Klimawandel ändert Wasserbilanz: Regionale Anbaustrategien gefordert
Um angesichts des Klimawandels regionale, nachhaltige Lebensmittelproduktion und Trinkwasserversorgung zu garantieren, braucht es in Bezug auf Böden noch mehr Kooperation zwischen Land- und Wasserwirtschaft. Davon ist Christine Stumpp von der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) überzeugt. Bei einer Tagung des Boku-Zentrums für Agrarwissenschaften tauschen sich Forschende zu künftigen Änderungen der Bodenwasserbilanz und Auswirkungen für den Agrarsektor aus.
"Im Boden sind sehr viel größere Wassermengen vorhanden als etwa in Flüssen", so die Hydrologin. Er bilde dementsprechend einen wichtigen Teil des globalen Wasserkreislaufes: Etwa durch die Speicherung von Wasser, das Pflanzen für ihr Wachstum benötigen, aber auch, weil Wasser durch den Boden ins Grundwasser sickert, welches zur Bereitstellung von Trinkwasser eine der wichtigsten Ressourcen überhaupt ist.
"Niederschlag infiltriert an der Oberfläche in den Boden. Dieses Wasser kann dort entweder gespeichert werden, bis ins Grundwasser sickern, an der Oberfläche verdunsten oder von Pflanzen aufgenommen werden und so wieder in die Atmosphäre gelangen", erklärte Stumpp, die das Institut für Bodenphysik und landeskulturelle Wasserwirtschaft der Boku leitet. Wenn in kurzer Zeit zu viel Niederschlag fällt oder der Bodenspeicher schon voll ist, könne es zudem vorkommen, dass das Wasser nicht in den Boden eindringt, sondern oberflächlich abfließt. Die bestimmte Menge an Wasser, die so im Boden "ein- und ausgeht", bezeichnen Forschende als die Bodenwasserbilanz.
Gewisse Schwankungen mit den Jahreszeiten seien normal, die langfristige Bilanz wird aber dann besonders wichtig, wenn sich in trockenen Jahren weniger Wasser im Boden befindet, sagte Stumpp. Das hat eine Reihe von negativen Konsequenzen: Im trockenen Boden wachsen etwa Pflanzen schlechter, zudem werde nicht genügend Grundwasser neu gebildet: "Das hat Konsequenzen für Trinkwasservorräte sowie für die Qualität und den ökologischen Status von Oberflächengewässern, die mit dem Grundwasser verbunden sind", erläuterte die Hydrologin. Neben den meteorologischen Faktoren könne die regionale Wasserbilanz auch vor Ort beeinflusst werden. Die Bodenversiegelung sowie die Bodenverdichtung durch den Einsatz schwerer Maschinen in der Landwirtschaft verschlechtern etwa die Menge an Wasser im Boden oder dessen Wasseraufnahmefähigkeit.
Zu viel Wasser im Boden beeinträchtigt Wurzelatmung
Doch nicht nur Dürren richten Schaden an: Wenn sich nach starkem Niederschlag zu viel Wasser im Boden befindet, ist die Wurzelatmung der Pflanzen beeinträchtigt und es kann zur Veränderungen der Wasserqualität kommen, oder die Bearbeitung des Boden ist eingeschränkt, so Stumpp weiter. Bei Überschwemmungen oder stärkerem Niederschlag trete zudem in manchen Regionen Bodenerosion durch den Oberflächenabfluss des Wassers auf, sodass es zum Verlust des Bodens und seiner Nährstoffe kommt.
Regionale Strategien wichtig
"Für mich ist es in Bezug auf Lösungen besonders wichtig, Wasser- und Landwirtschaft integrativ zu betrachten", plädierte Stumpp. So brauche es regionale Strategien, um etwa bei Dürren in Zukunft besser bedarfsorientiert zu bewässern. Das bedeutet auch zu bedenken, wie viel Grundwasser regional überhaupt neu gebildet werden kann, und die Bewässerungsmengen dementsprechend zu regulieren. Auch die "konservative Bodenbewirtschaftung" stelle eine schonendere Alternative dar. Bei jener wird der Boden weniger stark verdichtet und man arbeitet Erntereste wieder ein. Dadurch können einerseits mehr Nährstoffe im Boden fortbestehen und andererseits kann, durch die höhere organische Substanz, mehr Wasser rückgehalten werden.
Eine weiterer Ansatz sei der Anbau von "trockenstressresistenteren Früchten", also solchen, die Trockenheit und Hitze besser vertragen - das Abweichen von etablierten Fruchtfolgen ist allerdings aus ökonomischer Sicht risikoreich und deswegen eher eine Randerscheinung, ergänzte Gernot Bodner vom Institut für Pflanzenbau gegenüber der APA. Großflächig tendiere die heimische Landwirtschaft deswegen zu sogenannten Winterungen, etwa der Wintergerste oder dem Winterdurum. Jene werden im Herbst angebaut und sind deswegen im Frühling schon tiefer verwurzelt, somit können sie etwaige Trockenphasen besser überstehen.
"Meines Dafürhaltens sind außerdem agronomische Anpassungsmaßnahmen, also Managementmaßnahmen, die nichts mit der Züchtung zu tun haben, zielführend und einfach", sagte Bodner. Dazu zählen etwa die frühere Saat, die Etablierung besserer Bodenstruktur - damit die Kulturen tiefer wurzeln - und die Bodenbedeckung, also der Anbau von Zwischenfrüchten, die im Herbst sterben und auf dem Feld liegen bleiben. Dadurch ist der Boden geschützt und weniger Wasser geht durch Verdunstung verloren. Mit einer speziellen Sätechnik werde dann in die daraus entstandene Mulchdecke die nächste Kultur gepflanzt.
Service: 13. BOKU CAS Herbsttagung in Tulln zu "Klimawandel und Wasser - Bedeutung für die österreichische Landwirtschaft", 1. Dezember, 9:00-15:30 Uhr: https://boku.ac.at/news/newsitem/76342; Livestream der Tagung: https://youtube.com/live/OePN3zlRukI