Corona: Lockdown, Impfpflicht, Schulen bleiben aber offen
Regierung und Landeshauptleute haben sich nach zähem Ringen auf eine Corona-Impfpflicht und auf einen Lockdown für ganz Österreich verständigt. Die Schließungen sollen ab Montag maximal 20 Tage dauern, wobei nach zehn Tagen evaluiert wird. Die FFP2-Maskenpflicht kommt in allen Innenräumen.
Die Schulen bleiben grundsätzlich offen (Präsenzunterricht "für all jene, die es benötigen" laut der schriftlichen Vereinbarung), die Präsenzpflicht wird aber ausgesetzt, sagte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP). "Es gibt den gemeinsam Appell von Bundesregierung und Landeshauptleuten, dort wo möglich, die Schüler zuhause zu lassen", betonte er - und verwies auf die extrem hohe Fallzahlen in diesen Altersgruppen. "Was immer wir im Schulbereich entscheiden, ist immer eine Herausforderung", räumte er ein. Man bitte die Bevölkerung in den nächsten 20 Tagen, sich noch einmal zusammenzureißen, "damit wir diese vierte Welle brechen". "Und ich hoffe, dass wir mit diesem Appell nie wieder in seine solche Situation kommen", sagte er.
Impfpflicht ab Februar
Außerdem wurde eine allgemeine Impfpflicht angekündigt. Diese soll rasch auf den Weg gebracht werden und ab 1. Februar gelten. Die Einigung wurde am Rande der Landeshauptleutekonferenz am Achensee von Regierung und Landeshauptleuten präsentiert. Eine der dabei offenen Fragen ist jene der Durchsetzung bzw. welche Sanktionierung es geben könnte. Viele Juristen sprechen sich in der laufenden Diskussion für Verwaltungsstrafen aus.
Ex-Justizministerin Maria Berger (SPÖ) bezeichnete die "gelinderen Mittel" - wie Impfkampagne, "gutes Zureden" und Beschränkungen für Ungeimpfte - in einem "Kurier"-Interview schon am Donnerstag als ausgeschöpft. "Deshalb ist jetzt die Zeit gekommen: Es ist gerechtfertigt, eine Impfpflicht einzuführen." Dass man auch dann nicht alle Bevölkerungsteile erreichen wird, spräche nicht gegen eine solche Maßnahme, sagte Medizinrechtsexperte Karl Stöger von der Universität Wien ebenfalls am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal. Es gehe aber darum, dass ausreichend Menschen geimpft werden, um den Druck auf das Gesundheitssystem zu verringern.
Sanktionen bei Verweigerung
Impfverweigerern, die nicht unter zu definierende Ausnahmeregelungen fallen, dürften wohl Sanktionen angedroht werden: Verwaltungsstrafen seien denkbar, "bei mehrfachen Vergehen könnte die Sache auch strafrechtlich relevant werden", sagte Maria Kletecka, Mitglied der Bioethikkommission, den Vorarlberger Nachrichten (Donnerstag-Ausgabe). Für den Verfassungsexperten Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck wären ebenfalls Geldstrafen möglich, die nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verhältnismäßig sein müssen. "Das dürften vielleicht ein paar Hundert Euro sein."
"Durchaus auch in einer gewichtigen Höhe, vielleicht auch, wenn man trotz einer Bestrafung der Pflicht nicht nachkommt, im Wiederholungsfalle noch einmal", meinte dazu Andreas Janko von der Johannes Kepler Universität in Linz im Mittagsjournal. "Es werden Menschen in einer gewissen Frist aufgefordert, sich impfen zu lassen. Und wenn sie dem nicht entsprechen, dann gibt es eben entsprechende Geldstrafen", so Stöger. Im "Kurier" dachte der Medizinrechtler über eine groß angelegte Aktion nach: Die Gesundheitsbehörden könnten das Melde- mit dem Impfregister abgleichen, Ungeimpfte würden eine schriftliche Aufforderung erhalten, wer dem nicht innerhalb einer Frist nachkommt, bekommt einen Strafbescheid. Eine Verwaltungsstrafe sei nicht nur "gesellschaftlich vertretbar", sondern womöglich auch eine Hilfe für Menschen, die sich wegen Drucks im sozialen Umfeld bisher nicht impfen haben lassen, meinte Maria Berger.
Die rechtliche Basis etwa für das Gesundheitspersonal verortete Bußjäger im VN-Interview im Epidemiegesetz. Für eine generelle Impfpflicht hingegen sei ein Gesetz nötig, "das durch das Parlament gebracht werden muss".
Ob eine Einführung indes verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich wäre, hängt im Wesentlichen von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ab. Die befragten Verfassungsjuristen sahen diese im Mittagsjournal vom Donnerstag angesichts der eskalierenden Coronalage gegeben: "So wie die Entwicklung der Dinge läuft und die Beurteilung durch die Fachleute, kann man annehmen, dass nun die Schwelle der Verhältnismäßigkeit erreicht ist", meinte Bernd-Christian Funk von der Sigmund Freud Privatuniversität. "Ich würde auch angesichts der jüngsten Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei einer gut gemachten und begründeten Impfpflicht gute Chancen sehen, dass das vor dem Verfassungsgerichtshof hält", so Stöger. "Man muss beachten, dass die Impfpflicht für die gegenwärtige Welle schon ziemlich spät kommt. Daher scheint es mir, als ob man sozusagen mit einer Impfpflicht bereits für eine kommende Welle Vorsorge trifft. Aber auch in diesem Fall scheint mir die Maßnahme verhältnismäßig", erklärte Bußjäger.