Wiener Forschende entdeckten "Achillesferse" beim Prostatakarzinom
Ein Wissenschafterteam unter Führung von Experten des Klinischen Instituts für Pathologie der MedUni Wien (AKH) hat eine mögliche "Achillesferse" beim Prostatakarzinom entdeckt. In einem Mausmodell und mit Abgleich zu Patientendaten haben sie gezeigt, dass ein bestimmter Signalweg der Tumorzellen diese altern lässt und Immunzellen anlockt. Dies könnte auch neue Behandlungsmöglichkeiten bedeuten.
Erstautorin Christina Sternberg und die Co-Autoren der wissenschaftlichen Studie, die vor kurzem in "Molecular Cancer" veröffentlicht worden ist, stellten zur Bedeutung der Forschungen auf diesem Gebiet fest: "Prostatakrebs (PCa) ist die zweithäufigste Krebsart, die bei Männern diagnostiziert wird. Das spiegelt sich in 1,4 Millionen neuen Fällen weltweit und 375.000 damit verbundenen Todesfällen allein im Jahr 2020." Prostatakarzinome seien sehr heterogen, die Genauigkeit der vielen Behandlungsformen werde vor allem dadurch beeinträchtigt, dass es bisher keine verlässlichen Biomarker gebe, welche eine Unterscheidung zwischen aggressiven und nicht aggressiven Tumoren ermöglichten.
Bei der Suche nach solchen Biomarkern kamen die Wissenschafter auf Zellsignale, die über die Proteine IL6ST (GP130) und STAT3 laufen. Bei etwa 50 Prozent der Prostatakarzinome funktioniert STAT3 falsch und spielt eine Rolle beim Zellwachstum, dem Überleben von Zellen, der Bildung von Blutgefäßen im Tumor und beim Ausweichen gegenüber einer allfälligen Immunantwort des Körpers.
Die Wissenschafter züchteten Mäuse mit genetischer Vorbelastung für Prostatakarzinome, bei denen der IL6ST-Signalweg im Prostatagewebe aktiviert war. Parallel dazu wurde der Status der IL6ST-Aktivierung bei einer großen Zahl von Prostatakarzinompatienten untersucht.
Die Ergebnisse könnten neue Möglichkeiten für Therapieansätze bei dieser Krebsform eröffnen. "Die genetische Aktivierung des IL6ST-Rezeptors in Prostataepithelzellen löst eine aktive STAT3-Signalgebung aus und verringert das Tumorwachstum in vivo (im Mausmodell; Anm.) signifikant", schrieben die Fachleute. Zellalterung bremst natürlich das Wachstum. Nachgewiesen wurde aber auch noch ein zweiter Effekt: Es kam zu einem vermehrten Anlocken von T-Immunzellen, welche den Tumor angreifen können (zytotoxische T-Zellen).
Die Beobachtungen bei den Labormäusen wurden durch Beobachtungen an Patienten ergänzt bzw. bestätigt. Die Wissenschafter: "Bei Prostatakrebspatienten korreliert eine starke IL6ST-Expression mit einem besseren Überleben ohne Rückfall, erhöhten Seneszenzzeichen (des Tumors; Anm.) und einem Übergang von einem 'immunkalten' zu einem 'immunheißen' Tumor." Die innovativen Immuntherapien mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, welche bösartige Zellen wieder durch das Immunsystem angreifbar machen sollen, haben bisher beim Prostatakarzinom eher versagt. Das könnte daran liegen, dass sie eben "immunkalt" - sozusagen "nicht auffällig" - für das körpereigene Abwehrsystem sind.
Die neuen Erkenntnisse sprechen gegen das bisher vorherrschende Konzept, wonach in der Behandlung von Prostatakrebs eher eine Blockierung von IL6ST/STAT3 angebracht wäre. Stattdessen könnte man eventuell sogar eine Aktivierung dieses Signalwegs in den Zellen als neue Strategie erproben.