Mehr Frauen unter den Spitzenverdienern
Zwar sind Frauen unter den Spitzenverdienern nach wie vor untervertreten, doch hat ihr Anteil in den letzten Jahren stetig zugenommen. Welche Eigenschaften verbinden diese Spitzenverdienerinnen und verbessern die Chance, dieser Gruppe anzugehören? Die vorliegende Arbeit untersucht die Zusammensetzung der Top 1% aller Einkommensbezieher in Grossbritannien. Die Ergebnisse machen deutlich, dass vor allem eine bessere Ausbildung dafür verantwortlich ist, dass Frauen heute eine höhere Chance haben, zu den Spitzenverdienern aufzusteigen. Michael Kogler, Herausgeber
Quelle: Burkhauser, R. V., N. Hérault, S. P. Jenkins und R. Wilkins (2022). What accounts for the rising share of women in the Top 1%? Review of Income and Wealth, erscheint demnächst.
Mit der Gruppe der Top 1% aller Einkommensverdiener geht häufig eine besondere Faszination einher. Deshalb scheint es interessant, die genaue Zusammensetzung jener Spitzenverdiener zu erforschen: Welche Eigenschaften sind vorherrschend und erhöhen die Chance, dieser Gruppe anzugehören? Besonders spannend ist diese Frage auch in Hinblick auf die Geschlechterverteilung unter den Top 1%. Jüngst hat der Frauenanteil unter den Spitzenverdienern zugenommen. Ist dieser Trend tatsächlich belegbar? Und falls ja, geht dieser gestiegene Frauenanteil mit speziellen Eigenschaften einher? Diesen Fragen geht ein Forscherteam um Richard Burkhauser von amerikanischen Cornell Universität nach. Dazu betrachten sie im vorliegenden Artikel die Spitze der Einkommensverteilung im Vereinigten Königreich.
Um die Frage nach den unterschiedlichen Eigenschaften der Spitzenverdiener beantworten zu können, müssen sich Burkhauser und seine Kollegen zunächst Gedanken zur Datenverfügbarkeit machen. Denn eine der größten Herausforderungen bei der Erforschung der Top 1% liegt in der knappen Datenlage: Umfragedaten beinhalten zwar oft sehr detaillierte Informationen, jedoch sind die Spitzenverdiener dort meist unterrepräsentiert. Das kann daran liegen, dass die Reichsten der Reichen in Einkommensumfragen nicht erreicht werden oder nicht daran teilnehmen möchten. Dieses Problem lässt sich jedoch umgehen, indem man administrative Daten verwendet, die z.B. im Rahmen von Steuererklärungen erhoben werden. Solche Datensätze erfassen auch die Spitzenverdiener. Jedoch sind Steuerdaten oft weniger informativ bezüglich der Eigenschaften der erfassten Personen. Die Forscher kombinieren daher Umfrage- und Steuerdaten aus dem Vereinigten Königreich. Die Steuerdaten beinhalten Informationen zu rund 1'000 Personen, welche den Top 1% der Einkommensverteilung zugehörig sind, im Zeitraum zwischen 1995 und 2016.
Die Autoren des vorliegenden Artikels schätzen, wie individuelle Eigenschaften die Wahrscheinlichkeit, zu den Top 1% zu gehören, beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise Alter, Ausbildungsdauer, Familientyp, Wohnsitzregion, Beschäftigungsstatus oder die Einkommensgruppe des Partners. Die Referenzgruppe bildet dabei die gesamte Bevölkerung des Vereinigten Königreichs. Um Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu untersuchen, werden die Schätzungen auch für beide Gruppen separat durchgeführt. Der Anspruch von Burkhauser und seinen Ko-Autoren besteht in erster Linie darin, die wirtschaftliche Elite Grossbritanniens zu analysieren und Eigenschaften ihrer Mitglieder zu erfassen.
Obwohl Frauen unter den Spitzenverdienern tendenziell untervertreten sind, stellen Burkhauser und seine Ko-Autoren bei den Top 1% des Vereinigten Königreichs einen Trend hin zu mehr weiblicher Repräsentation in der wirtschaftlichen Elite fest. Wie Abbildung 1 zeigt, hat sich der Frauenanteil an den Spitzenverdienern von 1995/96 bis 2015/16 fast verdoppelt. Dies gilt unabhängig davon, ob Umfrage- oder Steuerdaten verwendet wurden. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung hat sich die Wahrscheinlichkeit, als Frau den Top 1% anzugehören, zwischen 1999 und 2015 von 0.27 auf 0.43 Prozent erhöht. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit, als Mann dieser Gruppe anzugehören, nahm im selben Zeitraum von 1.96 auf 1.85 Prozent ab, ist jedoch absolut immer noch höher.
Getrennte Schätzungen für Frauen und Männer innerhalb der Top 1% machen unterschiedliche Eigenschaften deutlich: So leben Frauen häufiger in London als Männer, leben weniger häufig in Paarbeziehungen, haben häufiger einen Partner, welcher den Top 10% bzw. den Top 1% angehört. Der Anteil von Top 1% Frauen in einer solchen Paarbeziehung lag 2015 bei 70 Prozent im Vergleich zu 64 Prozent im Jahr 1999.
Der Frauenanteil unter den Top 1% aller Einkommensverdiener stieg von 10% 1995/96 auf 19% 2015/16. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau zu den Top 1% aufsteigt, nahm von 1999 bis 2015 von 0.27% auf 0.43% zu.
Manche Eigenschaften der wirtschaftlichen Elite gelten gleichermaßen für beide Geschlechter. Dazu zählen insbesondere ein fortgeschrittenes Alter, eine längere Ausbildungszeit, die berufliche Tätigkeit etwa im Finanzsektor, ein Wohnsitz in London sowie Partner ebenfalls aus den Top 1%. All das macht es wahrscheinlicher, dieser Gruppe tatsächlich auch anzugehören.
Die zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau zu den Top 1% aufsteigt, ist zu zwei Dritteln auf eine längere Ausbildungszeit zurückzuführen.
Die verlängerte Ausbildungszeit ist ein entscheidender Faktor dafür, dass die Wahrscheinlichkeit von Frauen, den Spitzenverdienern anzugehören, stark zugenommen hat. Bei Frauen erklärt die bessere Ausbildung rund zwei Drittel jener zusätzlichen Wahrscheinlichkeit, den Top 1% anzugehören.
Abschließend lässt sich sagen, dass der Frauenanteil in der obersten Einkommensgruppe gestiegen ist. Vor allem Frauen mit einer längeren Ausbildungszeit sind vermehrt den Top 1% zugehörig. Die Eigenschaften der zugehörigen Personen konnten detailliert analysiert werden, da das Autorenteam Umfrage- und Steuerdaten kombinierten. Diese Methode könnte sich auf weitere Länder übertragen lassen und dort ebenfalls die genauere Identifikation der dortigen Top 1% ermöglichen. Ein spannender Ausblick, insbesondere auch im Hinblick auf Geschlechterunterschiede.
Von: Daniela BREIDENSTEIN Universität St. Gallen Master in Economics danielakristin.breidenstein@student.unisg.ch
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