Nährstoffen und damit von Organismen eine Rolle. Das System nehme auch viel von Menschen ausgestoßenes CO2 auf. Und nicht zuletzt habe AMOC Auswirkungen auf das Klima: Bereits in der Vergangenheit scheinen abrupte Veränderungen des Klimas mit Veränderungen der Zirkulation im Atlantik verbunden gewesen zu sein, erklärte Thornalley.
Damit Wasser absinkt, müsse es kalt und salzig sein. Dem würde ein Abschmelzen der Eismassen Grönlands und die Klimaerwärmung entgegenwirken, so der Professor der Ozean- und Klimawissenschaften. Modelle würden derzeit jedenfalls darauf hinweisen, dass AMOC bereits schwächer geworden ist und diesen Weg fortsetze. Könnte man das Problem mit technischen Mitteln lösen? Thornalley steht Geoengineering-Lösungen pessimistisch gegenüber. Die gegenwärtige Situation sei "ein Antrieb, uns am Riemen zu reißen".
AMOC-Stopp brächte kältere Temperaturen
Denn komme es zu einem kompletten AMOC-Stopp, würde das für Europa unter anderem kältere Temperaturen bedeuten. Große Teile Europas würden trockener werden, im Winter gebe es vermehrt Niederschlag an den westlichen Rändern des Kontinents. Und auch Pflanzen wären betroffen - trockenere und kältere Sommer würden etwa das Wachstum von Gras reduzieren. Nur in sehr extremen Szenarien würde die so einziehende Kälte allerdings der Klimaerwärmung entgegenwirken, sagte Thornalley.
Geht es um klimatische Veränderungen, könne man aus der Geschichte lernen, ist der Historiker Johannes Preiser-Kapeller von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) überzeugt. In den vergangenen 12.000 Jahren sei das Klima relativ stabil gewesen, wenn es auch Fluktuationen gegeben habe. Mit dem Klimawandel begebe man sich allerdings aus diesem Temperaturbereich heraus - mit unvorhersehbaren Konsequenzen.
Lokale Veränderungen im Blick behalten
Die Forscher appellierten, lokale Veränderungen im Blick zu behalten. Leben beispielsweise Fische wegen wärmeren Temperaturen plötzlich in anderen Regionen - Makrelen etwa siedeln erst seit kurzem vor Island - so habe das große Folgen sowohl für die Politik, als auch für das Schicksal von Einzelpersonen. Entwickle man nun Strategien, um mit den Veränderungen umzugehen, so müsse man auch gesellschaftliche Ungleichheit im Blick haben, betonte Preiser-Kapeller.
Dass die Bewegungen im Atlantik schwächer werden oder gar zu einem Halt kommen, stehe allerdings nicht fest, betonte Thornalley die Unsicherheit der Modelle. Man würde sich derzeit in einer "unbefriedigenden Situation" befinden, in der man nicht wisse, wie es weitergehe.