Zu wenig Information über mentale Gesundheit im Netz für Jugendliche
Dreieinhalb Stunden täglich hängen Kinder und Jugendliche im Durchschnitt an ihren Smartphones und surfen meist im Internet. Geboten wird dort viel, doch eine Unterstützung für mentales Wohlbefinden ist selten dabei. In einer Studie anlässlich der seit 2023 in Schulen stattfindenden "Mental Health Days" wurden nun Schülerinnen und Schüler zu dem Thema befragt. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gaben etwa an, online noch nie ein Hilfsangebot zum Thema Suizid gesehen zu haben.
Dass mentale Gesundheit ein Thema ist, zeigte die nun präsentierte Umfrage unter mehr als 8.000 Kindern und Jugendlichen, 6.697 Fragebögen wurden ausgewertet. Weit mehr als die Hälfte waren Mädchen, das Durchschnittsalter lag bei 14 Jahren. Zwar sagten 74 Prozent, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sind, doch 67 Prozent meinten, dass sie innerhalb der vergangenen zwei Wochen mindestens an einzelnen Tagen Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit empfunden hatten. Gar 27 Prozent gaben an, dass sie innerhalb der vergangenen 14 Tagen an einzelnen Tagen daran gedacht haben, dass sie lieber tot wären oder sich ein Leid zufügen möchten. "Das ist zu viel", sagte einer der Studienautoren, Tobias Dienlin vom Institut für Publizist der Universität Wien. Fast 60 Prozent der Befragten klagten über Konzentrationsschwierigkeiten.
"Gefühle können ganz schön anstrengend sein. Aber Gefühle sind auch etwa ganz Normales, was zum Leben dazu gehört - positive und negative, die steuern ja unser Verhalten", meinte der zweite Studienautor Paul Plener von der MedUni Wien. "Wenn die schlechten Gefühle aber lange andauern und ich eingeschränkt bin in meiner Freiheit, dann sollte ich mir Hilfe suchen." Oft gebe es so rund um das 14. Lebensjahr einen ersten Peak, was das Auftreten psychischer Erkrankungen betrifft, wie Meta-Analysen zeigten. Laut Plener manifestieren sich bis zum 18. Lebensjahr die Hälfte aller psychischen Erkrankungen, wobei Angst- und depressive Störungen am häufigsten auftreten. Nach Corona sei zwar die Zahl jener, die ab und zu suizidale Gedanken haben, gleich geblieben. Jedoch habe die Zahl jener, die täglich über Suizid nachdenken, deutlich zugenommen, sagte der Kinder- und Jugendpsychiater.
Smartphone-Nutzung nahm deutlich zu
Auch die Smartphone-Nutzung habe durch die Pandemie deutlich zugenommen. Da habe sich auch oft ein Zusammenhang zwischen einer schlechten Stimmungslage und der Nutzung von Social Media gezeigt, berichtete Plener über eine weitere Meta-Studie. Auch die am Montag in Wien präsentierte Studie, die von der Ethikkommission der Universität Wien geprüft und unter Aufsicht durchgeführt wurde, zeigt vor allem, dass das Smartphone einen wichtigen Anteil im Leben der Kinder und Jugendlichen hat. 213 Minuten verbringen Schülerinnen und Schüler am Handy, 90 Minuten in sozialen Netzwerken, 89 Minuten beim Streaming, 64 Minuten bei Videospielen und 62 Minuten in Messenger-Diensten. Viel weniger wird mittlerweile ferngesehen (40 Minuten pro Tag) und gelesen (36 Minuten pro Tag). Interessant ist, dass sich Kinder und Jugendliche bereits neun Minuten pro Tag mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen.
Dabei gaben 37 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, bereits online Suizidaufrufe gesehen zu haben. Jedoch meinten 54 Prozent, im Internet noch nie Hilfsangebote zum Thema Suizid gesehen zu haben. Niemand würde in die Suizidalität getrieben, wenn er darauf angesprochen werde, betonte Plener. Ganz im Gegenteil, die Menschen sollten mehr dabei unterstützt werden, über Gefühle sprechen zu lernen, sagte Golli Marboe, der Initiator der Studie und der "Mental Health Days - Tage der psychischen Gesundheit" im Schulunterricht. Nach einer Pilotphase wurde das Projekt im Sommer 2023 begonnen. Bisher wurden mehr als 35.000 Schülerinnen und Schüler bzw. Lehrlinge erreicht. Marboes Verein zur "Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien" hat die Initiative, die auf Spenden und Förderungen angewiesen ist, ins Leben gerufen.
Marboes Sohn hat sich vor fünf Jahren das Leben genommen. "Seit damals stellen wir uns immer wieder die Fragen, was haben wir übersehen, was hätten wir besser machen können, warum haben wir nicht erkannt, dass er nicht nur schlecht drauf war, sondern eine schwere Krankheit hatte", sagte Marboe. "Wir wussten zu wenig über die Fragen des psychischen Wohlbefindens." Aus dem Grund habe der Journalist und Buchautor die Imitative "Mental Health Days" gegründet, um das Thema sichtbarer zu machen und "dass wir lernen, über unsere Gefühle zu sprechen". 681 Module wurden bereits abgehalten. Für Marboe wäre es ein großer Wunsch, wie die jährlich abgehaltenen Sportfeste, einen fixen Tag der psychischen Gesundheit in den den österreichischen Schulen zu etablieren.
Service: Informationen und Spenden über https://www.mentalhealthdays.eu/