Europas erste Bauern trugen auch Gen-Erbe von Jägern und Sammlern
Anders als bisher vermutet, stammen die ersten Bauern nicht einzig und allein von einer vorderasiatischen Bevölkerungsgruppe ab. Vielmehr trugen sie auch das genetische Erbe europäischer Jäger- und Sammlergemeinschaften in sich. Das berichtet ein Forschungsteam unter Leitung der Universitäten Bern und Freiburg (Schweiz) sowie der Uni Mainz im Fachmagazin "Cell".
Die Wissenschafter weisen die bisher akzeptierte These entschieden zurück, wonach der kulturelle und genetische Ursprung aller Bauern einzig auf Menschen zurückgehe, die im Fruchtbaren Halbmond im Vorderen Orient lebten. Zu dieser Erkenntnis gelangten sie dank neu durchgeführten Sequenzierungsarbeiten an altem Erbgut von bereits zuvor gefundenen Knochen.
Forschungsmaterial aus Österreich
Darunter fanden sich auch die Überreste von zwei im heutigen Niederösterreich begrabenen Menschen, die Maria Teschler-Nicola vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien und Eva Lenneis von der Universität Wien beigesteuert haben. Das Erbgut eines Menschen stammt von Funden aus der jungsteinzeitlichen Siedlung von Schletz bei Asparn an der Zaya, wo vor rund 7.000 Jahren mindestens 50 Menschen ermordet wurden. Die zweite Probe stammt von einem Fund aus Kleinhadersdorf.
Die sesshafte Lebensweise entstand vor rund 11.000 Jahren im "Fruchtbaren Halbmond", wo Pflanzen und Nutztiere erstmals domestiziert wurden. Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, dass sich dieser neolithische Lebensstil von da aus hauptsächlich entlang der "Mittelmeerroute" und "Donauroute" nach Europa verbreitete. "Die Geschichte der ersten Bauern ist allerdings weit komplizierter", sagte der Biostatistiker Daniel Wegmann von der Universität Freiburg, einer der Leitautoren, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Als die letzte Eiszeit vor rund 25.000 Jahren ihren Höhepunkt erreichte, wurde es in vielen Regionen in Europa ungemütlich. Die bis dahin genetisch weitestgehend einheitlichen Jäger und Sammler zogen sich in noch bewohnbare Gebiete zurück. Das führte dazu, dass sie sich in drei isolierte Gruppen aufspalteten: eine lebte im Westen Europas, eine ließ sich im Balkangebiet nieder und die dritte zog es in den Nahen Osten.
Als es wärmer wurde, begannen die Jäger-Sammler-Gemeinschaften des Balkans und des Nahen Ostens sich wieder auszubreiten und zu vermischen. "Es ist diese Vermischungsgruppe, die später die Landwirtschaft hervorgebracht hat", erklärte Wegmann. Schließlich brachten diese frühsten Bauern mit europäischem Jäger-Sammler-Erbgut ihre Kultur entlang der heutigen Türkei, Griechenland und des ehemaligen Jugoslawiens vor rund 9.000 Jahren nach Mitteleuropa.
Service: https://doi.org/10.1016/j.cell.2022.04.008