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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 14.11.2024, 21:23

Von ägyptischen Katzenmumien zum heutigen Stubentiger - auf den Spuren der Domestizierung

Von der EU geförderte Forscher untersuchen die DNA archäologischer Katzenüberreste, um das Rätsel der Domestizierung von Katzen zu lösen. 

APA/dpa
Dem Geheimnis der Katzen auf der Spur

Katzenbesitzer, denen die rätselhafte und unabhängige Natur ihrer geliebten Haustiere vertraut ist, dürfte es wenig erstaunen, dass Wissenschaftler herausgefunden haben, dass der Prozess der Domestizierung von Katzen im Vergleich zu anderen Tieren eher ungewöhnlich verlief.  

„Katzen sind auf ganz besondere Weise einzigartig, weil sie sich stark an den Menschen angepasst haben, ohne ihr ursprüngliches Wesen wirklich aufzugeben“, erklärt Dr. Claudio Ottoni, Paläogenetiker von der Universität Rom Tor Vergata in Italien. „Selbst körperlich sind Wildkatzen und Hauskatzen nicht sehr verschieden. Aus evolutionärer Sicht waren Katzen äußerst erfolgreich und haben sich auf faszinierende Weise an das Leben in menschlicher Umgebung angepasst.“  

Uralte DNA 

Ottoni, der mit Hilfe uralter DNA die Vergangenheit von menschlichen und tierischen Populationen rekonstruiert, leitet ein internationales, EU-finanziertes Forschungsprojekt namens Felix, um weitere Erkenntnisse über die Geschichte der Beziehung zwischen Katzen und Menschen zu erlangen.  

Dem Felix-Forschungsteam gehören führende Experten für Paläontologie, Archäozoologie und Molekularbiologie aus Museen und akademischen Instituten in ganz Europa an. Es analysiert über 1.300 archäologische Proben von Katzen aus einigen der bedeutendsten Museumssammlungen.  

Die Proben stammen aus über 80 archäologischen Stätten in Europa, Afrika und Südwestasien und reichen zeitlich von vor 10.000 v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert. Durch die Gewinnung genetischer Daten aus diesen uralten Katzenüberresten wollen die Forscher die einzigartigen biologischen und umweltbedingten Einflüsse rekonstruieren, die die Domestizierung der Katzen geprägt haben, und das Auftreten von Hauskatzen auf der ganzen Welt nachvollziehen. 

Hightech-Analyse  

Die Forscher arbeiten in speziell ausgestatteten Einrichtungen, um das Risiko einer DNA-Kontamination zu minimieren, und untersuchen die Katzenüberreste mithilfe modernster molekularbiologischer Techniken, die es ihnen ermöglichen, genetische Informationen zu entnehmen und zu analysieren.  

Kleine Knochen- und Zahnfragmente werden zu wenigen Milligramm Pulver verarbeitet, aus dem die DNA extrahiert und in sogenannte „genomische Bibliotheken“ umgewandelt wird. Diese Bibliotheken bestehen aus einer Sammlung überlappender DNA-Fragmente, die das gesamte genomische Material eines einzelnen Organismus repräsentieren.  

Die genetische Information wird dann mit Hilfe der leistungsstarken Next-Generation-Sequenzierung entschlüsselt – einer Technologie zur Gensequenzierung, die es ermöglicht, große Datenmengen sehr schnell zu verarbeiten. Dabei werden die Forscher von der Recheninfrastruktur von Cineca unterstützt, einer der führenden Forschungseinrichtungen Europas und einem der weltweit leistungsfähigsten Anbieter von Supercomputing-Diensten.  

Diese fortschrittliche Technologie ermöglicht es Forschern, biologische Systeme auf einer Ebene zu untersuchen, wie es bisher nicht möglich war. Die Technologie wird es auch leichter machen, Muster genetischer Mutationen im Laufe der Zeit zu erkennen, die auf die verschiedenen Stadien der Domestizierung von Katzen hinweisen.  

„So können wir feststellen, ob ein uralter Knochen beispielsweise von einer europäischen Wildkatze oder einer afrikanischen oder vorderasiatischen Wildkatze stammt, die der Vorfahre der modernen Hauskatzen ist“, erklärt Ottoni. 

Auf Spurensuche 

Die Forscher verwenden außerdem hochentwickelte Techniken, die auf der chemischen Analyse von Kollagen – dem am häufigsten vorkommenden Protein in Knochen – basieren, um zu untersuchen, wie sich die Ernährung der Katzen im Laufe der Zeit entwickelt hat. Wann haben sie zum Beispiel begonnen, Fisch zu fressen, weil die Fischer sie mit den Resten ihres Fangs fütterten? Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, ein Bild von der Entwicklung der Domestizierung der Katze zu zeichnen.  

Die allgemeine Annahme unter Wissenschaftern war lange Zeit, dass die Domestizierung der Katze im Alten Ägypten begann, da Katzen in der Ikonographie weit verbreitet waren und mumifizierte Katzen als Opfergaben für die Götter gefunden wurden.  

Die Entdeckung der antiken Grabstätte eines jungen Mannes und einer Katze auf Zypern – im neolithischen Dorf Shillourokambos – im Jahr 2004 deutete jedoch darauf hin, dass Katzen möglicherweise bereits vor 11.000 Jahren domestiziert worden sein könnten.  

Die von Ottoni und seinen Kollegen durchgeführte DNA-Analyse soll dieses Geheimnis lüften. Bisherige Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die europäische Hauskatze ihre Beziehung zu Menschen in Nordafrika aufnahmen und möglicherweise mit den Römern, die über das Mittelmeer Handel trieben, nach Europa gelangten. 

„Wenn alles vor etwa 10.000 Jahren begann, würden wir erwarten, dass Katzen bald darauf auch in Europa eingeführt wurden, wie wir es bei Schweinen und anderen domestizierten Tieren sehen“, fügt Ottoni hinzu. „Unsere DNA-Analyse zeigt jedoch, dass die Katzen in Europa noch Wildkatzen waren und erst viel später, vor etwa 2.500 Jahren, genetisch von der domestizierten Katzenart abstammen.“  

Wie diese verschiedenen Knotenpunkte der Katzendomestizierung miteinander in Beziehung stehen, lässt sich jedoch erst nach Abschluss der Genomanalyse uralter Katzen nachvollziehen. Das ist der Bauplan, der alle Informationen über das Wachstum, die Entwicklung und die Funktion eines Organismus enthält. 

Das geheime Leben der Katzenmumien 

In den letzten zwei Jahren der Studie werden die Forscher die genetischen Geheimnisse ihrer großen Sammlung ägyptischer Katzenmumien entschlüsseln. Sie wollen die DNA dieser Katzen mit der von heutigen Hauskatzen und mit der von Überresten uralter Katzen vergleichen, die bereits in Europa analysiert wurden.  

Das Forschungsteam wird an ägyptischen Katzenmumien arbeiten, die aus verschiedenen Sammlungen in ganz Europa stammen, darunter aus dem Naturhistorischen Museum in Wien, dem Musée des Confluences in Lyon, dem Natural History Museum und dem British Museum in London sowie dem Naturhistorischen Museum in Warschau.  

Professor Wim Van Neer, ein renommierter belgischer Archäozoologe vom Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel, ist eng in diesen Teil der Forschung eingebunden. Er hat in Ägypten persönlich mumifizierte Katzen ausgegraben und verfügt über praktische Erfahrungen, die in seine Forschung einfließen. 

„Als ich sechs vollständige Katzenskelette in einem 6.000 Jahre alten ägyptischen Grab ausgrub, konnte ich zeigen, dass diese Tiere gezähmt, aber nicht vollständig domestiziert waren“, sagt er. „Diese Funde liegen mehr als 2.000 Jahre vor den frühesten Belegen für Hauskatzen im pharaonischen Ägypten. Ich frage mich noch immer, ob diese frühen Versuche, Katzen zu kontrollieren, schließlich zur Domestizierung führten.“  

Eine der Herausforderungen für die Forscher ist die mögliche Beschädigung der DNA durch den Mumifizierungsprozess. Van Neer hofft, dass die fortschrittliche Sequenzierungstechnologie, die ihnen jetzt zur Verfügung steht, dazu beitragen wird, diese potenzielle Hürde zu überwinden und weitere Einzelheiten über die spannende Entwicklung der Katze vom Wildtier zum geliebten Couch-Gefährten zu enthüllen. 

„Ich sehe, wie sehr die Menschen mehr über ihre Katzen erfahren möchten. Dieses Projekt wirft ein Licht darauf, wie und wo die Beziehung zwischen Mensch und Katze begann,“ fügt Ottoni abschließend hinzu. 

Von Ali Jones 

Weitere Informationen 

Die Forschung in diesem Artikel wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, teilen Sie ihn gern in den sozialen Medien.

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.