Erstmals Organ erfolgreich unter null Grad mit Flieger transportiert
An der Medizinischen Universität Innsbruck wartet man mit einem wohl bahnbrechenden Erfolg im Bereich der Transplantationsforschung auf: Fünfmal wurden im vergangenen Jahr erfolgreich entnommene Schweinenieren mittels einer neuen Transport-Technologie in Flügen aus den USA nach Tirol transportiert - und dies weltweit erstmalig bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dabei konnte bewiesen werden: Auch nach 72 Stunden Transportzeit war das Organ noch voll funktionsfähig.
Die Technologie, die über die vergangenen drei Jahre etabliert wurde, sorgt dafür, dass Nieren bis zu 120 Stunden für eine Transplantation erhalten werden können. Die Schweineniere wurde nach dem Transport mittels Maschinenperfusion im OrganLifeTM Labor in Innsbruck wiedererwärmt und zeigte sich voll funktionsfähig. Zudem konnte das Organ nach der Transplantation während des gesamten Beobachtungszeitraumes von 200 Tagen nach dem Eingriff eine normale Nierenfunktion aufrechterhalten.
"Organe können für mehrere Tage außerhalb des Körpers unterhalb des Gefrierpunktes, das heißt unter null Grad, gelagert und transportiert werden - und zwar ohne dass sich dabei Eis bildet", erklärte Top-Mediziner und Transplantationsforscher Gerald Brandacher, Co-Direktor an der Abteilung für Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie (VTT) der Med Uni, im APA-Gespräch. Dieser leitete ein Operations- und Forschungsteam, das an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland die Niere aus dem Schwein entfernte und sie mit einem Verkehrsflugzeug zur Innsbrucker Med Uni brachte. Brandacher war erst vergangenes Jahr an die Innsbrucker Med Uni zurückgekehrt.
Faktor Zeit spielt keine Rolle mehr
"Das ist ein großer Schritt, ein Meilenstein. Wir verhindern damit, dass Organe bei niedrigen Temperaturen frieren", verdeutlichte Brandacher. Der 'Faktor Zeit' spiele auf einmal "keine Rolle mehr". "Wir können damit Organe wesentlich besser übereinstimmen, komplexere Methoden anwenden, um das beste Organ für einen Empfänger zu bekommen. Ein perfekt übereinstimmendes Organ, das besser und länger hält. Und wir können andenken, weltweit Organe auszutauschen. Damit erhöht sich ganz dramatisch der Spenderpool", zeigte sich der renommierte Forscher mehr als zufrieden. Man könnte damit quasi weltweit aus dem "Organpool" schöpfen - und sei nicht auf Europa oder gar Österreich limitiert. Zum Vergleich: Mit vorherigen Transportmethoden war eine Spenderniere maximal 24 Stunden erhaltungsfähig - und das mit folgend eingeschränkter Organfunktion, wie Brandacher ausführte.
Möglich macht den nunmehrigen "Meilenstein" folgendes Prozedere: Die Nieren wurden in der XT-ViVo-Lösung in Kombination mit dem TimeSeal-Gerät des Biotechnologieunternehmens X-Therma konserviert. XT-ViVo ist eine ungiftige, serum- und proteinfreie Organkonservierungslösung, die Peptoide verwendet, um die Bildung schädlicher Eiskristalle zu verhindern und so eine eisfreie Konservierung von Organen zwischen null und minus 20 Grad zu ermöglichen. Daher wird die Temperatur gesenkt und die Zeit verlängert. TimeSeal kann in einem Verkehrsflugzeug transportiert werden und ermöglicht eine präzise Überwachung von Temperatur, Lagerdauer und Standort, ohne dass externe Energie, Blut oder Sauerstoff erforderlich sind, wie es hieß.
Auch andere Organe müssen "getestet" werden
Was für Nieren funktioniert, soll indes auch für das Herz, die Leber und andere Organe klappen. Auch dabei zeigte sich Brandacher zuversichtlich. Es gebe bereits "erste Vorversuche" an der Med Uni, die "sehr vielversprechend" seien. Man müsse aber hier natürlich eine "Anpassung" vornehmen - die Organe seien unterschiedlich, etwa was Volumen und Gewebekonsistenz anbelangt. So wäre beispielsweise für die Leber ein größerer Transportcontainer für den Flug notwendig. Dringend erforderlich wäre auch hier ein "Meilenstein", schließlich bleibt derzeit im Falle des Herzens nur vier Stunden Zeit zwischen Entnahme und Transplantation.
Die nunmehrige Erkenntnis in Sachen Nieren hat übrigens noch nicht das "Go" für die Durchführung solcher Organtransporte bzw. ein "globales Austauschsystem von Organen" zur Folge. Hierzu sind zunächst erste klinische Anwendungsstudien der Technologie, die für 2025 geplant sind, notwendig. Zudem müssten erst noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden - hierzulande, in Europa und in Ländern wie den USA, so Brandacher. Die Politik sei also am Zug. Es sollte zudem zu einer "fairen Verteilung" kommen. Jedenfalls sprach sich der Spitzenforscher für eine europäische Harmonisierung in diesem Bereich aus.
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