Damit der Enkel auch noch Geld verdienen kann
„Wenn du wirklich am Wald verdienen willst, setze Fichten“, war lange Zeit das Motto: 100 Euro pro Festmeter schöner Schnittware, abzüglich 30 Euro für das aus dem Wald holen, da bleibt auch nach Steuern und Neuinvestitionen noch etwas übrig. Welche Auswirkungen Trockenheit, Käferplage und Co. auf diese Rechnung haben, erklärten Experten im Gespräch mit APA-Science.
Aber zuerst zur aktuellen Situation: „Der Wald verdurstet und die Forstwirtschaft verhungert“, beschrieb Felix Montecuccoli, Präsident der Land- und Forstbetriebe Österreich, bei der Jahrespressekonferenz im Mai die Lage. In den vergangenen drei Jahren hätten die Forstbetriebe einen finanziellen Schaden von einer halben Milliarde Euro erlitten. Die Preisentwicklung kenne nur eine Richtung: nach unten. Der Jahresdurchschnittspreis für Nadelsägerundholz sei 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 85,6 auf 74,4 Euro pro Festmeter gesunken. Brauchen würde man 90 Euro und mehr, um nachhaltig wirtschaften zu können.
Davon ist man aktuell weit entfernt. Im September verzeichnete man einen weiter Sinkflug auf 62,20 Euro. Nominell ist man damit unter dem Niveau der 70er-Jahre – damals waren es umgerechnet 95 Euro (1.300 Schilling). Grund für die niedrigen Preise sei unter anderem die gesunkene Nachfrage nach Frischholz in den Sägewerken rund um den ersten Lockdown. Inzwischen stabilisiere sich der Sägeholzmarkt aber wieder. Allerdings hätten die Nachbarländer Tschechien und Deutschland ihren Holzeinschlag in den vergangenen Jahren wegen der Borkenkäferschäden massiv erhöht, was sich auf den heimischen Markt auswirke.
„Käferproblem“ hinterlässt tiefe Spuren
Auch hierzulande hinterlässt das „Käferproblem“ tiefe Spuren. Zwar lag die gesamte Holzernte 2019 mit 18,9 Mio. Festmetern nur leicht unter dem Vorjahr (19,2 Mio.), allerdings entfielen bereits knapp zwei Drittel auf Schadholz – ein neuer Negativrekord. Insgesamt 11,7 Mio. Festmeter waren schadhaft, davon 6,8 Millionen durch Sturm-, Eis- und Schneeschäden. Für satte 4,3 Mio. Festmeter war bereits vorrangig der Borkenkäferbefall verantwortlich.
Seitens der Politik hat das Landwirtschaftsministerium schon im Juli ein Förderpaket auf den Weg gebracht. In einem Waldfonds werden 350 Millionen Euro zur Entlastung des und für Investitionen in den Wald zur Verfügung gestellt. Konkret soll mit zehn Maßnahmen der Wald wieder fit gemacht werden. Eine zentrale Stellung nehmen dabei laut Ministerium die Aufforstung von Mischwäldern, die Abgeltung von Schäden und die Forschung ein.
Prämie für Klimafunktion gefordert
In Deutschland bekommt man Holz für Faserplatten, die Papierindustrie und Biomasse laut Branchenkennern inzwischen fast geschenkt. Die dortigen Waldbesitzer sind ebenfalls unter Druck und fordern wegen der Klimaschutzfunktion ihrer Forste eine Prämie von rund 112 Euro pro Jahr und Hektar. Jeder Hektar Wald speichere im Jahresschnitt rund acht Tonnen CO2. „Mit dem Einstieg in eine CO2-Bepreisung ist es logisch und gerecht, dass auch die CO2-Speicherung einen Preis erhält“, sagte der Bundesvorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max Elverfeldt.
Das habe man auch schon diskutiert, erklärte Thomas Ledermann vom Institut für Waldwachstum und Waldbau am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) gegenüber APA-Science: „Aber wenn so ein Regulativ kommen sollte, dann muss das sehr durchdacht sein und alle Eventualitäten berücksichtigen“, so Ledermann. Zuerst müsse überlegt werden, wofür denn die Prämie überhaupt bezahlt werde. „Wenn Geld für den Aufbau einer CO2-Senke fließt, was passiert dann, wenn sich der Wald irgendwann zur Quelle entwickelt? Muss das Geld dann zurückgezahlt werden oder gibt es Strafen?“, hinterfragte der Experte.
"Wälder-Wert" liegt bei 150 Billionen Dollar
Eine Analyse des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) hat ergeben, dass bis zu 90 Prozent des Werts des globalen Waldbestands von 150 Billionen Dollar (132 Billionen Euro) auf die Fähigkeit zur Klimaregulation entfallen. Der gewaltige „Wälder-Wert“ ergibt sich auch aus der fast vier Milliarden Hektar umspannenden Fläche weltweit. Fünf Nationen besitzen dabei aber mehr als die Hälfte der Waldfläche: Russland liegt mit 20 Prozent vor Brasilien (zwölf), Kanada (neun), USA (acht) und China (fünf Prozent).
Holz verrottet im Wald
Der Preis sei inzwischen jedenfalls auf einem so niedrigen Niveau, dass sich die Bauern zum Teil mit Händen und Füßen dagegen wehren würden, Schadholz aus dem Wald zu räumen, weil sich der Abtransport nicht mehr lohne, beschreibt ein Gesprächspartner, der seit mehr als 20 Jahren in der Holzwirtschaft tätig ist, die Situation. Dieses Holz verschärfe wiederum das Käferproblem. „Wenn man es nicht schafft, das Holz aus dem Wald zu holen und es künftig weniger verregnete Sommer gibt, dann wird die Dürre zu einer extrem hohen Menge an Fichten am Markt führen. Die können dann nicht verarbeitet werden, weil die Maschinen, Arbeitskräfte und Lagerkapazitäten nicht da sind“, so der Fachmann, der darauf hinweist, „dass in Deutschland die Kohlekraftwerke laufen und bei uns das Holz im Wald verrottet“.
Zwar werde es auf Jahre keinen Mangel geben, „aber irgendwann wird einer herrschen, wenn wir die Fichten nur mehr in den Höhenlagen haben. Dann kann man auch die Heizkraftwerke nicht mehr beliefern“. Bis eine neue Generation hiebreif sei, dauere es 30 bis 40 Jahre. „Und dann ist die Frage, ob die richtigen Baumarten gesetzt werden, beziehungsweise welches Klima dann herrscht. Momentan weiß jedenfalls keiner, welchen Baum er setzen soll, damit der Enkel irgendwann damit noch Geld verdienen kann“, meint der Branchenkenner. „Aktuell 50 Jahre vorausdenken, wenn man sieht, wie sich allein in den vergangenen 20 Jahren das Klima verändert hat, ist schwierig. Die Zeit für die Fichte ist vorbei. Die Frage ist nur, ob wir das hinauszögern, um sie zumindest noch verarbeiten zu können. Die nächste Generation hat jedenfalls nur Arbeit.“
Wichtiger Exportfaktor
Entlang der gesamten Wertschöpfungskette Holz – vom Forst über die Säge bis zu unterschiedlichsten Endprodukten – erzielt Österreich einen riesigen Außenhandelsüberschuss. Dieser lag im Vorjahr bei 4,6 Mrd. Euro, beruft sich die Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) auf Daten der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP) mit.
Importe gab es demnach 2019 in der Höhe von 6,13 Mrd. Euro, Exporte in der Höhe von 10,73 Mrd. Euro. Den größten Anteil am Kuchen haben Papier, Papierwaren, Pappe und Viskose. Hier lagen die Importe bei 2,078 Mrd. Euro und die Ausfuhren bei 5,28 Mrd. Euro. Dahinter folgten Holz und Holzwaren inklusive Schnittwaren. Hier lagen die Einfuhren bei 2,24 Mrd. Euro und die Exporte bei 3,5 Mrd. Euro.
Laut LKÖ profitieren 172.000 Betriebe und 300.000 Einkommensbezieher entlang der Wertschöpfungskette Holz. Die Waldbauern müssten aber einen größeren Teil des Kuchens abbekommen, so die Forderung. Der Appell der LKÖ an die Politik lautet dazu: „Wir müssen raus aus Erdöl und Erdgas, hin zu erneuerbaren Rohstoffen.“
Fichte wird nicht aussterben
Viele der aktuellen Probleme haben also mit der hochproduktiven Fichte, die in den vergangenen Jahrzehnten der Waldbaum schlechthin war, zu tun. Aber sie wird nicht aussterben – bei weitem nicht. Sie kommt als natürliche Baumart auf fast der Hälfte der Waldfläche Österreichs vor, nämlich in den Bergen. Über 1.000 Metern Seehöhe wird sie weiterhin eine der wichtigsten Baumarten bleiben, sind sich Waldexperten einig. Darunter könne sie durchaus in Mischwäldern weiter vorkommen, zum Beispiel in höheren Lagen des Wald- oder auch Mühlviertels. Weiter unterhalb mache die Anpflanzung von Fichten keinen Sinn mehr, da fokussiere man auf Laub- und Mischwälder, so Peter Mayer, Leiter des BFW.
„Die Fichte wurde nach dem 2. Weltkrieg aus wirtschaftlichen Überlegungen forciert angebaut –schon damals oft außerhalb oder am Rande ihrer Nische“, erklärt Norbert Putzgruber, Leiter der Abteilung Wald, Naturraum und Nachhaltigkeit bei den Bundesforsten, im Gespräch mit APA-Science. Aber was macht die Fichte eigentlich so attraktiv? „Sie liefert ein sehr gutes Holz zur Weiterverarbeitung, da sie sehr schön gerade wächst, eher leicht ist, aber gute physikalische Eigenschaften aufweist, was Festigkeit und Bearbeitbarkeit betrifft. Außerdem spricht für sie, dass sie eine enorme ökologische Amplitude hat, was kaum eine andere Baumart – eventuell die Lärche – anbieten kann“, so der Experte.
Risiko sollte gestreut werden
Einigkeit herrscht unter Experten weitgehend darüber, dass Monokulturen keine Zukunft haben. Darin sind sie mit dem WWF einer Meinung (siehe Gastbeitrag „Lebensader Wälder„). Es gehe auch um Risikostreuung, erklärt Mayer: „Die Produktionszyklen eines Waldes dauern bekanntlich sehr lange, da kann viel passieren: Wie entwickelt sich das Klima, wie die Böden und wie reagieren die verschiedenen Baumarten darauf? Als Eigentümer tut man somit gut daran, sein Portfolio zu streuen und nicht alles auf eine Karte zu setzen.“ Ebenso stelle die Förderpolitik mittlerweile ausschließlich auf Laub- und Mischwald ab.
Wald statt Sparbuch
Bei Investoren ist Wald weiter heiß begehrt, auch wenn es sich erst für die nächste Generation lohnt, betont der auf Forstobjekte spezialisierte Immobilienexperte Klaus Bischof in seinem Gastkommentar. Zwar dauere es je nach Bodenbeschaffenheit 80 bis 120 Jahre bis ein geschlägerter Wald nachgewachsen sei. Die Investoren würden aber von Wertbeständigkeit, Grundbuchsicherheit sowie dem hohen Freizeit- und Erholungswert angezogen.
Den beiden Experten ist aber bewusst, dass sich größere Waldeigner bei der Neugestaltung ihres Besitzes leichter tun als kleine, da sie im Idealfall unterschiedliche Standorte bearbeiten können und von vornherein mehr Diversität in ihren Baumbeständen haben. Putzgruber meint außerdem, es sei nicht gut, wenn sämtlich Waldeigentümer ihren Besitz nach dem gleichen Schema bewirtschaften würden. Krisen könnten dann auf das gesamte System durchschlagen, die Ausfälle wären enorm und nicht mehr kompensierbar. Daher heiße es jetzt, den Wald so divers zu gestalten, dass er mit den zu erwartenden Klimaveränderungen fertig werden kann.
Hilfe gesucht
Im Moment quält also der Klimawandel Österreichs Waldbesitzer – besonders kleine Eigner. Einer davon erklärt in Gespräch mit APA-Science: „Hier bei uns (nördliches Waldviertel, Anm.) sind sämtliche Fichten mehr oder weniger tot.“ Er habe seinen gesamten Besitz (rund drei Hektar) ausschlagen müssen, um zumindest noch etwas Geld zu bekommen. Schließlich seien kaum 25 Prozent des Baumbestands übriggeblieben. Er will wieder aufforsten, primär mit Laubhölzern. Was ihm aber fehlt, ist eine flächendeckende Beratung und Strategie. So gebe es zum Beispiel kein einheitliches Konzept zur Abholzung und Aufforstung für die komplette Blockheide.
„In erste Linie sind da natürlich die Interessenvertretungen wie die Landwirtschaftskammern und die Waldverbände die Ansprechpartner. Wir versuchen aber, mit unseren Forschungserkenntnissen und unserem Know-how ebenfalls rasch in die Beratung zu gehen. Das passiert zu einem großen Teil in unserer Aus- und Fortbildungsschiene“, erläutert Mayer. Derzeit erheben die BFW-Forscher in der Steiermark flächendeckend Bodendaten. Der Boden sei schließlich immens wichtig bei der Frage, welcher Baum wo gut wachsen kann. Dabei werden die Daten mit dem derzeitigen Klimamodell und möglichen künftigen Szenarien verschnitten. „Damit können wir prognostizieren, welche Baumarten an welchen Standorten jetzt und unter künftigem Klima bestehen können. Das hilft schließlich auch in der Beratung“, so der BFW-Leiter. Außerdem bietet das BWF gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer eine Seite zur Herkunftsberatung an.