Kardiologenkongress: Diabetes-Medikamente helfen schwachen Herzen
Eine vor wenigen Jahren durch Zufall gemachte Entdeckung hat wesentliche Auswirkungen auf die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz. Diabetesmedikamente vom Typ der SGLT-2-Inhibitoren, die primär den Blutzucker senken, haben praktisch bei allen Herzschwäche-Patienten eine positive Wirkung. Das hat eine groß angelegte Metastudie ergeben, die beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Barcelona vorgestellt worden ist.
In Österreich dürften rund 300.000 Personen an einer chronischen Herzinsuffizienz leiden. Jahrzehntelang waren Medikamente aus der Hypertonietherapie - Betablocker und ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten - zwei Säulen in der Therapie. Hinzu kamen noch sogenannte Mineralkortikoid-Rezeptor-Inhibitoren. Damit konnte die hohe Sterblichkeit von Patienten mit chronischer Herzschwäche bereits deutlich verringert werden.
Doch dann führte eine neue Regelung der US-Arzneimittelbehörde FDA zu einer nunmehr wesentlichen Ergänzung des Therapiespektrums. Nachdem für damals neue Blutzucker-senkende Medikamente für Typ-2-Diabetiker plötzlich negative Nebenwirkungen bezüglich Herz-Kreislauf-Zwischenfällen bekannt geworden waren, erließ die Arzneimittelagentur im Jahr 2008 eine Verordnung, wonach neue Blutzucker-senkende Mittel auch besonders ihre Herz-Kreislauf-Sicherheit beweisen müssten.
Genau das wurde für die damals in Entwicklung stehenden sogenannten SGLT-2-Inhibitoren als neue Antidiabetika durchgeführt. Diese Substanzen wie Dapagliflozin oder Empagliflozin senken den Blutzuckerspiegel von Typ-2-Diabetikern, indem sie die Ausscheidung von Zucker über Nieren und Harn fördern. "Obwohl der ursprüngliche Fokus auf der Sicherheit bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen lag, wurde schnell erkennbar, dass die SGLT-2-Inhibitoren nicht nur sicher waren, sondern sogar das Herz-Kreislauf-Risiko von Typ-2-Diabetikern senkten. Bedeutende Vorteile waren auch die positiven Resultate bei Herzinsuffizienz und chronischem Nierenversagen", schrieben jetzt die US-Nierenspezialisten Katherine Tuttle und Janani Rangaswami in der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" aus Anlass des europäischen Kardiologenkongresses (Barcelona; 26. bis 29. August).
Große Metastudie
In Barcelona wurde jetzt eine große Metaanalyse von bis zu fünf großen klinischen Studien zu diesem Thema präsentiert und in "Lancet" voll publiziert. Bei der Neubewertung von zwei Studien mit 12.521 Patienten mit chronischer Herzschwäche zeigte sich demnach, dass eine zusätzliche Behandlung mit SGLT-2-Inhibitoren die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Todesfällen und einer ersten Spitalsaufnahme wegen Herzinsuffizienz um 20 Prozent verringerte. Die Mortalität allein wurde um zwölf Prozent reduziert, die Häufigkeit einer ersten Hospitalisierung um 26 Prozent.
"Poolte" man die Daten von fünf großen Studien mit 21.947 Herzschwäche-Patienten, lag die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Todesfällen und Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz um 23 Prozent niedriger, wenn die Kranken auch SGLT-2-Inhibitoren erhalten hatten (Herz-Kreislauf-Mortalität: minus 13 Prozent; Hospitalisierung: minus 28 Prozent). Ausgesprochen wichtig: Diese Ergebnisse waren über alle Untergruppen von Herzinsuffizienz hinweg gleich. "SGLT-2-Inhibitoren verringerte das Risiko für Herz-Kreislauf-Todesfälle und Spitalsaufnahmen wegen (schlechter werdender; Anm.) Herzschwäche bei einem breiten Spektrum von Herzinsuffizienzpatienten und unterstützen deren Rolle als Basistherapie (...)", stellten die Studienautoren unter Muthiah Vaduganathan (Harvard Medical School) dazu fest. Diese Diabetes-Medikamente sind somit eine vierte Säule der Herzinsuffizienz-Therapie, egal ob eine Zuckerkrankheit vorliegt oder nicht.
Die Ergebnisse der Metaanalyse sind für die tägliche Praxis in der Medizin und für allein in Österreich Hunderttausende Patienten wichtig. Chronische Herzschwäche und Typ-2-Diabetes sind nämlich einander oft überschneidende Erkrankungen. In Österreich leben rund 800.000 Personen mit Diabetes mellitus. Hinzu kommen rund 350.000 Personen mit Prädiabetes. 300.000 Personen dürften eine chronische Herzinsuffizienz aufweisen.
Das Vorliegen eines Diabetes mellitus stellt einen wichtigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz dar. So entwickeln Diabetiker rund zwei- bis fünfmal häufiger und in bereits jüngerem Lebensalter eine Herzinsuffizienz. In klinischen Studien hat sich gezeigt, dass bei bis zu 30 Prozent aller PatientInnen mit Zuckerkrankheit bereits eine Herzinsuffizienz vorliegt. Die Dunkelziffer ist noch höher. Umgekehrt "funktioniert" das offenbar auch: Herzinsuffizienz führt zu einer Diabetes-fördernden Stoffwechsellage. In Herzinsuffizienz-Studien haben 30 Prozent bis 40 Prozent aller aufgenommenen Probanden Diabetes oder seine Vorstufe (Prädiabetes).