Akten aus NS-Zeit in NÖ für internationale Forschung digitalisiert
Das niederösterreichische Landesarchiv hat eine Kooperation mit dem US Holocaust Memorial Museum und der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem zur Digitalisierung von NS-relevanten Akten abgeschlossen. Insgesamt werden nun 300.000 Seiten an Dokumenten über die Enteignung, Vertreibung und Vernichtung von Juden durch Nationalsozialisten internationalen Forschern zur Verfügung gestellt, sagte Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) in einer Pressekonferenz.
Die Kooperation sei nicht nur für die Erforschung der NS-Zeit wichtig, "sondern stellt weit darüber hinaus ein klares Bekenntnis des Landes Niederösterreich dar, sich dem Thema zu stellen und die Erinnerung daran nicht verblassen zu lassen - gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus immer deutlicher in Erscheinung tritt", sagte Schleritzko in der ehemaligen Synagoge St. Pölten. Es gehe nicht nur ums Erinnern, sondern auch um eine "Mahnung für die Zukunft", hielt er fest: "Wir dürfen und werden nicht zulassen, dass der Antisemitismus - von welcher Seite auch immer vorangetrieben - in unserer Gesellschaft wieder Einzug hält. Wir werden uns als Land Niederösterreich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wohl und vor allem in Sicherheit und Frieden leben können".
"Wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Niederösterreich"
Der Kooperationsvertrag mit dem US Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. wurde 2019 unterzeichnet. In der Folge kam die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als dritter Partner hinzu. Aufgrund der Corona-Pandemie und nach der Klärung von Rechtsfragen wurde 2022 mit der Digitalisierung begonnen, blickte Archivdirektor Roman Zehetmayer zurück. "Wir sind überzeugt, damit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Niederösterreich geleistet zu haben", sagte er. Enthalten in den mehr als 270 Kartons, die nun gescannt wurden, sind etwa 5.400 Arisierungs- und Rückstellungsakten, rund 3.000 Vermögensanmeldungen von Juden sowie Dokumente zu Enteignungsverfahren.
Niederösterreich war das Bundesland mit den meisten israelitischen Kultusgemeinden - im Jahr 1938 bestanden 15. Bis 1940 wurden diese aufgelöst, ihre Mitglieder vertrieben, deportiert und umgebracht, sagte Anatol Steck, Senior Project Director des US Holocaust Memorial Museum. Anhand der digitalisierten Bestände lasse sich nun ein Bild der jüdischen Gemeinden Niederösterreichs und der NS-Gewaltherrschaft rekonstruieren. Die Dokumente sollen ein "Denkmal für die Opfer" sein und die Lehren und die Erinnerung für aktuelle und kommende Generationen bewahren, so Steck.
Fortsetzung der Kooperation geplant
Nach dem nun erfolgten Abschluss der Digitalisierung der Dokumente wird den Angaben zufolge an einer Fortsetzung der Kooperation gearbeitet. Weitere NS-relevante Akten wurden von Yad Vashem im Landesarchiv identifiziert, sagte Zachary Levine, Director of Archival and Curatorial Affairs des US Holocaust Memorial Museum. Künftig sollen auch Dokumente zu Einzelpersonen digitalisiert werden. Das Museum arbeitet mit Institutionen weltweit zusammen, darunter auch mehrere Archive in Österreich.