Forscher: Lebensweise prägt Ohrform mehr als Verwandtschaft
Seekühe sind mit Elefanten nahe verwandt, haben aber Ohren wie Delfine und nicht die der Rüsseltiere, berichten österreichische Evolutionsforscherinnen. Auch bei anderen Säugetieren ähnelt sich die Innenohrform, wenn sie gleichartige Lebensräume bewohnen und sich dort auf ähnliche Weise fortbewegen, schrieben sie im Fachjournal "Nature Communications". Die Zugehörigkeit zu einer Sippe prägt die Gestalt der Hörorgane also weniger als die Lebensumstände.
Nicole Grunstra und Anne Le Maître vom Department für Evolutionsbiologie der Universität Wien sammelten in Museen zwanzig Schädel von einer aus Afrika stammenden, nahe verwandten Säugetiergruppe namens "Afrotheria". Dazu gehörten neben Seekühen etwa Goldmulle, die wie Maulwürfe aussehen und unterirdisch leben, Baumschliefer, die von der Gestalt Meerschweinchen gleichen, Igel-ähnliche "Tenreks" und Otterspitzmäuse, die man mit ihren Namensvettern sowie Ratten verwechseln könnte. Sie vermaßen die Schädel hochgenau mit Röntgenstrahlen (Mikrotomographie) und rekonstruierten aus den Bilddaten dreidimensionale Modelle des Innenohrs. Dann verglichen sie mit Kollegen die Ohrformen der Afrotheria untereinander und mit zwanzig anderen Säugetierarten von vergleichbarer Gestalt und Lebensweise.
Anpassung an das Meer als Lebensraum
"Die Ohrform von Seekühen ähnelt weniger der von nahe verwandten Afrotheria wie Elefanten oder Schliefern, sondern mehr der nur weitläufig verwandten Delfine", so Grunstra. Dies lasse sich auf die Anpassung an das Meer als Lebensraum zurückführen. "Bei unterirdisch lebenden Arten haben wir festgestellt, dass die Innenohren der Goldmulle, des entwicklungsgeschichtlich weit entfernten Maulwurfs und eines Nagetiers namens Sandgraber eine ähnliche Form haben", erklärte sie der APA. Ebenso hören Baumschliefer und Ameisenbären, sowie Tenreks und Igel mittels ähnlich gestalteter Sinnesorgane. Dasselbe gilt für Otterspitzmäuse, Otter und Schnabeltiere.
Bei diesen Tieren haben sich demnach gewisse Innenohrformen als Anpassung an den jeweiligen Lebensraum aber unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen entwickelt, so die Forscher. Die Bandbreite möglicher Ohrformen sei bei Säugetieren übrigens besonders groß, weil ihre Hörorgane einst ein paar Kieferknochen durch Verkleinerung und Umwandlung als zusätzliche Komponenten dazubekommen haben. "Dank dieser Besonderheit können sie ein viel breiteres Spektrum an Geräuschen wahrnehmen als zum Beispiel Vögel und Reptilien", so die Forscher in einer Aussendung.
Service - https://doi.org/10.1038/s41467-024-52180-1