Hitze-, Zecken- und Stechmückenmonitoring in Österreich ausbaufähig
Hitze gefährdet die Gesundheit und führt in Österreich durch die Klimakrise vermehrt zu Todesfällen. Diese "Übersterblichkeit" sollte man wöchentlich regional erfassen, sagte Bernhard Benka von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im Gespräch mit APA-Science. Dann wären Spitäler, Pflegedienste und Hausärzte zeitnah über hohen Versorgungsbedarf informiert. Auch Stechmücken- und Zeckenmonitoring gehörten dauerhaft und bundesweit einheitlich durchgeführt.
In einem aktuellen Bericht zu "Klima und Gesundheit" identifizierten die Experten der AGES als "Kernthemen" unter anderem: "Hitze als direkte Gefahr für die menschliche Gesundheit, sowie vermehrtes Auftreten von Krankheitserregern zoonotischen Charakters (Infektionskrankheiten, die von Tier zu Mensch oder von Mensch zu Tier übertragen werden können, Anm.)". Im internationalen Vergleich gäbe es beim Stechmücken- und Zeckenmonitoring Nachholbedarf. Mit einem deutlich aktuelleren und informativeren Hitze-Mortalitätsmonitoring (Hitze-MOMO) als derzeit - es wird nur nach jeder Sommersaison rückblickend die Zahl der Hitze-Übersterblichkeit im gesamten Bundesgebiet ermittelt - will man außerdem die Hitzegefahr deutlich machen und Maßnahmen dagegen erleichtern.
Genaueres Hitzegefahr-Monitoring
"Wir wollen das Hitze-Mortalitäts-Monitoring-Modell von nachträglichen Berechnungen über die ganze Saison zeitnäher gestalten, statistisch verfeinern sowie Altersgruppen integrieren und die regionale Auflösung erhöhen", erklärte Benka, der den Fachbereich Öffentliche Gesundheit der AGES leitet: "Mit diesen statistischen Verfeinerungen können Behörden dann gezielter auf etwaige Hitzeereignisse reagieren." Dazu könne man auf die jede Woche veröffentlichten Euromomo-Daten zurückgreifen, in denen die Sterblichkeit in den europäischen Ländern detailliert abgebildet wird. "Im Moment sehen wir uns gerade die international bestfunktionierenden Modelle zur Berechnung von Hitze-assoziierter Übersterblichkeit an", so der Experte: "In unser statistisches Modell werden voraussichtlich verschiedene meteorologische Variablen der Messstationen, die geografische Einteilung, die Vorhersage der All-Ursachen Mortalität und Parameter zu aktuell zirkulierenden Infektionskrankheiten wie zum Beispiel COVID-19 einfließen."
Aus den vergangenen Jahren kennt man die sommerliche Hitzesterblichkeit nur für ganz Österreich. So forderten teils über lange Zeiträume herrschende Extremtemperaturen in den "Hitzerekordjahren" 2017 und 2018 laut Berechnungen der AGES schätzungsweise 575 beziehungsweise 550 Menschenleben. "Wir überprüfen derzeit eine für Österreich sinnvolle geografische Einteilung", sagte Benka. Dafür böte sich die für EU-Statistiken gebräuchliche Einteilung von Nuts3-Regionen an, das wären in Österreich 35, zum Beispiel Wien, das Waldviertel, Oberkärnten, das Innviertel und Osttirol. "Viele Daten sind schon in ausreichender Form verfügbar", berichtete er: "Die Herausforderung ist vor allem, die Daten sinnvoll in ein komplexes statistisches Modell einzuarbeiten, damit die Ergebnisse am Ende des Tages aussagekräftig sind." Nach einer Testphase in der Sommerperiode 2024, in der Hitze-assoziierte Todesfälle nach Geschlecht, Altersgruppen, Kalenderwochen und geografischer Zuordnung quantitativ dargestellt werden sollen, sollte ab 2025 ein österreichweites Überwachungs-Programm zur standardisierten und automatisierten Berichterstattung der Hitze-assoziierten Übersterblichkeit etabliert sein und öffentlich ausgewiesen werden.
Aufholbedarf beim Gelsen- und Zeckenmonitoring
Neben übermäßiger Hitze sind auch Infektionskrankheiten in Zukunft gefährlich, die von ehemals ausschließlich in den Tropen vorkommenden Zecken und Stechmücken übertragen werden, so die Experten: Dazu zählen etwa Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber, West-Nil-Fieber und Dengue-Fieber. Außerdem verbreiten sich die heimischen Zecken, die vor der Klimaerwärmung vor allem im Osten Österreichs anzutreffen waren, auch immer mehr in den höheren Lagen im Westen des Landes. Dadurch können Lyme-Borreliose und Frühsommer- Meningoenzephalitis (FSME) häufiger werden. "Für die Zukunft ist es deshalb unabdingbar, ein einheitliches Zecken- und Stechmücken-Monitoring in Österreich zu etablieren", schrieben sie. Damit könne man vor allem neu auftretende Gattungen, die bisher unbekannte Pathogene in sich tragen können, zeitgerecht erkennen, wie beispielsweise die Tropische Riesenzecke.
Invasive Arten sind angekommen
In den vergangenen Jahren wurden laut Europäischem Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sechs neue invasive Arten von "Aedes"-Stechmücken auf dem Kontinent gesichtet. Auch die Asiatische Tigermücke wurde erstmals 2011 in Österreich nachgewiesen. Mittlerweile gab es Funde in allen Bundesländern. Sie ist ein Vektor für zirka 20 verschiedene Krankheitserreger, relevant für Europa sind laut AGES besonders Dengue-, Chikungunya- Zika- und West- Nil-Viren sowie Dirofilaria-Fadenwürmer. In Wien sowie Graz gibt es von ihr sogar schon größere Populationen.
Benka vergleicht das in der Vergangenheit stattgefundene Stechmückenmonitoring in Österreich mit einem Flickenteppich. "Es gibt eigentlich keine bundesweiten Bestimmungen, wer dafür eigentlich verantwortlich ist", sagte er. In den Bundesländern wurde es bisher von unterschiedlichen Institutionen mit über die Zeit variierender Intensität betrieben. Die AGES sammelte zwar die Ergebnisse aus den lokalen Monitoringprogrammen und präsentiert sie auf der Homepage, was aber nichts daran ändert, dass die Datenlage österreichweit sehr variabel ist.
Eier- und Mückenfallen
Um neu auftretende Stechmückenarten zu finden, betreibe man nun "Eierfallen" (Ovitraps), so Benka. Das sind Brutgefäße, wo Gelsen ihre Gelege ablegen. Sie werden regelmäßig kontrolliert. "Wir können darin nachschauen, ob gewisse Arten langsam bei uns heimisch werden oder nicht", sagte er. Derzeit gibt gut 50 solcher Eierfallen-Standorte über Österreich verteilt, und zwar in größeren Städten, und auf anderen neuralgischen Punkten. "Zum Beispiel sind Autobahnraststätten bekannte Eintragungsstellen für Gelsen, die oft mit Transportern aus anderen Ländern mitreisen und sich dort einnisten", erklärte der Experte: "Seit wir dies in gut organisierter Form über ganz Österreich machen, haben wir auch einiges gefunden." Ein Beispiel dafür sind die oben erwähnten Tigermücken. Um die Lage in Zukunft besser erfassen zu können, will die AGES die Anzahl der Ovitrap-Standorte auf gut Hundert verdoppeln.
Zusätzlich ist die AGES an einer Mosquito Alert-App beteiligt. "Wenn jemand eine Gelse findet und diejenige verdächtigt, eine Tigermücke zu sein, kann er sie fotografieren, und über die App klären unsere Experten ab, ob dies tatsächlich eine Tigermücke war oder nicht", erklärte Benka. "Auch so gelangen immer wieder Funde bei uns ein." Der Standort wird von der App ebenfalls aufgezeichnet.
Ob eine eingeschleppte Stechmücke tatsächlich Krankheitserreger birgt, könne aber nur mithilfe von Fallen für adulte Mücken untersucht werden. "Auch hier ist es eine Herausforderung, dies flächendeckend in Österreich durchzuführen, weil wir im besten Falle auch hier jeweils Kooperationspartner finden müssen, die solche Fallen betreuen", sagte er. "Adultmückenfallen" wären wichtig, um etwa das Auftreten des West Nil Virus (das auch durch die normale Hausgelse übertragen wird) in Österreich zu erkennen.
Bundesweites Zeckenmonitoring ist nötig
"In ähnlicher Form wollen wir auch das Zeckenmonitoring intensivieren", so der Experte. Es wäre zum Beispiel wichtig, das Auftreten der Tropischen Riesenzecke in Österreich genau zu erfassen. In Österreich wurde sie 2018 zum ersten Mal nachgewiesen. "Die Erforschung und Beobachtung dieses Vektors ist wichtig für die öffentliche Gesundheit, da sie Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Viren, Coxiellen, Rickettsia aeschlimannii-Bakterien und Babesien des Pferdes übertragen kann", heißt es in dem Bericht. In Spanien oder den Balkanstaaten gab es schon Krankheitsfälle, in Österreich noch nicht. "Wir sollten auf jeden Fall auch ein Augenmerk auf die Zeckenpopulation haben", sagte Benka.
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit der AGES)
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