"Neue Datenbank bewertet Schätzungen zur irregulären Migration"
Eine neue, öffentlich zugängliche Datenbank stellt die wichtigsten Schätzungen zur Zahl irregulärer Migrant_innen in Europa und den USA zusammen und bewertet sie. Die unter der Federführung der Universität Oxford entwickelte und von der Universität für Weiterbildung Krems und der Universität Maastricht mitkonzipierte Datenbank bietet aufbereitete Daten zu zwölf europäischen Ländern und den USA. Die Datenbank entstand im Rahmen des Forschungsprojekts "Measuring irregular migration and related policies" (MIrreM), das von der Universität Krems geleitet wird und an dem 18 Institutionen beteiligt sind. Weitere Erkenntnisse hat das Projektteam im Bericht "The Irregular Migrant Population of Europe" veröffentlicht.
Eine Schätzung der irregulär aufhältigen Migrant_innen ist schwierig, da viele Angehörige dieser Gruppe aus Angst vor rechtlichen Folgen vermeiden, persönliche Informationen bei Umfragen und anderen Erhebungen preiszugeben. Daher fehlen umfangreiche statistische Daten, die es normalerweise ermöglichen, die Größe und Zusammensetzung von Bevölkerungsgruppen zu berechnen. Die Schätzungen zu diesem Thema sind deswegen stets unsicher und von großen Fehlermargen geprägt. Gegenüber früheren wissenschaftlichen Schätzungen, etwa des EU-geförderten Forschungsprojekts "Clandestino" (2008) und des Pew Research Centre (2019) bietet die neue Datenbank nun aktualisierte und präzisere Informationen zur Gruppe der irregulären Migrant_innen in Europa und den USA und zu ihrer Entwicklung in den letzten Jahren.
Projektkoordinator Ass.-Prof. Mag. Dr. Albert Kraler vom Zentrum für Migrations- und Globalisierungsforschung an der Universität für Weiterbildung Krems betont: "Zahlen sprechen nicht für sich selbst. Die MIrreM-Datenbank stellt nicht nur verschiedene aktuelle Schätzungen zusammen, sondern bewertet ihre Qualität und zeigt Verzerrungen auf. Dadurch wird es möglich, sich ein klareres Bild von der Anzahl der irregulären Migrant_innen zu verschaffen."
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse
Zwischen 2016 und 2023 lebten schätzungsweise 2,6 bis 3,2 Millionen irreguläre Migrant_innen in den zwölf vom Projekt MIrreM erfassten europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Spanien, Vereinigtes Königreich). In ihrer Gesamtheit hat sich die absolute Zahl der irregulären Migrant_innen sowie deren Anteil an der Gesamtbevölkerung in den untersuchten europäischen Ländern seit 2008 nicht signifikant verändert. Dies steht im Gegensatz zu der in der öffentlichen Debatte breitgeteilten Annahme eines kontinuierlichen Anstiegs der irregulären Einwanderung.
Den Schätzungen zufolge beträgt der Anteil der irregulären Migrant_innen an der Gesamtbevölkerung dieser europäischen Länder weniger als 1 Prozent. Der Anteil an der Bevölkerungsgruppe der Drittstaatsangehörigen liegt zwischen acht und zehn Prozent. Dies sind Migrant_innen, die in Ländern außerhalb des Schengen-Raums geboren wurden, bzw. in Irland und Großbritannien auch jene, die außerhalb der "Common Travel Area" geboren wurden. Dieses Ergebnis deckt sich weitgehend mit jenen des erwähnten Forschungsprojekts "Clandestino".
Kein Anstieg der Zahl irregulärer Migrant_innen?
Für 2008 schätzte das Projekt "Clandestino" die Zahl der irregulären Migrant_innen in diesen zwölf Ländern auf 1,8 bis 3,8 Millionen. Das MIrreM-Forscherteam gelangt jedoch nun zu einer genaueren Schätzung für das Jahr 2008 und geht von einer Untergrenze von 2,58 Millionen und einer Maximalgrenze von 3,34 Millionen irregulären Migrant_innen aus. Damit bleibt immer noch eine Spannweite bestehen. Ob sich die Zahl der irregulären Migrant_innen seit 2008 verändert hat, kann daher nicht definitiv beantwortet werden, weil die Veränderungen innerhalb der Spannweite stattfinden.
Den Schätzungen zufolge weisen die USA die größte Gruppe an irregulären Migrant_innen auf: sowohl in absoluten Zahlen (eine Schätzung in der Datenbank, die das Projektteam als hochwertig bewertet, geht von 11,1 bis 11,6 Millionen aus) als auch hinsichtlich des Anteils an der Gesamtbevölkerung sowie an der im Ausland geborenen Bevölkerung. Die kleinste Gruppe unter den untersuchten Ländern lebt in Finnland (wiederum in Bezug auf die absolute Anzahl sowie den Anteil an der Gesamtbevölkerung und der im Ausland geborenen Bevölkerung).
Entwicklung im Vergleich zu 2008
Im Vergleich zu den "Clandestino"-Schätzungen von 2008 zeigen die Untersuchungen von MIrreM, dass seit damals die Anzahl an irregulären
Migrant_innen und ihr Anteil an der Bevölkerung in drei Ländern - Österreich, Deutschland und Spanien - gestiegen ist. In fünf Ländern ist die geschätzte Zahl der irregulären Migrant_innen gleichgeblieben: Belgien, Frankreich, Italien, dem Vereinigten Königreich und den USA. Rückläufig waren die Zahlen in Finnland, Griechenland, Irland, den Niederlanden und Polen.
Das Forscherteam empfiehlt, langfristige, länderübergreifende Erhebungen zur irregulären Migration in Europa durchzuführen, um zuverlässigere Schlussfolgerungen ziehen zu können. Zu diesem Zweck entwickeln und testen die Forscher_innen derzeit neue methodische Ansätze, die die Erstellung regelmäßiger und zuverlässiger Schätzungen zur irregulären Migration erleichtern sollen.
Finanziert wird das Projekt MIrreM von der Europäischen Union. Eine Kofinanzierung erhält es durch das UK Research and Innovation (UKRI) und den kanadischen Exzellenzforschungslehrstuhl für Migration und Integration (TMU).
Mehr Informationen: MIrreM-Projektseite: https://irregularmigration.eu Zur Datenbank: https://doi.org/10.5281/zenodo.13856861
Zur Aussagekraft von Daten im Bereich irreguläre Migration: https://doi.org/10.5281/zenodo.13757685
MIrreM-Forschungsbericht „The Irregular Migrant Population of Europe“: https://doi.org/10.5281/zenodo.13857073 Schätzungen für mehrere europäische Städte: https://zenodo.org/records/10853356 Clandestino-Ergebnisse (2008): https://cordis.europa.eu/project/id/44103/reporting
Rückfragehinweis Ass.-Prof. Mag. Dr. Albert Kraler Ko-Leiter – Zentrum für Migrations- und Globalisierungsforschung Universität für Weiterbildung Krems Tel.: +43 2732 893-2434 E-Mail: albert.kraler@donau-uni.ac.at