Ist Europa bereit für den Mond? - ESA-Konferenz in Wien
Ist Europa bereit für den Mond? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Konferenz der Europäischen Weltraumorganisation ESA und des Bundeskanzleramts am Freitag in Wien. Diskutiert wird dabei der Bericht einer Expertengruppe, die bereits eine klare Antwort gegeben hat: Die Experten plädieren für "Mut", Europa sollte "Autonomie in der Erdumlaufbahn, auf dem Mond und darüber hinaus erlangen". Dafür müssten eigene Kapazitäten aufgebaut werden, um Menschen ins All zu bringen.
Nicht nur angesichts der Tatsache, dass Europa im Gegensatz zu anderen Raumfahrtmächten seine Astronautinnen und Astronauten nicht selbst ins All bringen kann, hat die ESA Anfang 2022 eine unabhängige Expertengruppe eingesetzt, die sich mit der Zukunft der europäischen Weltraumforschung befassen sollte. In Kourou in Französisch-Guyana gibt es zwar einen europäischen Weltraumbahnhof, doch müssen ESA-Astronauten derzeit bei der US-Weltraumagentur NASA mitfliegen, weil ein europäisches Raumschiff für bemannte Flüge fehlt.
Revolution Weltraum
Der nun vorliegende Bericht der Beratergruppe, der Vertreter des Raumfahrtsektors, der Industrie, von Behörden und der Zivilgesellschaft angehörten, trägt den Titel "Revolution Weltraum" und die Gruppe spricht sich dafür aus, dass Europa diese Revolution nicht verpassen dürfe. So rief der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, einer der Experten, bei der kürzlich erfolgten Präsentation des Berichts zu mehr Investitionen in die Weltraumforschung auf: "Lasst uns mutig sein, lasst uns Europa an die Spitze der Weltraumforschung setzen."
Länder und Regionen, die sich nicht ihren unabhängigen Zugang zum Weltraum und dessen autonome Nutzung sichern, würden in eine strategische Abhängigkeit geraten und wirtschaftlich auf einen großen Teil dieser Wertschöpfungskette verzichten müssen, heißt es in dem Bericht. Und weiter: Europa sollte sich zum Ziel setzen, bis 2040 ein Drittel dieses globalen, milliardenschweren Zukunftsmarktes für sich zu gewinnen.
Die Experten bemängeln, dass sich Europa auf Partner verlassen müsse, um Menschen ins All zu bringen. Sie drängen darauf, dass Europa die Investitionen in die bemannte Erkundung des Weltraums signifikant erhöht und eigene Kapazitäten zur Beförderung von Menschen in den Weltraum entwickelt, um die Vorteile einer boomenden Weltraumwirtschaft zu sichern und zu fördern.
Investitionen gefordert
"Die Kosten der Untätigkeit wären bei weitem höher als die notwendigen Investitionen, um Europa als starken und unabhängigen Weltraumakteur zu etablieren", heißt es in dem Bericht. Darin wird daran erinnert, dass in der Vergangenheit ein passiver Ansatz Europas zur Entstehung einer ausländischen Marktdominanz geführt habe, selbst in Technologiesektoren, in denen es ursprünglich gut positioniert war.
Im Bericht empfehlen die Berater in der Weltraumforschung "visionär", "anders" und "jetzt zu handeln". Auch der aus Österreich stammende ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher sieht in dem Expertenpapier einen "Weckruf für die Führung Europas jetzt zu handeln und diese Gelegenheit nicht zu verpassen".
Aschbacher wird Freitag Nachmittag (2.6.) bei der Konferenz "Ready for the moon" (Bereit für den Mond) gemeinsam mit Bundeskanzler Karl Nehammer, Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) und Spitzenvertretern aus dem Raumfahrtsektor und der -industrie über die "Revolution Weltraum" diskutieren. Seitens der ESA verweist man auf "die großen Ambitionen" der USA, Chinas, Indiens und andere Nationen im Weltraumsektor. Europa müsse sich in dieser geopolitischen Lage "strategisch klar positionieren, um nicht den Anschluss zu verlieren".
Neben den Chefs der Raumfahrt-Agenturen mehrerer europäischer Länder haben sich Frank De Winne, Chef des ESA-Astronautenzentrums in Köln und ehemaliger Kommandant der Internationalen Raumstation ISS, John McFall, Mitglied der ESA-Astronautenreserve und Teilnehmer an der Machbarkeitsstudie für Astronauten mit Behinderung, sowie seine Kollegin in der Crew der ESA-Astronautenreserve, die Österreicherin Carmen Possnig, angesagt.
Service: Konferenz: https://go.apa.at/6KEVQU32; Livestream auf ESA WebTV: https://www.esa.int/ESA_Multimedia/ESA_Web_TV