Forscher sahen Meeresschnecken auf Felsinselchen beim Anpassen zu
In nur drei Jahrzehnten passten sich ausgesetzte Meeresschnecken auf einer winzigen Felsinsel vor der Küste Schwedens an ihre neue Umgebung an, beobachteten Forscher des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ). Sie mutierten von großen, aber unauffälligen "Krabbenschnecken" zu kleinen, gemusterten "Wellenschnecken". Dabei änderte sich nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihr Erbgut. Die Studie ist im Fachmagazin "Science Advances" erschienen.
Auf jenem drei Meter großen, von der Eiszeit geformten Felsen lebte bis zum Jahr 1988 eine Population von Felsenstrandschnecken (Littorina saxatilis). Sie waren an den starken Wellengang dort angepasst und deshalb recht klein. Weil es auf der Minifelsinsel (die man als Schäre bezeichnet) keine Fressfeinde gibt, konnten sich diese "Wellentyp-Schnecken" ein recht ungezwungenes Verhalten und auffälliges Schalenmuster leisten. Dann wurde ihr Bestand durch eine besonders dichte Blüte giftiger Algen ausgelöscht, berichten die Forscher in einer Aussendung.
Die Meeresökologin Kerstin Johannesson von der Universität Göteborg (Schweden) brachte ein paar Jahre später (1992) andere Felsenstrandschnecken auf das kleine Eiland. Sie hatten davor an einem Ort gelebt, wo es Krabben als Fressfeinde gab und waren deshalb groß, unscheinbar, umsichtig und mit dicker Schale ausgestattet. In den darauffolgenden 30 Jahren konnte Johannesson mit einem Team um die ISTA-Forscher Diego Garcia Castillo und Anja Westram (derzeit Nord Universität, Bodø, Norwegen) zusehen, wie sich die Krabbentyp-Schnecken und ihr Erbgut an den neuen Lebensraum anpassten. "Die Veränderungen waren sowohl schnell als auch weitreichend", so Castillo.
Inversionen wurden beobachtet
"Sehr bald nach ihrer Verpflanzung veränderten die Schnecken ihre Form", berichten die Forscher. Dabei konnten sie eine große Vielfalt an Genen nutzen, die sie noch aus ihren früheren Entwicklungen in sich trugen. Es gab aber auch große Umstellungen auf dem Erbgut - und zwar sogenannte Inversionen. Dabei wird ein Erbgut-Abschnitt umgedreht. Für die neue Umgebung nützliche Merkmale, die wohl bereits in geringer Häufigkeit bei den ausgesetzten Individuen vorhanden waren, wurden durch die natürliche Auslese (Selektion) massentauglich. Außerdem flossen wahrscheinlich durch Sex mit vom 160 Meter entfernten Nachbarfelsen angetriebenen Wellentyp-Schnecken ein paar nützliche Gene in die junge Population der Schäre ein.
Nach 30 Jahren und bis zu 60 Generationen auf der kleinen Felsinsel sehen nun die einstigen Krabbentyp-Meeresschnecken dem zuvor verlorenen Wellentyp-Bestand verblüffend ähnlich, schreiben die Forscher: "Sie haben inzwischen auch eine florierende Population von etwa tausend Tieren aufgebaut."
Service: https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.adp2102