Ökologe Georg Grabherr 76-jährig gestorben
Der Ökologe und Naturschützer Georg Grabherr ist 76-jährig "nach langem Leiden, das er mit bewundernswerter Haltung getragen hat" am 25. Oktober gestorben, teilte seine Familie mit. "Er liebte Natur, Blumen und Menschen", heißt es in der Parte. Er war als Professor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an der Uni Wien sowie am Institut für Gebirgsforschung der ÖAW tätig und wurde zum "Wissenschafter des Jahres 2012" gewählt.
Mit Augenzwinkern beschrieb Grabherr seine Tätigkeit als "Blümchenzählen". Es war ein für ihn typisches Understatement, schließlich konnte er damit regelmäßig in den wichtigsten Wissenschaftszeitschriften wie "Nature" oder "Science" publizieren. So lieferte er mit globaler Studie über Hochgebirgspflanzen schon früh harte Fakten über Auswirkungen des Klimawandels.
In Bregenz am 30. April 1946 geboren und in Hörbranz aufgewachsen besuchte der Sohn eines Schusters die Lehrerbildungsanstalt. Im Internat nutzte er sein früh erwachtes Interesse für die Natur, um beim "Botanisieren" in Wald und Flur dem Nachmittagsstudium zu entgehen. Doch Grabherr wollte nicht Lehrer werden und begann deshalb 1967 an der Uni Innsbruck ein Studium der Biologie, das er 1975 mit der Promotion summa cum laude abschloss.
Alpine Vegetation als Lieblingsthema
Er erhielt gleich nach dem Doktorat eine Assistenten-Stelle am Institut für Botanik der Uni Innsbruck, wo er sich schnell einem seiner Lieblingsthemen, der alpinen Vegetation, widmete. Nach einem Forschungsaufenthalt in Großbritannien habilitierte er sich 1983 in Innsbruck. 1986 wurde er als Professor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an die Uni Wien berufen und konnte damit den Naturschutz auf akademischem Boden etablieren. 2011 musste er krankheitsbedingt aus dieser Funktion frühzeitig ausscheiden.
Mit Studien über die Natürlichkeit der österreichischen Wälder, die Pflanzengesellschaften und die Biodiversität Österreichs sowie dem ersten vollständigen Gebirgsinventar schutzwürdiger Biotope wurde Grabherr zum international gefragten Experten. Bereits 1994 gelang ihm erstmals der Nachweis für das erwärmungsbedingte Höhersteigen der alpinen Vegetation. Diese Auswirkungen des Klimawandels werden seit Jahren in der von Grabherr initiierten Forschungsinitiative GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments") an mittlerweile mehr als 100 über den Globus verteilten Observationspunkten beobachtet - was er scherzhaft als "Blümchenzählen" bezeichnete.
In zahlreichen Gremien tätig
Grabherr war auch stellvertretender Direktor des Instituts für Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in zahlreichen internationalen Gremien vertreten und hat die EU u.a. bei der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie beraten. Der Ökologe beobachtete und studierte aber nicht nur die Natur, er beschrieb sie auch auf populäre Art und kämpft für ihren Schutz - konkret etwa um die Erhaltung des nur in Mitteleuropa vorkommenden Bodensee-Vergissmeinnicht.
Mitte der 1980er-Jahre habe es am Bodensee nur noch einen "kläglichen Rest" von Grabherrs Lieblingspflanze gegeben, erinnerte er sich einmal im Gespräch mit der APA. Durch seine Bemühungen wurden Naturschutzgebiete eingerichtet, die Zahl der Pflanzen sei darauf hin regelrecht "explodiert", freute sich der Biologie über seinen "gegen viele Widerstände erzielten schönsten Schutzerfolg".
Stolz auf Naturexkursionen
Bei seinen naturschützerischen Bemühungen kamen Grabherr Funktionen wie der Vorsitz im Vorarlberger Naturschutzrat oder im österreichischen Nationalkomitees des UNESCO-Programms "Man and Biosphere" zugute. Stolz war er auch auf seine Naturexkursionen mit der Vorarlberger Landesregierung. Dabei wählte er mit Bedacht "nicht Problemfälle, sondern Gutfälle - denn wir müssen positiv polen". Der Ökologe war überzeugt, dass ein solcher Besuch im Wald oder im Moor "allen Regierungen gut täte - eine halbe Stunde Moorpredigt genügt um klarzustellen: Die Natur ist vielfältig, sie ist fantastisch und wir haben Verantwortung."
Stolz war er auch auf die mehr als 300 Diplomanden und Dissertanten in der Zeit seiner Aktivität an der Uni Wien. Durch diese Absolventen sei es zu einer "Professionalisierung im Naturschutz" gekommen.
Für die vielfältige Vermittlungsarbeit seiner Liebe zur und seines Wissens über die Natur wurde Grabherr vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten als "Wissenschafter des Jahres 2012" ausgezeichnet.