Die Suche nach dem Geschäftsmodell für Nachhaltigkeit
Die Agenda 2030 und die darin enthaltenen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) sind eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung verknüpft. Aber ist unternehmerisches Gewinn- und Wachstumsstreben mit dem Einsatz für Natur, Menschenrechte und ethische Entscheidungen überhaupt vereinbar? Grundsätzlich ja, meint Markus Scholz, Leiter des Competence Center for Corporate Governance & Business Ethics an der FHWien der WKW. Unternehmen und Politik müssten dazu aber ihre Anstrengungen erhöhen.
Bei vielen Firmen herrsche ein "Managementverständnis" von Corporate Social Responsibility (CSR) beziehungsweise Nachhaltigkeit. "Sie sehen sich nicht als Corporate Citizen, also Unternehmensbürger mit Rechten und Pflichten, sondern halten Nachhaltigkeit für ein reines Management-, Kommunikations- und Geschäftsmodell-Thema. Das ist viel zu wenig", so Scholz. Die Wirtschaft würde derzeit zu ihrem Glück getrieben, von der Politik - insbesondere der Europäischen Union - und teilweise von den Kunden, Stichwort Bio, Fairtrade oder nachhaltig gefangener Fisch.
Dabei legen empirische Studien laut dem FH-Professor eine starke Korrelation zwischen einem ökologischen oder gesellschaftlichen Engagement und dem Geschäftserfolg nahe. "Das bedeutet noch keinen kausalen Zusammenhang. Aber wir sehen, dass Unternehmen, die bei Nachhaltigkeitsthemen gut aufgestellt sind, auch sehr gute Geschäfte machen", so Scholz im Gespräch mit APA-Science. Den Vorreitern in der IT-Branche in diesem Bereich würde es beispielsweise leichter fallen, Mitarbeiter zu gewinnen und zu motivieren.
Österreich im Vergleich abgerutscht
Österreich sei Anfang der Nullerjahre laut Experteneinschätzung in Europa beim Thema Nachhaltigkeit vorne dabei gewesen, inzwischen aber im Vergleich zu anderen Ländern zurückgefallen. Im Gegensatz zu Deutschland gebe es keinen nationalen CSR-Plan und keinen Nachhaltigkeitsrat mit Mandat der Bundesregierung. "Außerdem fehlt es an starken Stiftungen, die sich hier engagieren - so wie die Bertelsmann Stiftung in Deutschland. Und es fehlt an Professuren und Aktivitäten der Politik", erklärte der Experte. Trotz der "Fridays For Future"-Bewegung sei das Thema nach wie vor weitgehend unbeachtet.
Viele Unternehmen suchen inzwischen nach einem Geschäftsmodell, mit Nachhaltigkeit Geld zu verdienen. Das reicht seinen Untersuchungen zufolge aber nicht aus, um beispielsweise den Klimawandel abzuwehren oder SDG-Ziele wie die Wahrung der Menschenrechte zu erreichen. Abhängig von der Branche könnten die tatsächlichen Effekte sehr unterschiedlich ausfallen. "Banking hat einen unglaublichen Hebel", verweist der Experte ethische oder grüne Investments in der Vermögensverwaltung.
Viel Potenzial würden auch die Rohstoffindustrie und der Automobilsektor bieten. Bei letzterem sei das Geschäftsmodell aber immer noch, möglichst viele Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren zu verkaufen, auch wenn es vordergründig Bemühungen um alternative Antriebe gebe. Es dürfe auch nicht darum gehen, jedem ein Elektroauto zu verkaufen. "Da entstehen ja ebenfalls Emissionen", sagte Scholz. Notwendig sei eine Transformation des Geschäftsmodells.
Höhere Effizienz reicht nicht aus
Die oft propagierte Nachhaltigkeit durch höhere Effizienz hält er für zu wenig weitgehend. "Nicht so viele Schadstoffe produzieren und die Recyclingquote erhöhen, sind gute Themen, aber Management-Themen. Meine These ist, dass das nur bis zu einem gewissen Punkt führt und ab da muss man über Transformation nachdenken. Ein Auto für jede Person ist kein nachhaltiges Geschäftsmodell, auch wenn die Produktion effizienter gestaltet wird", ist Scholz überzeugt.
Gerade im Mobilitätsbereich würde künftig die Digitalisierung zu großen Umbrüchen führen - siehe Carsharing oder gänzlich andere Beförderungskonzepte. Möglich werde auch, die Lieferkette zu kontrollieren, wenn die Unternehmen bereit seien, Informationen bereitzustellen. So könnte man über QR-Codes ablesen, welche Bestandteile woher kommen.
Digitalisierung als zentraler Treiber
"Die Digitalisierung ist der zentrale Treiber der Transformation", meint auch Stephan Ramesohl vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Die verschiedenen Technologien - Internet der Dinge, künstliche Intelligenz oder 3D-Druck - hätten zwar jeweils eigene Innovationsdynamiken, würden sich aber gegenseitig verstärken. Dadurch lasse sich der Zustand der physischen Welt permanent und umfassend vermessen, wodurch eine elementare Voraussetzung für mögliche Optimierungen erfüllt sei, sagte er bei einer Veranstaltung im Rahmen der "Initiative Risikodialog".
Das dadurch entstehende Potenzial für die Kreislaufwirtschaft sei beachtlich. Die Themenpalette reiche von "Ersatzteilen zum Download" - Stichwort Losgröße 1 - über vorausschauende Wartung, mit der sich Stillstand vermeiden lässt, bis zur Shared Economy, so Ramesohl. Die Abfallwirtschaft profitiere von mit Sensoren ausgestatteten Mülltonnen, die melden, wann sie geleert werden müssen. Digitale Zwillinge würden dafür sorgen, dass man beispielsweise Fabriken virtuell planen kann. So lasse sich der physische Bau optimieren.
Aber nicht nur für große Unternehmen, auch für Klein- und Mittelbetriebe würden sich Chancen durch eine nachhaltige Ausrichtung bieten, erklärte Scholz: "Viele haben das in ihrer DNA, für die ist das eine echte Herzensangelegenheit." Dazu brauche es auch keinen Sustainability- oder CSR-Manager. Großbetriebe könnten sich zwar mehr Marketing und Kommunikation zu ihrem Engagement leisten, bei Mittelständlern gehe es aber vielfach gar nicht um die Darstellung nach außen in dieser Form. "Die tauschen sich direkt mit ihren Investoren und Kunden aus", so Scholz.
Von Stefan Thaler / APA-Science