Klima-Glossar: Geothermie
In Zeiten des Klimawandels werden CO2-freie Energieformen immer wichtiger. Eine davon ist Erdwärme, das ist im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte thermische Energie. Mit Geothermieanlagen lassen sich ganze Großstädte mit Warmwasser versorgen. In Zeiten der Energiewende wird die im Gegensatz zu Wind und Sonne grundlastfähige Stromerzeugung aus Geothermie immer wichtiger. Island deckt mehr als ein Viertel seines Strombedarfs damit, Neuseeland knapp ein Fünftel.
Außerdem werden rund 90 Prozent der Haushalte der Insel im Nordatlantik mit Warmwasser aus Erdwärme versorgt. Island schafft es gemeinsam mit Wasserkraft, 100 Prozent seines Stromes erneuerbar bereitzustellen. Ebenso wie das vulkanisch stark aktive Island verfügt auch der südpazifische Inselstaat Neuseeland über zahlreiche an oder knapp unter der Oberfläche liegende heiße Quellen, die leicht erschließbar sind. Geothermie ist in Neuseeland neben der Wasserkraft weit vor Solar- und Windstromanlagen die wichtigste Energieform zur Stromerzeugung, wenngleich auch noch in geringem Ausmaße fossile Energieträger wie Kohle und Gas verstromt werden.
Auch in Österreich ist Geothermie ein Hoffnungsträger der Energiewende. Generell lässt sich sagen, dass sich die günstigsten thermischen Untergrundbedingungen in den "Thermenregionen" Ost- und Südostösterreichs, im Wiener Becken, im Inn- und Hausruckviertel und in der Gegend von Bad Gastein befinden. Unter Wien wurde ein Reservoir in rund 3.000 Metern geortet. Gefunden wurde das heiße Wasser in einer "Aderklaaer Konglomerat" genannten porösen Gesteinsschicht unterhalb eines Gebiets, das von der Donaustadt bis nach Simmering reicht. Laut einer Schätzung von Wien Energie sollen damit bis 2030 bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden.
Geothermie ist jene Energie, die als Wärme in Gestein oder in Grund- und Tiefenwässern gespeichert ist. Konkret wird zwischen oberflächennaher und tiefer Geothermie, die aus einer Tiefe von ab 300 Metern gefördert wird, unterschieden. Tiefe Geothermie wird in Österreich in Form von natürlichem Thermalwasser für Thermalbäder sowie für die Gewinnung von Heizwärme und Strom genutzt, oberflächennahe Geothermie wird mittels Wärmepumpen direkt verwendet. Die Temperaturen in dieser Tiefe belaufen sich auf etwa 25 Grad Celsius. Dieses Wasser wird für die Heizung beziehungsweise Kühlung von Gebäuden oder technischen Anlagen eingesetzt.
Unterschiedliche Verfahren
Bei der oberflächennahen Geothermie werden geschlossene Rohrsysteme in Bohrlöcher verlegt und kontinuierlich Wasser hochgepumpt. Nachdem das Wasser die Wärme des Untergrunds angenommen hat, wird es an der Oberfläche mittels Wärmepumpen auf die gewünschte Temperatur gebracht.
Um etwa Wärme aus mehreren Tausend Metern Tiefe zu fördern, gibt es zwei Möglichkeiten: Bei der hydrothermalen Technik wird heißes Wasser mit Temperaturen von rund 40 bis mehr als 100 Grad Celsius - ab 100 Grad tritt das Wasser gasförmig auf - über ein Bohrloch nach oben gefördert, wo es dann zum Heizen oder zur Stromerzeugung verwendet wird. Über ein zweites Bohrloch wird das Wasser anschließend wieder in die Tiefe gepumpt.
Bei der petrothermalen Technik (altgriechisch petros: Gestein) wird über eine Bohrung Wasser mit großem Druck in die Tiefe gepresst. Dadurch entstehen im Gestein winzige künstliche Risse und nach und nach ein regelrechtes Netz kleiner, unterirdischer Kanäle. Durch ein anderes Bohrloch wird das Wasser wieder nach oben gefördert und bringt die Gesteinswärme nach oben.
Bei der Geothermie kommt Wasser je nach Temperatur entweder flüssig oder als Wasserdampf vor. Abhängig von Temperatur und Druck ändert sich der Aggregatzustand des Wassers durch Kondensieren und Verdampfen immer wieder. Der wesentlich leichtere Wasserdampf steigt im Porenraum des Gesteins auf und kann große Wärmemengen transportieren.
Potenzial in Österreich kaum genutzt
Der Verein Geothermie Österreich schätzt, dass hierzulande der Anteil erneuerbarer Energie in der Fernwärmeerzeugung von 46 (im Jahr 2016) auf bis zu 86 Prozent im Jahr 2050 erhöht werden könnte. Laut dem Verein werden erst fünf Prozent des Potenzials der tiefen Geothermie in Österreich genutzt.
Bei der tiefen Geothermie gibt es jedoch die Befürchtung, dass durch Ab- und anschließendes Zurückpumpen des Wassers Erdbeben ausgelöst werden könnten: Gerät man mit der Bohrung in eine Störungszone, so besteht die Gefahr, beim Einpressen des Wassers Erschütterungen auszulösen. Wie die Geophysikerin Maria-Theresia Apoloner der APA im Frühjahr 2022 sagte, handelt es sich bei der hydrothermalen Nutzung aber meist um nicht spürbare Mikro-Beben.
Wie eine Gasexplosion im oberösterreichischen Ansfelden Ende Juni dieses Jahres zeigte, birgt aber auch die oberflächennahe Geothermie gewisse Risiken. Bei einer Bohrung für eine Wärmepumpe für ein Wohnhaus war es damals laut Bezirkshauptmann in rund 90 Meter Tiefe zu einem "Wasseraustritt auch mit einem Gasgemisch" gekommen. Oberösterreichs Landesgeologe Christoph Kolmer erklärte, dass es im gesamten Bundesland Tausende derartiger Bohrungen gebe. Das Problem sei im konkreten Fall gewesen, dass man im Untergrund auf "seichtes Erdgas" gestoßen sei, welches seitlich neben dem Rohr in den Untergrund ausgetreten und durch den gut durchlässigen Schotter in das weitere Umfeld gelangt sei. Danach reiche ein Funke und es komme zur Explosion, sagte Kolmer.
Insgesamt lässt sich sagen, dass es in Österreich vor allem für die oberflächennahe Geothermie gute Voraussetzungen gibt. Für Städte und Gemeinden mit einem Fernwärmenetz ist diese Form der Energiegewinnung eine Option, ihre Wärmeversorgung zu dekarbonisieren.
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