Gehirn reagiert im Schlaf stark auf unbekannte Stimmen
Das Gehirn muss im Schlaf widersprechende Bedürfnisse in Einklang bringen: Es braucht ungestörte Erholung, muss aber auch auf Ungewöhnliches und potenziell Gefährliches reagieren können. Wie das Gehirn das bewerkstelligt, haben Salzburger Schlafforscher nun anhand der Reaktion auf Stimmen gezeigt. Wie sie im "Journal of Neuroscience" berichten, reagiert das Hirn im Schlaf selektiv und stark auf unbekannte Stimmen, und zwar sowohl im Leicht- als auch im stabilen Tiefschlaf.
Auch im Schlaf nimmt das Gehirn selektiv akustische Reize wahr. Wie es dabei differenziert, haben Manuel Schabus und sein Team vom Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften (CCNS) der Universität Salzburg (Fachbereich Psychologie) untersucht.
Die Wissenschafter spielten 17 Personen während deren Nachtruhe - konkret in Non-REM-Schlaf-Phasen, in denen kaum geträumt wird - Stimmen von bekannten Familienmitgliedern oder Lebenspartnern vor und verglichen die Reaktion darauf mit jener auf Stimmen von völlig Fremden. Gesprochen wurden dabei die Vornamen des jeweiligen Probanden sowie andere Vornamen. Währenddessen wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmer mit hoch-auflösender 256-Kanal EEG (Elektroenzephalographie) überwacht.
Unbekannte Stimmen lösen mehr Reize aus
Es zeigte sich, dass unbekannte Stimmen mehr sogenannte K-Komplexe auslösen als bekannte Stimmen. Dabei handelt es sich um ein spezielles Muster von Gehirnwellen, das mit der Verarbeitung akustischer Reize während des Schlafs verbunden ist und es zugleich dem Schläfer ermöglicht den Schlaf fortzuführen, wenn der Reiz als nicht zu bedrohlich beurteilt wird. "Es konnten zwar auch vertraute Stimmen K-Komplexe auslösen, doch nur die von unbekannten Stimmen bewirkten gingen mit weitreichenden Veränderungen der Gehirnaktivität einher, die auf eine tiefergehende sensorische Verarbeitung hindeuten", erklärte Schabus gegenüber der APA.
Je länger die Nacht dauerte und damit je vertrauter die zunächst unbekannte Stimme wurde, desto seltener traten diese Gehirnreaktionen auf. "Das deutet sogar darauf hin, dass das Gehirn im Schlaf in der Lage ist, komplett Neues zu lernen bzw. zunehmend auszufiltern", betonte Schabus.
Offensichtlich ermöglichen die K-Komplexe dem Gehirn, in einen "Wächter-Verarbeitungsmodus" einzutreten. In diesem Zustand kann es sich mit den wichtigen internen Prozessen befassen, die während des Schlafs ablaufen, es ist aber gleichzeitig in der Lage, auf relevante Reize zu reagieren. Unter dem Strich bedeutet das, dass unser Gehirn nie völlig ruhig und inaktiv ist sondern immer nach relevanten Reizen sucht, und der beste Schlaf eben in bekannten und gewohnten Umgebungen möglich ist, so der Wissenschafter.
Service: Internet: https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.2524-20.2021