Mittelschicht - Etwa zwischen 60 und 200 Prozent des Medianeinkommens
Die Mittelschicht erfasst Haushalte mit mittleren Einkommen. Allerdings geht es nicht um das mittlere Drittel der Bevölkerung, sondern um zwei Drittel bis drei Viertel, die je nach Definition darunter fallen. Die Bandbreite ist groß, die Definitionen sind "Konventionen, zu denen es keinen Konsens gibt", sagt Wifo-Ökonom Stefan Angel. Grenzen werden "willkürlich" gezogen, nennt es IHS-Chef Holger Bonin. Unstrittig ist, dass die Mittelschicht keine homogene Gruppe ist.
Das Wifo nimmt in Österreich als unteren Rand die Grenze zur Armutsgefährdung, das sind 60 Prozent des Medianeinkommens und als obere Grenze das dreifache davon an. Für diese Grenze spreche, dass damit Langzeitvergleiche möglich werden, so Angel. Um nach OECD-Definition Mittelschicht zu sein, muss man mehr verdienen, nämlich 75 bis 200 Prozent des Medianeinkommens. AK-Ökonomin Judith Derndorfer rechnet hingegen mit einer Bandbreite von 75 bis maximal 150 Prozent und kommt daher auf eine kleinere Mittelschicht.
Alle stellen aber auf das Medianeinkommen ab (die Hälfte der Bevölkerung verdient mehr, die andere Hälfte weniger). Ausgangspunkt ist ein Ein-Personen-Haushalt, bei größeren Haushalten wird pro zusätzlicher Person ein gewichteter Euro-Betrag dazugerechnet. 2021 waren das für einen Ein-Personen-Haushalt 1.371 bis 4.113 Euro pro Monat. Eingerechnet wird jedes netto verfügbare Einkommen, also neben Lohn oder Gehalt auch alle Sozialleistungen oder Geldflüsse aus Vermögensveranlagungen. Für eine Familie mit zwei Kindern lagen die Grenzen zwischen 2.880 und 8.640. Laut Wifo kamen pro Erwachsenem 686 Euro pro Monat dazu, je Kind 411 Euro.
In der Mittelschicht sein sagt allerdings nichts darüber aus, was man sich leisten kann, hebt Angel hervor. Der mögliche Konsum wird nicht erfasst, lediglich das relative Einkommen spiegelt sich wieder. "Die Mittelschicht könnte arm sein", sagt dazu Derndorfer. Das gelte insbesondere in Krisenzeiten - etwa in Griechenland während der Währungskrise, als das Medianeinkommen real stark fiel und der allgemeine Lebensstandard zurückging. Dennoch fühlten sich auch in dieser Situation die Menschen in der Mitte besser, denn "man vergleicht sich ja oft mit anderen Menschen". Daher mache das Konzept der Mittelschicht schon Sinn.
Polarisierung der Einkommensverteilung
Die generell verwendeten Konzepte stellen nur auf Einkommen, nicht auf Vermögen ab. Aber "die, die Mieten und nicht besitzen, haben natürlich ein viel kleineres Resteinkommen", gibt Angel zu bedenken. Aber das sei "in der öffentlichen Diskussion nicht so stark verbreitet". Auch Derndorfer hebt hervor: "es ist ein großer Unterschied ob man in Eigentum oder Miete wohnt".
Wenn die Mittelschicht kleiner wird, heißt das, dass ein größerer Anteil der Haushalte in die untere oder obere Einkommensschicht abgewandert sind - das könne man zumindest lose als eine Polarisierung der Einkommensverteilung ansehen, so Angel.
In der Mittelschicht sind in Österreich selbstständige unterrepräsentiert, sagt Angel. Kleine Ein-Personen-Unternehmer sind tendenziell in der Unterschicht, Unternehmer mit größeren Firmen in der Oberschicht zu verorten. Auch ältere Arbeitnehmer über 50 sind in der Oberschicht überdurchschnittlich stark vertreten, in der Mittelschicht hingegen weniger stark vertreten.
Die Menschen neigen dazu, sich näher der Mitte zu sehen als sie laut statistischen Daten tatsächlich sind. So sagen laut Umfragen 25 Prozent, dass ihr Einkommen in der Mitte ist - wo aber rechnerisch nur 10 Prozent sein können. Hingegen ordnet sich fast niemand als Teil der einkommensstärksten 10 Prozent ein. Dass sich aber in Umfragen arme reicher und reiche ärmer darstellen, ist nicht nur in Österreich so. Selbst in den USA, wo Reich-Sein viel eher anerkannt ist, stufen sich selber nur wenige wohlhabend.