Mitteleuropa war vor 15 Mio. Jahren globaler Biodiversitäts-Hotspot
Mitteleuropa war vor 15 Millionen Jahren ein globaler Hotspot der Biodiversität. Das belegte eine Forschergruppe des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien anhand von über 800 Arten fossiler Meeresschnecken von rund hundert Fundorten. Begünstigt wurde die Artenvielfalt durch die stark strukturierte Meereslandschaft im heutigen Mitteleuropa sowie durch optimale klimatische Bedingungen, berichten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Fachjournal "Scientific Reports".
Vor 35 bis elf Millionen Jahren bedeckte das sogenannte Paratethys-Meer weite Teile des heutigen Mittel- und Südosteuropa. Anhand eines georeferenzierten Datensatzes von 859 Meeresschneckenarten hat ein Team um Mathias Harzhauser, Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM, die Artenvielfalt, Klimageschichte und ehemalige Ausdehnung des Meeres rekonstruiert.
Karpaten hoben sich aus dem Meer
Als sich vor 18 Millionen Jahren ein tiefes, von West nach Ost orientiertes Meer von der heutigen Schweiz bis weit nach Russland erstreckte, war den Forschern zufolge die Vielfalt der Meereslebewesen mit jener des heutigen Mittelmeeres vergleichbar. Doch vor etwa 16 Millionen Jahren begann sich die Landschaft zu verändern: Durch den Druck der Afrikanischen Platte gegen die Eurasische Platte wurden die Alpen angehoben und die Karpaten begannen sich als Inselbogen aus dem Meer zu heben.
Vor 15 Millionen Jahren hatte sich Zentral- und Osteuropa schließlich in eine etwa 1000 Kilometer breite, subtropische Inselgruppe verwandelt, die entfernt an die heutige Karibik erinnert. Nicht nur diese stark strukturierte Meereslandschaft begünstigte die Artenvielfalt der Meereslebewesen. Das relativ stark schwankende Klima im Miozän (vor 23-5 Mio. Jahren) erreichte zu dieser Zeit sein Optimum. Durch die globale Erwärmung breitete sich der europäische Riffgürtel nach Norden aus und reichte etwa bis zum heutigen Eisenstadt. Die Korallenstöcke boten viele ökologische Nischen und wirkten als Booster der Vielfalt.
Höchste Artenvielfalt im heutigen Rumänien
"Damals war die Paratethys mehr als doppelt so artenreich wie das heutige Mittelmeer, und beherbergte sogar mehr Arten als das heutige Rote Meer", erklärte Harzhauser in einer Aussendung. Dieser "miozäne Biodiversitäts-Hotspot" werde heute nur von der tropischen Vielfalt rund um die Philippinen überboten. Am höchsten sei die Artenvielfalt im heutigen Rumänien gewesen, dort entstanden zahlreiche neue Arten.
Anhand der Funde konnte auch das Ende dieser Vielfalt dokumentiert werden: Als sich das Klima vor 13,8 Millionen Jahren global abkühlte, verschwanden auch die Riffe aus Mitteleuropa. Der Kollaps der Ökosysteme führte zum Ausstreben von zwei Dritteln der Arten. In der Antarktis begannen sich mächtige Eispanzer aufzubauen und weltweit sank der Meeresspiegel um 50 Meter ab. Übrig blieben isolierte Meeresbecken, wo sich lokal beschränkte Arten entwickeln konnten, die wiederum Ausgangspunkt für kleinere Diversitäts-Hotspots waren. Endgültig verschwand die subtropische Vielfalt, als das Paratethys-Meer vor 12,7 Millionen Jahren durch Gebirgsbildung von den Weltmeeren getrennt wurde.
Service: https://doi.org/10.1038/s41598-024-67370-6