Klima-Glossar - Das Schwammstadtprinzip für Bäume
Durch den Klimawandel kommt es zu einer immer unregelmäßigeren Verteilung der Niederschläge. Auf längere Trockenperioden folgt massiver Regen, der Überschwemmungen auslösen kann. Dies auszugleichen, indem Regenwasser nicht durch Kanäle rasch abgeführt, sondern durch gezielte Maßnahmen im Boden gespeichert und für die Vegetation verfügbar bleibt, ist die Idee der "Schwammstadt für Bäume", die ab 2011/12 in Skandinavien als "Stockholm-System" entwickelt wurde.
Das Schwammstadtprinzip für Bäume ist ein System, das durch kombinierte Maßnahmen bei Neupflanzungen im Stadt- und Straßenraum sicherstellen soll, dass Bäume auch in befestigten Verkehrsflächen wie Straßen, Parkplätzen, Gehwegen oder Fußgängerzonen optimale Lebensbedingungen vorfinden. Dabei geht es einerseits um Sicherstellung der notwendigen Tragfähigkeit von befestigten Flächen bei gleichzeitiger Vermeidung jener hoher Bodenverdichtung, die Stadtbäume zunehmend schädigen, andererseits um die Schaffung eines optimalen Untergrunds für Wurzelwachstum, Halten des Wassers und Luftzufuhr. "Was Bäume in der Stadt umbringt, ist der verdichtete Boden. Sie brauchen vor allem Luft an der Wurzel", sagt Stefan Schmidt.
Der Landschaftsarchitekt hat 2018 den österreichischen "Arbeitskreis Schwammstadt" mitbegründet und lehrt an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA) in Wien-Schönbrunn, wo mehrere Feldversuche zur bestmöglichen Umsetzung des Schwammstadtprinzips für Bäume laufen. Mittlerweile hat man ein klares Schema entwickelt, das auch mit lokal verfügbaren Materialien umgesetzt werden kann. Grobschotter, wie man ihn etwa von Gleistrassen kennt, leitet als Gerüst die Verkehrslasten in den Untergrund ab. In die dabei freibleibenden Hohlräume wird ein Feinsubstrat aus mineralischen und organischen Bestandteilen eingeschlämmt, in dem ein abgestimmtes System wirkt: "Grobporen lassen Luft und Wasser in den Boden eindringen und verteilen diese. Die Feinporen halten Wasser gegen die Schwerkraft und machen es pflanzenverfügbar."
"Für Bäume ist es nicht so wichtig, wie tief sie wurzeln können, sondern wie viel Volumen ihnen zur Verfügung steht", erklärt Schmidt, Ziel sei ein Wurzelraum von mindestens 36 Kubikmetern im Untergrund. Bei der Pflanzung neuer Bäume ist es daher für die Laien gar nicht so einfach herauszufinden, ob dabei herkömmlich oder nach Schwammstadt-Methode vorgegangen wird. Diese Erfahrung machten etwa in den vergangenen Wochen die Anrainer des Servitenviertels in Wien-Alsergrund. Landschaftsarchitekt Karl Grimm ist an der teilweisen Schaffung einer Fußgängerzone beteiligt und sieht bei den von ihm umgesetzten Maßnahmen "eine echte PR-Herausforderung". Weder die Tiefe der ausgehobenen Bauminseln, noch die Oberflächenausführung lassen sofort auf Schwammstadtprinzip schließen. Die Steinplatten und Gullys sehen aus wie anderswo. Doch das hier gesammelte Regenwasser wird nicht in den Kanal geleitet, sondern gelangt durch Rohre unter die Bäume. "Besonders gestaltete Kanaldeckel wären eine gute Werbemaßnahme", meint Grimm und dringt auch auf die Aufstellung von Info-Tafeln. "Es ist ein System, das unterirdisch funktioniert und oben sichtbar gemacht werden sollte."
Auch Grimm arbeitet im "Arbeitskreis Schwammstadt" mit und drängt Richtung Politik auf weitere Maßnahmen wie die wissenschaftliche Begleitung möglichst vieler umgesetzter Projekte hinsichtlich Wasserhaushalt, Boden- und Pflanzen-Entwicklung oder die Schaffung erleichterter gesetzlicher Voraussetzungen. Dass bei der Neugestaltung des Johann-Nepomuk-Vogl-Platzes in Wien-Währing für die nach Schwammstadt-Prinzip gepflanzten Bäume auch das Dachwasser der Marktstände genutzt werden konnte, sei der Sondersituation des Marktes geschuldet, aber ansonsten in Wien nach wie vor nicht erlaubt. Während etwa Niederösterreich mit dem "blaugelben Bodenbonus" Anreize für die vermehrte Umsetzung des Schwammstadtprinzip für Bäume biete, hinke man anderswo noch nach, beklagt Grimm. Dabei seien die Mehrkosten von 5.000 bis 10.000 Euro pro Baum gut investiert, ist er sicher. Das Schwammstadtprinzip nachträglich einzubauen, sei deutlich teurer. Dennoch ist der Experte zuversichtlich: "Im Augenblick geht das Ganze noch etwas zögerlich - aber es gewinnt an Fahrt!"
Service: https://www.schwammstadt.at