"Never change a running system"
Die Logistik-Branche in Österreich sieht sich mit drei großen Problemen konfrontiert. "Erstens, der Nachwuchs", zählt Franz Schwammenhöfer, Leiter der Stabstelle Logistikkoordination im Generalsekretariat des Verkehrsministeriums (BMVIT), im Gespräch mit APA-Science auf. "Zweitens, die Wahrnehmung. Drittens, Logistik-Immobilien." Doch auch abseits dieser drei Punkte läuft anscheinend nicht immer alles glatt. Damit sich etwas ändert, ist auch der Kunde gefragt.
Der Fachkräftemangel macht vor der Logistik nicht halt. "Obwohl die Logistik eine der wenigen Branchen ist, die jährlich zweistellige Zuwachsraten verzeichnet, kriegt sie keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das ist ein Phänomen: eine Branche, die boomt, hat Mitarbeiterprobleme."
Auch bei der Wahrnehmung hapere es. Logistik ist vielfach ein Fremdwort, unter dem man sich oft nicht mehr als Lkw-Fahrer vorstellen kann. "Die Logistik hat in Österreich ein grundsätzliches Wahrnehmungsproblem. Ich bin mit dem Thema nicht am Endkunden dran", vergleicht Schwammenhöfer die Logistik mit dem AMA-Gütesiegel. Das sehe man als Kunde im Regal und wisse sofort, woran man sei. Anders bei der Logistik, die im Hintergrund bleibt.
Das dritte Problem der Branche sei die Flächenfindung. "Die Logistikfläche ist sehr unbeliebt bei Bürgermeistern, weil sie wenig Arbeitsplätze schafft aber einen hohen Flächenverbrauch hat", erinnert Schwammenhöfer an große Lagerhallen und Umschlagplätze. Gleichzeitig sei aber nicht jede Fläche geeignet, ein Logistikbetrieb habe klare Anforderungen an eine Immobilie, nämlich die Anbindung an die weitere Infrastruktur, an Straßen, Zügen und dergleichen, "weil ich als Logistiker dementsprechend mit Kunden und Warenströmen interagieren muss."
Nachhaltigkeit in Kundenhand
Ein Trend, der die Branche (wie so viele andere auch) seit Längerem beschäftige, sei die ökologische Nachhaltigkeit. "Klimawandel ist schon länger ein Thema", erklärt Schwammenhöfer. "Alle großen Organisationen haben ein Handbuch zu green logistics." Doch in der Realität klaffen Wunsch und Wahrheit weit auseinander. "Die Breite zwischen 'Ich will grün sein' und 'Ich bin bereit, dafür zu zahlen', das spießt sich", so der Experte. "Wenn ich etwas mit einem Fahrzeug mache, das weniger kann, aber in der Anschaffung mehr kostet, dann muss es das Auftraggeber und Kunden wert sein", ortet er eine große Diskrepanz zwischen Wunsch und Zahlungsbereitschaft.
Es liege in der Verantwortung des Kunden, denn "der Logistiker bietet das an, was nachgefragt wird. Wenn die CO2-Effizienz der gesamten Lieferkette irgendwann mal verlangt wird, wird sie auch angeboten werden. Aber wenn ich das nicht in Preisen, Umsätzen und Ergebnissen umsetzen kann, wird mich der Konkurrent am Ende des Tages immer ausstechen."
Regionalität und Kooperation
Oft mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit verbunden ist jener nach Regionalität. Dieser Trend sei grundsätzlich begrüßenswert, mache "die Logistik jedoch nicht weniger komplex. Auch wenn die Gurke aus Wien kommt, muss sie zuerst an einen zentralen Punkt zur Konfektionierung und dann in die Läden gebracht werden." Im Gegenteil, das Liefern regionaler Produkte wie der Gurke aus Österreich ist für den Logistiker sogar schwieriger als das einer Gurke aus Spanien, "wo er ganzjährlich eine stabile Lieferkette und Supplychain hat", wohingegen Gemüse aus Österreich klimabedingt nur saisonal angeboten werden könne.
Dass die Branche es mit Nachhaltigkeit nicht wirklich hat, lässt sich auch aus den Zahlen der Statistik Austria herauslesen: 2018 wurden 29.435.170 beladene Fahrten österreichischer Unternehmen verzeichnet - und zusätzlich noch einmal 23.719.815 Leerfahrten. Es stimme zwar also nicht mehr, dass Lkw im Durchschnitt nur zu 20 Prozent beladen seien, so Schwammenhöfer. Aber da beinahe jede zweite Fahrt eine Leerfahrt ist, und der Lastwagen nicht immer zu 100 Prozent befüllt ist, sind 50 Prozent Auslastung wohl eine realistische Annahme.
"Das Problem ist, dass es keine horizontalen Kooperationen zwischen Mitbewerbern gibt", erklärt Schwammenhöfer diesen schlechten Schnitt. Die Leistung des Logistikers, also vereinfacht gesagt, eine Palette von einem Ort zu einem anderen zu transportieren, sei extrem austauschbar. "Wenn ich den Transport meinen Mitbewerber machen lasse, um damit den Lkw voll zu füllen, macht er dem Auftraggeber beim nächsten Mal das Angebot, gleich mit ihm statt mit mir zu fahren. Da gibt es kein Vertrauen. Es funktioniert nur, wenn man sie in Kooperationen zwingt." 'Never change a running system' sei in optimierten Logistikbetrieben ein vorherrschender Gedanke.
Bewegte Zukunft
2020 läuft das FTI-Programm "Mobilität der Zukunft" aus. Das seit 2012 laufende Förderungsprogramm für Forschung, Technologieentwicklung und Innovation im Mobilitätsbereich hatte es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, "durch neue bzw. verbesserte Produkte, Prozesse, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle einen Beitrag zu einem nachhaltigen Güterverkehrs- und Transportlogistiksystem und damit Mobilitätssystem zu leisten", wie es auf der Webseite heißt.
Im Verkehrsministerium ist es deshalb an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Zu diesem Zweck findet Ende November eine Konferenz des BMVIT mit Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft zu diesem Thema statt, bei der diskutiert werden soll, welche Wege die österreichische Logistik in Zukunft beschreiten kann. In Workshops soll so eine mögliche Strategie für ein weiterführendes FTI-Forschungsprogramm erarbeitet werden.
Seit 2012 wurden im Rahmen von "Mobilität der Zukunft" in den Themenfeldern "Personenmobilität", "Gütermobilität", "Verkehrsinfrastruktur" und "Fahrzeugtechnologien" bisher 565 Projekte mit insgesamt 149 Mio. Euro gefördert. 26 Mio. Euro davon entfielen auf FTI-Vorhaben im Bereich Gütermobilität, bis Jahresende sollen weitere fünf dazukommen.
Von Anna Riedler / APA-Science