Arbeitsgericht urteilt gegen Uni-Kettenverträge
Die unterschiedlichen Regelungen für Voll- und Teilzeitkräfte bei Kettenarbeitsverträgen an Unis verstößt laut Arbeits- und Sozialgericht gegen EU-Recht. Wie der "Standard" am Freitag berichtet, fällte das Gericht Ende Juni dieses Urteil, nachdem eine Chemikerin mit Hilfe der Arbeiterkammer (AK) diese Regelung angefochten hatte. Die AK ortet laut "Standard" "potenziell tausende" rechtswidrige Kettenverträge. Diese werden durch eine Gesetzesnovelle ab Herbst neu geregelt.
Geklagt hatte eine Chemikerin, die zwischen 2002 und 2014 immer wieder mit befristeten Vollzeit- und Teilzeitverträgen an der Medizin-Uni Wien beschäftigt war, mangels Projektmittel dann aber nicht mehr weiterbeschäftigt wurde. Die mehrmalige Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen ist eigentlich nicht zulässig. Im Universitätsgesetz (UG) waren aber Ausnahmen vorgesehen - etwa für Arbeitnehmer, die im Rahmen von Drittmittel- oder Forschungsprojekten beschäftigt sind. Auch hier gab es eine Höchstgrenze von sechs (Vollzeitkräfte) bzw. acht Jahren (Teilzeitkräfte), die sich in bestimmten Fällen auf zehn bzw. zwölf Jahre verlängerte.
Die Arbeitnehmerin scheiterte zunächst mit der Klage, doch die Berufungsinstanz verwies den Fall wieder zurück an das Arbeits- und Sozialgericht, das den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte: Die unterschiedlichen Zeitgrenzen für Teilzeit- und Vollzeitkräfte, nach denen befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete übergehen, könnte eine mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellen, weil überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten. Der EuGH entschied 2019, dass eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitkräften nur dann gerechtfertigt sei, wenn es dafür objektive Gründe gebe - und verwies den Fall wieder an das Arbeits- und Sozialgericht, das feststellen sollte, ob dem so ist.
Keine sachlichen Argumente für Ungleichbehandlung
Der Argumentation der Medizin-Uni, dass mehrere befristete Verträge teilzeitbeschäftigten Forschern auch eine längere Chance böten, sich in der Karriere zu beweisen, um schließlich unbefristet übernommen zu werden, folgte das Arbeitsgericht laut "Standard" nicht, zumal dafür keine empirischen Anhaltspunkte vorlägen. Sachliche Argumente für die Ungleichbehandlung bestünden nicht, die UG-Regelung verstoße daher gegen die EU-Richtlinien zu Teilzeit und Gleichbehandlung.
Laut der Zeitung will die Med-Uni gegen das nicht rechtskräftige Urteil berufen. Der Leiter der AK-Rechtsschutzabteilung, Ludwig Dvorak, erklärte: "Es gibt sicher zahlreiche Forscher in Drittmittelprojekten, die bis jetzt geglaubt haben, sie seien zulässig befristet. Nach dem Urteil könnte sich herausstellen, dass ihnen in Wahrheit ein unbefristeter Vertrag gebührt." Die AK sieht "potenziell tausende" rechtswidrige Ketten an den Unis und empfiehlt allen über Drittmittelprojekte Teilzeitbeschäftigten, deren Dienstverhältnis länger als sechs Jahre dauert, eine rechtliche Überprüfung ihres Status.
Mit einer im Frühjahr dieses Jahres beschlossenen UG-Novelle wurden die Kettenverträge für Uni-Angestellte neu geregelt. Wie bisher dürfen befristete Arbeitsverhältnisse höchstens auf sechs Jahre abgeschlossen werden. Anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden. Die Höchstdauer aller befristeten Verträge zusammen darf aber insgesamt acht Jahre nicht übersteigen. Von diesen Regeln gibt es aber (entweder bei der Dauer der Befristung oder der Zahl der möglichen Verlängerungen) wieder zahlreiche Ausnahmen - etwa für studentische Mitarbeiter, Doktoranden, Mitarbeiter in Drittmittelprojekten, Lektoren und Karenzvertretungen.