Physiker bauen erste Atomkern-Uhr und wollen bald noch exakter messen
Im April ließen Wiener Physiker mit einer Arbeit im Fachmagazin "Physical Review Letters" aufhorchen, in der sie erstmals zeigten, wie ein Atomkern mittels Laser gezielt angeregt werden kann. Das gilt als Voraussetzung für den Bau einer Thorium-Atomkern-Uhr, die noch genauere Zeitmessung verheißt. Im Fachblatt "Nature" legt man nun nach und berichtet über die Umsetzung eines solchen Chronografen mit US-Kollegen. In wenigen Jahren soll sie herkömmliche Atomuhren schlagen.
Auf der Suche nach genau der richtigen Dosis an Laseranregung, um einen Thorium-Atomkern quasi von einem energetischen Zustand in einen anderen umzuschalten, war das Team um Thorsten Schumm von der Technischen Universität (TU) Wien mehrere Jahre lang. Der Schlüssel dazu ist die Tatsache, dass Kerne des Thorium-Isotops 229 Energiezustände einnehmen können, die sehr nahe beisammen liegen. Im Normalfall liegen die verschiedenen Energieniveaus in den Zentralbereichen von Atomen nämlich viel weiter auseinander. Dementsprechend viel Energie wäre zum Umschalten notwendig, um den Zustand des Atomkerns tatsächlich zu verändern.
Lange war man auf der Suche nach der exakten Laserstrahl-Frequenz
Dieser Aufwand ist bei Thorium niedriger, trotzdem war man lange auf der Suche nach der exakten Laserstrahl-Frequenz, die den Atomkern vom Zustand seiner niedrigsten Energie auf die nächsthöhere Ebene hebt. Schumm und sein Team konnten mit Kollegen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig in der Publikation vom April nun den hebenden Laserstrahl auf Millionstel eines Elektronenvolts eingrenzen und zeigen, dass die Anregung verlässlich funktioniert.
Damit wurde der Weg frei, um das eigentliche Ziel der Wissenschafter anzugehen: nämlich der Bau einer neuen Art der Atomuhr. Diese sind bekanntlich seit Jahrzehnten die exaktesten Taktgeber, die es gibt. Forscherinnen und Forschern reicht deren Genauigkeit aber immer noch nicht ganz. Daher wurde Schumm vor einigen Jahren auch mit einem bis zu zehn Millionen Euro dotierten Förderpreis des Europäischen Forschungsrates (ERC) für sein Vorhaben namens "ThoriumNuclearClock" bedacht, in dessen Rahmen die erste Atomkern-Uhr entstehen sollte.
Ein Atomkern als Taktgeber ist weniger störungsanfällig
Der Schlüssel zu deren hypothetisch noch höheren Genauigkeit liegt darin, dass ein Atomkern als Taktgeber weniger störungsanfällig ist als oft mit Cäsium- oder Strontium-Atomen betriebene Atomuhren. Dabei werden die ganzen Atome mit einem Laser zwischen zwei Quantenzuständen hin- und hergeschaltet. Dieser Prozess kann aber durch Störungen von außen ein Stück weit aus dem Takt gebracht werden, was Wissenschaftern ein Dorn im Auge ist. Im Gegensatz zu diesem System wäre ein Atomkern deutlich schwerer durch elektromagnetische Einflüsse beeinflussbar, heißt es am Mittwoch in einer Aussendung der TU Wien.
Am Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) an der University of Boulder (US-Bundesstaat Colorado) konnten die Physiker nun erstmals Thorium-Atomkerne in eine herkömmliche Atomuhr quasi einkoppeln, wie sie in der neuen Fachpublikation ausführen. Dazu war es notwendig, über einen ausgeklügelten Mechanismus die Frequenz des Lasers mit der der Aufbau funktioniert, vom Infrarot- auf den UV-Bereich umzuschalten. Das UV-Licht wurde dann auf einen kleinen Kristall gerichtet, in dem sich die Thorium-Atomkerne befanden. "Dieser Kristall ist gewissermaßen das Herzstück des Experiments. Er wurde bei uns in Wien am Atominstitut produziert, mehrere Jahre Arbeit waren nötig, um das dafür nötige Know-how zu entwickeln", wird Schumm zitiert.
Die besten Atomuhren in zwei bis drei Jahren überholen
Am Ziel ist man damit aber immer noch nicht, da die erste Atomkern-Uhr für die Physiker erwartungsgemäß noch nicht exakter läuft als ihre Atomuhr-Kollegen. "Uns ging es immer darum, eine neue Technologie zu entwickeln. Wenn die erst mal da ist, kommt die Qualitätssteigerung dann ganz von selbst, das war immer schon so", zeigt sich der Forscher überzeugt: "Wir rechnen damit, auf diese Weise die besten Atomuhren in zwei bis drei Jahren zu überholen." Damit könnte man dann etwa der grundlegenden Frage nachgehen, ob Naturkonstanten tatsächlich so unumstößlich konstant sind, wie bisher angenommen wird.
Service: Die "Nature"-Publikation: https://doi.org/10.1038/s41586-024-07839-6
Die "Physical Review Letters"-Arbeit aus dem April: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.132.182501