Hannspeter Winter-Preis für Anna Niggas
Was passiert, wenn man hochgeladene Ionen auf Oberflächen schießt? Die Physikerin Anna Niggas entwickelt neue Untersuchungsmethoden und wird dafür nun ausgezeichnet.
Wenn man elektrisch geladene Teilchen mit großer Wucht auf dünne Materialschichten schießt, können mehrere physikalische Effekte ausgelöst werden. In ganz verschiedenen Forschungsbereichen können diese Effekte eine wichtige Rolle spielen - von der Materialwissenschaft bis zur Krebstherapie. Anna Niggas untersuchte solche Effekte im Rahmen ihrer Dissertation am Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Sie promovierte mit der höchsten Auszeichnung "Sub Auspiciis Preasidentis", nun erhält sie am 24.01.2025 auch noch den Hannspeter Winter-Preis der TU Wien.
Hohe Geschwindigkeit und hohe Ladung
Elektrisch geladene Teilchen kann man relativ leicht beschleunigen und mit beliebiger Geschwindigkeit ganz gezielt auf eine Probe auftreffen lassen - man braucht dazu nur ein passendes elektrisches Feld. Je stärker das Feld, umso größer die Bewegungsenergie des Teilchens und umso wuchtiger der Einschlag auf der Materialoberfläche. "Die Ionen, die wir für unsere Experimente verwenden, unterscheiden sich aber nicht nur in ihrer Bewegungsenergie, sondern auch in ihrem Ladungszustand", erklärt Anna Niggas. "Und das kann einen gewaltigen Unterschied machen."
Wenn man einem elektrisch neutralen Atom ein Elektron wegnimmt, wird es zum positiv geladenen Ion. Einem größeren Atom wie etwa Xenon - mit 54 Protonen und 54 Elektronen - kann man auch mehrere Elektronen entreißen. Man spricht dann von einem "hochgeladenen Ion".
Wenn ein solches hochgeladenes Ion auf einer Materialoberfläche auftrifft oder eine dünne Materialschicht durchdringt, dann überträgt es nicht nur seine Bewegungsenergie auf die Einschlagregion, es reißt aufgrund seiner hohen elektrischen Ladung auch Elektronen des Materials an sich.
Davonfliegende Elektronen
Es handelt sich bei einem solchen Einschlag somit um einen komplizierten Prozess, an dem eine große Zahl von Teilchen beteiligt ist. Dabei kann es auch passieren, dass Elektronen fortgeschleudert werden - und genau das hat Anna Niggas nun in ihrer Dissertation untersucht. "Sowohl die Anzahl als auch die Energie dieser Elektronen kann man messen, und zwar mit unterschiedlichen Ionen und unterschiedlichen Materialien", sagt Anna Niggas. Dadurch kann man genau herausfinden, welche Prozesse dabei eine Rolle spielen, und warum unterschiedliche Materialien unterschiedlich auf Ionenbeschuss reagieren.
So zeigen sich etwa in bestimmten Materialien kleine Löcher, wenn man sie mit hochgeladenen Ionen beschießt - das kann man ausnutzen, um ganz gezielt eine poröse Membran herzustellen. Andere Materialien hingegen zeigen sich verblüffenderweise unversehrt, nachdem sie mit Ionen durchschossen wurden.
Diese Erkenntnisse spielen in vielen Forschungsbereichen eine Rolle - um Materialoberflächen gezielt zu verändern, um die Eigenschaften verschiedener Materialien zu charakterisieren, und sogar für die Kernfusion sind solche Effekte wichtig: In einem Kernfusionsreaktor treffen nämlich ständig geladene Teilchen auf das Material der Reaktorwand, und dabei soll der Reaktor möglichst wenig Schaden erleiden. Sogar für die Weltraumtechnik ist die Wechselwirkung von Ionen und verschiedenen Materialien wichtig: Auch der Sonnenwind besteht aus geladenen Partikeln, die auf Raumfahrzeugen Schaden anrichten können.
Anna Niggas
Anna Niggas wuchs in Wien auf und studierte an der TU Wien Physik. Nach einem Auslandsaufhalt in Uppsala (Schweden) forschte sie in der Gruppe von Prof. Richard Wilhelm am Institut für Angewandte Physik. Ihre Ergebnisse präsentierte sie bereits in einer ganzen Reihe von Publikationen in angesehenen Fachjournalen und auf zahlreichen internationalen Konferenzen, ihre Dissertation schloss sie 2023 "Sub Auspiciis Praesidentis" ab. Eine ganze Reihe von Auszeichnungen unterstreicht mittlerweile ihren Erfolg, etwa der "Sheldon Datz Prize" bei der internationalen Konferenz ICPEAC im Jahr 2023, vergangenen Dienstag erhielt sie den Loschmidt Preis der österreichischen Chemisch-Physikalischen Gesellschaft für ihre Dissertation und nun auch der Hannspeter Winter-Preis der TU Wien.
Hannspeter-Winter-Preis für herausragende Dissertation
Seit 2008 wird der Hannspeter-Winter-Preis jährlich an eine Absolventin des Doktoratsstudiums der TU Wien verliehen. Der mit 10.000 Euro dotierte Forschungspreis wird gemeinsam von der TU Wien und der BA/CA-Stiftung finanziert und ehrt das Vermächtnis von TU-Professor Hannspeter Winter, der sich mit großem Engagement für die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen einsetzte. Als ehemaliges Mitglied des Instituts für Angewandte Physik und Pionier in der Erforschung hochgeladener Ionen war Hannspeter Winter eng mit dem Forschungsgebiet von Anna Niggas verbunden. In den 17 Jahren seines Bestehens kehrt der Preis nun durch die Auszeichnung von Anna Niggas zum zweiten Mal an das Institut für Angewandte Physik zurück, nachdem bereits 2017 eine Doktorandin desselben Instituts geehrt wurde.
Rückfragehinweis: Dr. Anna Niggas Institut für Angewandte Physik Technische Universität Wien +43 1 58801 13433 anna.niggas@tuwien.ac.at Aussender: Dr. Florian Aigner PR und Marketing Technische Universität Wien +43 664 60588 4127 florian.aigner@tuwien.ac.at