Hokus Pokus Medikus - Christian Kreil schreibt erneut gegen "Fakemedizin" an
Ein gutes Buch braucht eine gute Widmung. E.K. Johnston hat es gewusst (To Rachel, who dealt the worst game of Settlers of Catan in the history of humankind.), Derek Landy hat es gewusst (und "Das Sterben des Lichts" einfach sich selbst gewidmet), Joan Rivers hat es gewusst (This book be dedicated to Kanye West, because he'll never fuckin' read it) - und Christian Kreil weiß es auch. Deshalb widmet er "Fakemedizin: Falsche Heilversprechen skrupelloser Ärzte und gerissener Gurus" dem Zwiebelschmalz, das ihm sein Vater in seiner Kindheit gegen Husten zubereitet hat, um sich in den darauffolgenden 272 Seiten von Granderwasser über Gurus bis hin zu Globuli über alles herzumachen, was die "Alternativmedizin" zu bieten hat.
Der gebürtige Oberösterreicher und studierte Ethnologe Kreil ist kein Mediziner, aber wie er selber schreibt: "Muss ich Pilot oder Flugzeugkonstrukteur sein, um feststellen zu können, dass der fliegende Teppich aus dem Märchen 1001 Nacht niemals abheben wird?" Stattdessen ist er Journalist, Blogger und Texter, und das merkt man seinem Buch an, das zwar ein Sachbuch ist, sich aber liest wie eine Mischung aus einem Stieg Larsson Krimi und Dirk Stermanns bester Satire.
"Alternativmedizin" bewegt wie kaum ein anderes Thema, niemanden lässt es kalt, jeder hat dazu eine Meinung. Vieles, was man in den Kapiteln erfährt, ist so eindeutiger Unfug, dass er einen zum Lachen bringt. Anderes wiederum ist messerscharf kalkuliert, brillant vermarktet - Übelkeit erregend und gefährlich.
Schmähpreis der Scharlatane
Ohne Scheu setzt Kreil "Alternativmedizin" mit Scharlatanerie gleich, vergleicht den afrikanischen Medizinmann mit dem europäischen Homöopathen - und handelte sich genau wegen solcher Aussagen den Schmähpreis "Auszeichnungen für unwissenschaftlichen Unsinn" der Österreichischen Ärztegesellschaften für Homöopathie ein.
Von der "fakemedizinischen Königsdisziplin", der Homöopathie, über diverse haltlose Heilversprechen (QR-Code gegen kleine Hoden gefällig? Gibt's auf medicodes.net für schlappe 29 Euro.) bis hin zu Zahlenkombinationen als Mittel gegen Corona wird dem Leser schnell klar: Es gibt anscheinend nichts, was es nicht gibt.
Zwischen heilenden Steinen und Trommelritualen verbirgt sich so manch spannender Fakt, zum Beispiel, dass mit Esoterik und "Alternativmedizin" in Mitteleuropa ein höherer Umsatz generiert wird als mit Alkohol. "Get on your knees and start paying" sang Phil Collins 1991 über Fernsehprediger, auf (Fern-)Heiler könnte es aber ebenso zutreffen, denn was die Alternativmediziner gemeinsam haben, ist vor allem eines: ein Preis, der sich gewaschen hat.
Ein ganzes Kapitel ist elf solchen Gurus gewidmet. Sie vermarkten Chlorbleiche als Mittel gegen Aids und Autismus, heilen Krebs innerhalb weniger Minuten durch die Gabe von Vitamin C, legen energetische Schutzringe um das Wiener Krankenhaus Nord, wirken Wunder wie am Fließband und geben am tragischen Unfalltod eines Siebenjährigen seinem miesen Karma die Schuld. Impfgegner kriegen genauso ihr Fett ab wie Coronaleugner. In seinem Buch geht Kreil aber nicht nur auf die unterschiedlichen Disziplinen, Heilmethoden und Akteure ein, sondern begründet auch, warum der "faule Zauber" in Form von Globuli und QR-Codes sich immer noch verkauft.
Brauner Zauber
Heilmittelchen gegen Covid-19 widmen sich wenig überraschend gleich zwei Unterkapitel. Das Virus, das seit dem Frühjahr 2020 die Welt in Atem hält, ist ein gefundenes Fressen für die diversen Zauberkünstler, die dagegen mit auf Papier geschriebenen Zahlenkombinationen (die Antwort auf alle Fragen ist demnach doch nicht die 42), Zaunrüben, Schwefel und Nosoden ankämpfen. Wem das Wort noch kein Begriff ist: Nosoden sind Mittel aus Eiter, Blut und Krankheitserregern, die aber zum Glück homöopathisch bis zur Nichtigkeit verdünnt werden.
Der Begriff "Schulmedizin", also quasi das Gegenteil der "Alternativmedizin", stammt übrigens von den Nazis, in einem Versuch, Methoden zu diskreditieren, die auch einer nicht-arischen Bevölkerung helfen würden - Impfungen zum Beispiel. Dazu passt doch eigentlich ganz gut, dass naturheilkunde-essen.de das homöopathische Mittel "Causticum" als Mittel bei homosexuellen Neigungen empfiehlt. Wer jetzt noch keine Übelkeit verspürt, schluckt am besten schnell ein paar Globuli gegen akute Homophobie.
Disclaimer: Bitte bedenken Sie, dass diese Rezension weder das Lesen des Buches ersetzt, noch gegen Corona hilft.
Service: Christian Kreil: "Fakemedizin: Falsche Heilversprechen skrupelloser Ärzte und gerissener Gurus", KOMPLETT-MEDIA Verlag, 20 Euro, 272 Seiten, ISBN: 978-3-8312-0580-6
(Von Anna Riedler/APA-Science)