Wettbewerb für Nachwuchsforscher: Von Stickstoffbelastung bis Batterierecycling
Der diesjährige EU-Wettbewerb für Nachwuchswissenschafter (EUCYS) drehte sich vor allem um die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Die vier ersten Preise gingen an Teilnehmende aus Österreich, Bulgarien, Polen und den Vereinigten Staaten.
Für Piotr Olbryś, einen 19-jährigen Polen, war es das Hörgerät seines Bruders, das ihn dazu motivierte, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie man Lithium-Ionen-Batterien umweltfreundlicher gestalten könnte. Seine Arbeit brachte ihm einen der Preise, die jeweils mit 7.000 Euro dotiert sind. „Mein Bruder hat ein Hörgerät“, sagt er. „Also wechselt er ständig die Batterien und wirft sie weg. Das brachte mich dazu, über den Abfall nachzudenken, der dadurch entsteht.“ Lithium-Ionen-Batterien sind in fast jedem elektronischen Gerät zu finden.
Olbryś war einer von 143 Nachwuchswissenschaftern aus 37 Ländern im Alter zwischen 14 und 20 Jahren, die sich vom 9. bis 14. September in Katowice (Polen) versammelten, um ihre Forschungsergebnisse vorzustellen. Die meisten von ihnen waren dort, weil sie ähnliche Wettbewerbe in ihren Heimatländern gewonnen hatten. Der EUCYS 2024 wurde von der Europäischen Kommission finanziert, die ihn gemeinsam mit der Schlesischen Universität in Katowice und dem Polnischen Kinderfonds organisierte.
Stimmen von Instrumenten
Die jungen Wissenschafter präsentierten ihre Projekte an Ständen vor Besuchern und Juroren. Ihre Forschung konzentrierte sich auf eine erstaunlich vielfältige Bandbreite von Themen. Paula Morata González, eine 18-jährige Spanierin, möchte das Stimmen von Musikinstrumenten verbessern. „Ich spiele Cembalo und studiere am Konservatorium“, sagt sie. „Während des Stimmunterrichts fand ich es viel intuitiver, gute Töne zu finden, indem ich mir ihre mathematischen Proportionen ansah.“
Schließlich baute sie ein Modell, das beim Stimmen von Instrumenten helfen könnte. „Anfangs hielt mein Musiklehrer mich für verrückt“, erzählt sie. „Aber ich liebe es, Wissenschaft und Kunst zu verbinden.“ González beginnt dieses Jahr ihr Studium an der Universität, wo sie hofft, diesen interdisziplinären Weg fortzusetzen und einen Doppel-Bachelor in Musik und biomedizinischen Wissenschaften zu machen.
„Die Qualität der Projekte war dieses Jahr sehr beeindruckend“, erklärt Milan Macek, Vorsitzender der Jury. „Ein Trend scheint der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz zu sein.“ Macek war bei den vergangenen sieben Ausgaben von EUCYS als Jurymitglied dabei. Er ist Professor für Genetik an der Karls-Universität in Prag, doch in Katowice fiel es ihm schwer, die Gewinner auszuwählen. „Es gibt nicht genug Preise für all die Talente hier, daher mussten schwierige Entscheidungen getroffen werden.“
Zeitgleich mit EUCYS fand in Katowice ein weiterer Wettbewerb im Stil eines Hackathons statt. Während des EU TalentOn 2024 entwickelten 108 Teilnehmer im Alter von 21 bis 35 Jahren wissenschaftliche Projekte, um gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel und das Wassermanagement anzugehen. Der Hauptpreis ging an das Projekt „Breath for Life“ von einem Team von Nachwuchsforschern aus den Niederlanden, Portugal, Spanien und Italien, das sich mit der Krebsprävention befasste. Es erhielt ein Preisgeld von 12.000 Euro.
Effizientere Schiffe
Die meisten EUCYS-Teilnehmenden befassten sich in ihren Projekten ebenfalls mit gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Arbeit einer weiteren Gewinnerin, der 17-jährigen Aleksandra Petkova aus Bulgarien, könnte beispielsweise zur Konstruktion effizienterer Schiffe beitragen. „Es kann uns helfen, Schiffe zu bauen, die weniger Treibstoff verbrauchen und auf diese Weise Emissionen reduzieren“, sagt sie. In ihrem Forschungsprojekt nutzte sie Quellen wie Drohnen- und Satellitenbilder, um die Heckwellen von Schiffen zu analysieren und effizienter zu gestalten. Dabei kombinierte sie Physik mit einem sehr praktischen Ziel.
Petkova stammt aus einer Familie von Wissenschaftern, was sie dazu inspirierte, an wissenschaftlichen Wettbewerben wie EUCYS teilzunehmen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals etwas anderes als Wissenschaft gemacht zu haben“, erklärt sie. „Schon als kleines Kind habe ich mit Magneten und Spiegeln gespielt und versucht, die tieferen Prinzipien ihrer Funktionsweise zu verstehen.“ Die Anerkennung, die ihre Arbeit bekommen hat, überwältigt sie noch immer. „Ich weiß nicht, was ich mit dem Geld machen werde. Vielleicht kaufe ich mir ein neues Schachbrett“, fügt sie hinzu. „Andererseits hätte ich gerne eine Hochgeschwindigkeitskamera für Experimente. Ein paar tausend Bilder pro Sekunde mehr würden einen großen Unterschied machen.“
Organische Batterien
Olbryś aus Polen befasste sich mit organischen Kathoden in Batterien, die sich leichter recyceln lassen als die heutigen Kathoden, aber nicht die Energiedichte weniger umweltfreundlicher Versionen aufweisen. Deshalb forschte er nach neuen Materialkombinationen und fand Optionen, die das Beste aus beiden Welten vereinen. „Ich hatte keinen Zugang zu einem Supercomputer, also habe ich die Berechnungen einfach auf meinem Laptop daheim durchgeführt“, sagt er.
„Manchmal dauerte eine einzige Berechnung zwei oder drei Tage. Das Geräusch der Lüfter führte dazu, dass ich oft von Hubschraubern träumte“, scherzt er. In zwei Wochen beginnt Olbryś sein Studium in Warschau und hofft, seine Forschung fortsetzen zu können. „Ich liebe Projekte, bei denen Wissenschaft die Welt verändern kann.“
Solarzellen
Lamia Music, eine 15-jährige Österreicherin, die sich mit neuen Arten von Solarzellen befasste, war überglücklich, als sie den ersten Preis erhielt, zusätzlich zu einer Auszeichnung des London International Youth Science Forums. „Ich hätte fast nicht an meinem nationalen Wettbewerb teilgenommen“, sagt sie. „Ich bin nur aus Spaß dorthin gegangen, um interessante Leute kennenzulernen. Und jetzt habe ich plötzlich diesen Preis“, fügt sie lachend hinzu. „Ich denke, manchmal muss man es einfach versuchen.“
Ihr Projekt befasste sich mit neuen Arten von Solarzellen, dem zentralen Bestandteil von Solarmodulen. „Alles begann, als ich in der Oberstufe etwas über Photosynthese lernte“, erinnert sie sich. „Ich wollte mehr wissen und forschte einfach weiter.“ Für Music war der Preis jedoch nicht das Wichtigste an dem Wettbewerb: „An der Wissenschaft gefällt mir, dass man Neues lernen und neue Leute kennenlernen kann“, erklärt sie. „Genau das habe ich hier gemacht. Es war faszinierend, einfach herumzulaufen und etwas über Bereiche zu lernen, von denen ich keine Ahnung hatte.“
Für die junge Österreicherin ist Wissenschaft eine Leidenschaft. „Manchmal wache ich mitten in der Nacht mit Ideen auf“, sagt sie. Vorerst möchte sie ihre Forschung fortsetzen, teilweise unter der Schirmherrschaft einer lokalen Universität.
Stickstoffbelastung
Nicht alle Gewinner bei EUCYS kamen aus Europa. Nikhil Vemuri (17) aus den Vereinigten Staaten gewann den vierten ersten Preis. „Ich lebe in North Carolina, in einer Gegend mit vielen Farmen. Heutzutage verwenden sie zu viel Dünger auf ihren Feldern, was zu Umweltproblemen wie Stickstoffbelastung führt. Ich wollte helfen.“ Er entwarf ein Softwaretool, das anhand von Satellitenbildern vorhersagen kann, wo es wahrscheinlich zu Über- und Unterdüngung kommt.
Wenn ein Feld zum Beispiel abschüssig ist, wird sich der Dünger wahrscheinlich am unteren Ende sammeln. Mit Vemuris Tool können Landwirte Dünger effizienter und sparsamer einsetzen und so die Umweltverschmutzung reduzieren. „Die Landwirte kämpfen wirklich mit diesem Problem. Es war mir wichtig, etwas Konkretes für die Welt zu bewirken.“ Neben der Auszeichnung für sein Projekt wiederholte Vemuri, was andere Teilnehmer bereits gesagt hatten: „Natürlich ist es schön, Preise zu gewinnen. Aber was EUCYS wirklich besonders macht, sind die neu geknüpften Kontakte.“
Artikel von Tom Cassauwers
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Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.