Med-Uni Innsbruck liefert Beweis für Holocaustopfer in Ostpolen
Die Gerichtsmedizin der Med-Uni Innsbruck hat in Zusammenarbeit mit der Pommerschen Medizinischen Universität in Stettin den ersten genetischen Beweis für Holocaust-Verbrechen in Ostpolen geliefert. Am Gelände des Vernichtungslagers Sobibór in Polen waren zehn Skelette gefunden worden. DNA-Analysen erbrachten nun sehr starke Hinweise, dass es sich bei den Opfern um Juden handelte.
Im Jahr 2013 waren Archäologen bei Feldarbeiten im Bereich des Lagers III auf zehn fast vollständig intakte Skelette gestoßen. Aufgrund archäologischer und historischer Befunde wurden diese menschlichen Überreste ursprünglich polnischen Partisanen zugeschrieben, Opfer des kommunistischen Regimes der 1950er-Jahre. Aufgrund von Zeugenaussagen war man bisher davon ausgegangen, dass alle jüdischen Opfer des Zweiten Weltkriegs vor der Auflösung des Lagers Sobibór kremiert worden waren. Schätzungen zufolge sind in Sobibór bis zu 250.000 Menschen getötet worden.
"Tatsächlich ergaben die genetischen Untersuchungen nun äußerst starke Evidenz, dass die Opfer jüdischer Herkunft waren", erklärte Walther Parson, Leiter des Fachbereichs Forensische Genomik am Institut für Gerichtliche Medizin der Med-Uni Innsbruck. Sowohl die mütterlichen, als auch die väterlichen Erblinien würden sich gehäuft in heute lebenden Aschkenasim (nord-, mittel- und osteuropäische Juden, Anm.) finden.
Sequenzanalyse der mitochondrialen DNA
Die genetischen Untersuchungen umfassten die Sequenzanalyse der mitochondrialen DNA (mtDNA), die nur mütterlicherseits vererbt wird. Deren Vergleiche mit einschlägigen Datenbanken ergaben in neun von zehn Proben vollständige Übereinstimmungen. Acht der Übereinstimmungen bezogen sich auf Personen aschkenasischer Herkunft. In Innsbruck wurden darüber hinaus väterlich vererbte Y-chromosomale DNA-Marker analysiert und ergaben Y-Linien, die bei aschkenasischen Juden häufiger vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung.
Bereits zuvor waren die Skelettfunde anthropologisch untersucht und männlichen Individuen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren zugeordnet worden. Fünf Individuen wiesen Schussspuren auf, vier davon Kopfschüsse, wie sie nach Hinrichtungen bekannt sind. In der näheren Umgebung wurden zudem Artefakte - u.a. Patronenhülsen und persönliche Gegenstände der Opfer - sichergestellt.
Überreste wieder bestattet
Die Autoren der Studie kommen deshalb zu dem Schluss, dass die genetischen Ergebnisse in Kombination mit den nicht-genetischen Befunden auf eine jüdische Herkunft der Opfer stark hindeuten und nicht auf die ursprünglich vermutete, nicht-aschkenasische Abstammung der Partisanen. Angesichts dieser Ergebnisse wurden die menschlichen Überreste in Anwesenheit eines Rabbiners und nach jüdischem Ritus am Ort ihrer Entdeckung wieder bestattet. Die Studie wurde im Fachjournal "Genome Biology" veröffentlicht.