COP29 - Forscher: Klimawandel in einer Generation aufhaltbar
Der Wohlstand der westlichen Welt kann laut einem in Österreich tätigen Forscher nur gesichert werden, wenn Klimaschutz ernst genommen und die Gesellschaft umstrukturiert wird. "Es ist eine nüchterne Perspektive: Kein Klimaschutz rechnet sich nicht", sagte Carl-Friedrich Schleussner vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. Es sei auch nicht zu spät für den zeitgerechten Umbruch: "Wir können den Klimawandel in einer Generation aufhalten."
Die Stimmung am Gelände der UNO-Weltklimakonferenz COP29 in Baku ist durchaus gedrückt. Die Verhandlungen zwischen den rund 200 Vertragsstaaten stocken. Nachdem im Vorjahr erstmals der Ausstieg aus fossilen Energien auf der COP in Dubai vereinbart wurde, gestalten sich die Gespräche über die Klimafinanzierung schwierig. Doch Schleussner hat "nach wie vor sehr viel Hoffnung, dass uns das gelingt", sagte er der APA in Baku. Als der Wissenschafter vor zehn Jahren begonnen hatte, in dem Bereich zu arbeiten, "sind wir viel schlechter dagestanden". Damals sei die Welt auf eine Erwärmung von vier Grad zugesteuert, aktuell seien es 2,5 Grad. Immer noch zu viel, um die Lebensgrundlagen der Menschheit nicht massiv zu gefährden. "Doch damals gab es kein Pariser Klimaabkommen, da gab es kein Ziel der EU, bis zum Jahr 2050 Netto-Treibhausgasemissionen von null zu erreichen", so Schleussner.
Details bei Umsetzung oft besonders schwierig
Der gebürtige Deutsche begleitet bei seiner bereits achten Klimakonferenz die politischen Gespräche und bringt wissenschaftliches Fachwissen ein. Sein Forschungsfokus liegt bei allen Aspekten rund um das sogenannte 1,5-Grad-Ziel. 2015 hatten in der französischen Hauptstadt 195 Vertragsstaaten beschlossen, den weltweiten Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad, auf jeden Fall aber auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken. Während das generelle Ziel kaum zu kritisieren sei, liege es oft in den Details der Umsetzung. "Aus der Ferne sieht ein Berg oft schön aus, am Weg auf den Gipfel ist es aber oft deutlich steiler als gedacht", so Schleussner.
Der menschengemachte Klimawandel führe aktuell laut Schleussner zu einer Erwärmung von rund 1,3 Grad. Wetterphänomene, wie etwa El Niño, sorgten im vergangenen und diesem Jahr zusätzlich für einen Temperaturanstieg.
"Wir haben Klimaschuld gegenüber unseren Kindern"
Generell ginge der Rückgang der klimaschädlichen Emissionen aber deutlich zu langsam. In den 2030er-Jahren würde die Welt Gefahr laufen, das 1,5-Grad-Ziel nachhaltig zu überschreiten. "Das wäre aber kein Moment des Aufgebens, sondern der Verdoppelung der Anstrengung. Wir haben eine Klimaschuld gegenüber unseren Kindern und den vulnerablen Ländern", so Schleussner.
Und bereits jetzt seien die schwerwiegenden Folgen deutlich zu spüren. Massive Überflutungen alleine in diesem Jahr in Österreich, Tschechien, Polen und zuletzt Spanien oder auch Waldbrände in New York im November würden dies deutlich zeigen. "Man kann nicht sagen, dass wir mit einer Welt, die 1,3 Grad wärmer ist, gut umgehen können." Über 40 Tropennächte in diesem Sommer in Wien seien ein konkretes Risiko für die Gesundheit der Menschen.
Temperaturanstieg zu schnell für Adaption
"Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir den Planeten so schnell erwärmen wie noch nie. Keine Stadt, kein Ökosystem ist auf diese rapiden Veränderungen eingestellt", sagte Schleussner. Dabei habe die Weltengemeinschaft nur zwei Optionen: Entweder so weitermachen und einen Temperaturanstieg von 2,5 Grad oder mehr bis zum Ende des Jahrhunderts - und die damit einhergehenden Kosten auf menschlicher, ökonomischer und ökologischer Ebene - in Kauf nehmen oder die Klimakrise energisch zu bekämpfen.
"Wir müssen schleunigst auf die Emissionsbremse treten. Wenn wir die Emissionen in diesem Jahrzehnt halbieren sollten, könnten wir die Erwärmung in den 2030er-Jahren bereits um die Hälfte verlangsamen", so Schleussner. Laut einer aktuellen Studie würden alleine die ökonomischen Schäden durch die Folgen der Klimakrise sechs Mal höher ausfallen als die Transformationsausgaben für den benötigten Umbau der Gesellschaft hin zur Klimaneutralität. "Kein Klimaschutz rechnet sich nicht. Es ist die falsche Entscheidung für unseren Wohlstand."
"Gibt kein Recht, den Planeten zu zerstören für eigene Gewinne"
Schleussner anerkennt aber, dass es beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch wirtschaftliche Verlierer geben wird. "Aber es gibt kein Recht darauf, den Planeten zu zerstören, um seine eigenen Gewinne zu maximieren." Zudem würden einige Öl- und Gaskonzerne die Öffentlichkeit seit "40 Jahren ganz bewusst täuschen, um den wissenschaftlichen Kontext zu unterminieren. Das sind Akteure, die im eigenen Profitinteresse die Zerstörung unserer Lebensgrundlage in Kauf nehmen."
Das Argument, dass Länder in Europa weniger Ausstoß als etwa China, die USA oder Indien hätten und es deshalb für eine Umstellung des Systems keine große Dringlichkeit gebe, lässt Schleussner nicht gelten. Einerseits hätten westliche Länder eine historische Verantwortung, weil sie bereits einen "großen Teil des verfügbaren CO2-Budgets" verbraucht hätten. Zudem würden die Pro-Kopf-Emissionen in Österreich etwa weiterhin deutlich vor jenen in Indien liegen. Außerdem seien die Technologien der Zukunft erneuerbare. "Und man sieht aktuell am deutschen Automarkt gut, wie ein Land den technischen Anschluss verlieren kann und damit den eigenen Wohlstand riskiert, wenn die nötige Transformation nicht angegangen wird."