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Mehr zum Thema / Jochen Stadler / Donnerstag 11.04.24

Überschussstrom: Neue Batterien ante portas

Elektrische Batterien sind die derzeit besten Kurzzeit-Stromspeicher. Moderne Exemplare halten bis zu 10.000 Ladezyklen durch. Es gibt eine enorme Nachfrage nach Batterien etwa für Autos, Mobiltelefone und kurzfristige Großspeicher im Stromnetz. Österreichische Forscher verbessern derzeit beispielsweise mit biologischen Materialien ihre Umweltbilanz, integrieren sie in Flugzeug-Bauteile und benutzen statt dem seltenen Element Lithium das in Österreich reichlich vorhandene Magnesium.
APA (AFP) Bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien ist man auf seltene und giftige Elemente angewiesen

Sauerstoff und Schwefel statt Kobalt

Bei der Verwendung von herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien ist man auf seltene und giftige Elemente wie Kobalt angewiesen, erklärt Stefan Freunberger vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ). Er will sie durch häufige „Hauptgruppenelemente“ wie Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel ersetzen. Diese „redoxaktiven“ Materialien können Elektronen austauschen, was in der belebten Natur passiert, aber auch in den Batterien, sagt er: „Wenn wir Menschen Sauerstoff einatmen, machen wir anschließend Elektrochemie damit.“ In ähnlicher Weise könne Sauerstoff in Batterien reagieren.

Es wäre leicht möglich, solche Elemente aus natürlicher Biomasse in Österreich zu gewinnen, anstatt durch Bergbau unter äußerst bedenklichen Bedingungen großteils in Entwicklungsländern. „Sie sind auch in der Natur rezyklierbar, also biologisch abbaubar“, so Freunberger. Außerdem könnten Schwefel und Sauerstoff wohl als einzige noch einen großen Sprung in der Speicherkapazität von Batterien bringen. Bei Lithium-Ionen-Batterien sei man dabei so ziemlich an die Grenze gestoßen. Mit Sauerstoff und Schwefel hält er eine Verdreifachung oder mehr bezüglich der Energiespeicherung pro Masse für möglich. Solche Batterien könnten also bei gleicher Kapazität deutlich leichter sein als die herkömmlichen.

Batterien aus organischen Materialien

In Wurzeln, Rinden und Blättern von Bäumen gibt es Pigmente (Farbstoffe), die sich von ihrer Struktur her sehr gut für die Stromspeicherung in Batterien eignen, sagt Engelbert Portenkirchner vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck. Ein großer Vorteil dieser Stoffe ist, dass sie dank ihrer Herkunft für Lebewesen gut verträglich und biologisch abbaubar sind. Außerdem haben sie eine sehr poröse bis schwammige Struktur. „Dadurch ist es nicht so entscheidend, welche Form das Ion (geladene Teilchen, Anm.) hat, das darin gespeichert ist“, erklärt er. Somit könne man statt des seltenen Elements Lithium etwa Natrium verwenden, das ein Bestandteil von Kochsalz ist. „Natrium ist also sprichwörtlich so reichlich vorhanden wie Salz in der Küche oder Salz im Meer“, so der Forscher. Damit sei das Thema Ressourcenknappheit wohl ein für alle Male vom Tisch.

 

„Natürlich haben diese biologischen Materialien auch Nachteile, sodass man nicht so einfach darauf umsteigen kann“, erläutert er: „Sie sind einerseits nicht so stabil.“ Dies wäre das erste große Forschungsthema für ihn, das zweite ist, dass man von der Energie- und Leistungsdichte erst in jene Bereiche kommen muss, in denen die marktüblichen Lithium-Ionen-Akkus derzeit sind. Bis dahin werden sie jene wohl nicht verdrängen. „Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass sie überall dort zur Anwendung kommen, wo hohe Energiedichte beziehungsweise Größe und Gewicht nicht entscheidend sind“, sagt der Experte: Zum Beispiel im Speichermodul im Einfamilienhauskeller für eine Photovoltaikanlage am Dach.

 

„Richtig spannend wird es für mich aber dort, wo biologische Kompatibilität gefragt ist“, erklärt er: „Es wird immer mehr Elektronik am und im Körper verwendet, die eine Energieversorgung braucht, zum Beispiel Implantate für das Gehör und die Augen oder Sensoren, die den Gesundheitszustand messen.“ Dort will man freilich keine giftigen Stoffe haben, deshalb wären solche biologisch verträglichen Substanzen in Batterien ein großer Gewinn. Wissenschafter verwenden wiederum in der Natur oftmals Messsensoren, die lange Zeit Daten senden, und manchmal nicht wieder zurückgeholt werden können, weil sie etwa im Ozean verschwinden. „Dort ist es auch wichtig, dass die Energieversorgung nicht zu einer Kontaminierung oder Schädigung dieser sehr speziellen Ökosysteme führt“, sagt der Chemiker. Auch hier könnten solche Biobatterien gut zum Einsatz kommen.

Vanille-Batterien

Stefan Spirk und sein Team vom Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik an der Technischen Universität Graz setzen ebenfalls auf pflanzliche Bestandteile für Batterien. Sie wollen im Projekt VanillaFlow mit Pflanzenbestandteilen eine elektrochemisch aktive Verbindung produzieren, die die Herstellung nachhaltiger Energiespeicher ermöglicht. Die Forscher haben einen Weg gefunden, für ein Kernelement der Batterien, nämlich die flüssigen Elektrolyte, Vanillin herzustellen, das aus „lignocellulosischen Restströmen“ erzeugt wird. Dies könne mithilfe von milder und grüner Chemie ohne den Einsatz von giftigen und teuren Metallkatalysatoren bei Raumtemperatur geschehen. Außerdem haben die Forscher eine Datenbank mit 500.000 Molekülen erstellt, die nun auf vorteilhafte Eigenschaften untersucht werden.

 

Auch andere Komponenten wollen die Wissenschafter möglichst nachhaltig gestaltet, zum Beispiel die Elektrode und die Batteriesteuerung. Sie lassen sich dabei von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen unterstützen. Für die Elektrode möchte man etwa auf ein Kohlenstoff-Vlies zurückgreifen, das durch Komprimierung weniger Widerstand bietet und weniger Ablagerungen bildet. Durch neue Beschichtungen und Behandlungen sollen noch bessere Leistungen erzielt werden. Den ersten Prototyp des durch KI mitdesignten Speichers will man vorerst in das Netz der TU Graz einbinden. Dabei soll eine Speicherleistung von zehn kW möglich sein, für zukünftige Anwendungen sei die Leistung je nach Bedarf erweiterbar.

„Magnesium-statt-Lithium“-Batterie

Magnesium ist eines der häufigsten Elemente der Erdkruste und wird in der Steiermark, Tirol und Kärnten gewonnen. Wegen seiner günstigen elektrochemischen Eigenschaften und Umweltverträglichkeit setzt es Martina Romio vom Austrian Institute of Technology (AIT) für Batterie-Anoden (jene Elektrode, die Elektronen aufnehmen kann) ein. Bei Magnesium-Elektroden müsse man zunächst eine Oxidschicht (Sauerstoffschicht) entfernen, mit der dieses Material bedeckt ist, und es mit einer schützenden Schicht aus einer leitfähigen Magnesium-Legierung umhüllen. „Dies bewerkstelligen wir mithilfe einer neuartigen ‚Eintopf-Synthesemethode‘ und umweltfreundlichen organischen Säurelösungen“, erklärt Romio. Anschließend wird sie mit ihren Kollegen die Eigenschaften dieser „intermetallischen Zwischenphase“ ausführlich untersuchen, und zwar zum Beispiel mit Mikroskopen und elektrochemischen Analysen.

 

„Unser Ziel ist es, die bestmögliche Oberfläche für eine Magnesium-basierte Anode zu synthetisieren“, sagt die Forscherin im Gespräch mit APA-Science. Gegenüber Lithium, das derzeit in den gebräuchlichen Anoden verbaut würde, böte Magnesium mehrere Vorteile: Es hat als Elektrodenmaterial eine höhere Kapazität pro Volumen als Lithium, das heißt die Größe der Batterien könnte durch seine Verwendung schrumpfen. Das Material ist umweltverträglicher und viel besser verfügbar: Magnesium ist das achthäufigste Element der Erdkruste und Österreich ist der siebendgrößte Produzent des Magnesium-Rohstoffs Magnesit.

Grünere Lithium- und strukturelle Festkörperbatterien

Auch herkömmliche Lithium-Batterien kann man grüner machen, berichtet Marcus Jahn von der Competence Unit Battery Technologies des AIT. Beim Projekt BatWoMan forscht seine Kollegin Katja Fröhlich etwa daran, wie man in der Herstellung weniger giftige Substanzen verwenden und den Energiebedarf senken kann. Auch Festkörperbatterien für Fahrzeuge werden in Wien etwa im Projekt Sublime entwickelt, und Technologien zu ihrer Herstellung im Projekt Pulselion. Von ihnen erwartet man sich Verbesserungen in der Energiedichte und Sicherheit für Elektrofahrzeuge gegenüber den herkömmlichen Lithium-Batterien mit flüssigen Elektrolyten. Die höhere Sicherheit ist außerdem für die Luftfahrt wichtig. Dort fällt aber auch zusätzliches Material besonders stark ins Gewicht. Man kann es reduzieren, indem man „strukturelle“ Batterien verwendet, die in tragende Bauteile wie Seiten- und Bodenpaneele integriert sind, sagt Jahn: „Dann nehmen sie weniger Zusatzgewicht in Anspruch.“ Damit steigt die Energiedichte, denn man kann nun statt Watt (Leistung) pro Kilogramm die Watt-Leistung pro zusätzlichem Kilogramm in den Berechnungen verwenden. Das Bauteil braucht man nämlich sowieso zum Fliegen, erklärt er: „Damit kommt man von der Energiedichte wesentlich näher an Werte, die man eigentlich für die Luftfahrt braucht.“

Recyclingbatterien und längere Lebensdauer

Die Wiederverwertung wird bei Batterien durch den steigenden Bedarf ebenfalls wichtiger. Am AIT forscht man etwa daran, nicht nur Mineralien aus Altbatterien effektiver wiederzugewinnen, sondern zusätzlich etwa Silizium aus manchen Photovoltaik-Paneelen. „Auch Bergbaurückstände enthalten viel Kobalt, Nickel und Mangan“, heißt es.

Nicht nur die Batterien selbst, sondern auch ihre Nutzung sollte man optimieren, meinen Forscher der Silicon Austria Labs in Graz. Im Projekt Bat2Share untersuchet ein Team um Herbert Hackl, inwiefern man durch kontrollierte Ladevorgänge, optimale Lagerung und Zyklisierung die Lebensdauer und Nutzungsintensität von Batterien der E-Bikes verbessern kann. Damit könnte man unter anderem auch die Anzahl der im Verkehr befindlichen Batterien reduzieren, heißt es. Hier wird auch ein „bidirektionales Batterieladegerät“ für Elektroautos entwickelt, von dem der Strom zum Beispiel wieder ins Eigenheim gespeist werden kann, um es mit Energie zu versorgen. In diesem Tiny Power Box-Projekt maximieren die Forscher um Christian Mentin auch die Leistungsdichte von jenen Ladegeräten, die Elektroautos mitführen (on board charger). „Ziel ist es, das Gewicht und die Baugröße weiter zu reduzieren“, erklären sie.

Elektroautos anzapfen

Die wachsende Zahl an Elektroautos wäre ein weiterer potenzieller Speicher für Überschussstrom. Wenn sie parken und gerade nicht zur Fortbewegung verwendet werden, könnte man sie im Strom-Bedarfsfall auch als Versorgungseinheiten nutzen. „Dabei gibt es aber viele emotionale Bedenken und Richtlinien, die man einhalten müsste“, sagt Gerhard Fritscher von der Fachhochschule (FH) Technikum Wien: „Man muss natürlich immer berücksichtigen, dass Elektroautos primär zum Fahren da sind.“ Es sollte nicht passieren, dass man einsteigt und wegfahren will, aber der Stromtank leer ist, weil mit der in ihm gespeicherten Energie gerade geheizt oder gekocht wurde. Deshalb ist wohl gerade hier intelligentes Strommanagement gefragt.

Bei zunehmend hoher Durchdringung könnten Elektroautos im elektrischen Verteilnetz zu einem netzdienlichen Speicher von bedeutender Größe werden, betont auch Peter Kepplinger von der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) in einem Gastbeitrag. Voraussetzung sei, dass der Komfort durch das Lastmanagement gewährleistet ist, somit den Nutzerinnen und Nutzern das Fahrzeug wie erwartet mit ausreichend Restladung zur Verfügung steht. Nur dann werde eine solche Technologie akzeptiert und den Weg in die Anwendung finden. Diese Unsicherheiten würden von manchen Potenzialstudien jedoch nur ungenügend berücksichtigen, was die Notwendigkeit weiterer angewandter Forschungsarbeit in diesem Feld unterstreiche.

Auch wenn Batterien das Ende ihrer Lebensdauer im Fahrzeug erreichen, aber noch eine Restkapazität von 70 bis 80 Prozent aufweisen, können sie sehr nützlich sein. Den Übergang der Batterien in ihre zweite Lebensphase beispielsweise als stationäre Speicher zu erleichtern, hat sich das Projekt Battery2Life, an dem das AIT beteiligt ist, zum Ziel gesetzt. Unter anderem sollen dabei optimierte Systemdesigns eine zuverlässige Rekonfiguration gebrauchter Batterien ermöglichen, um sie effizient für Second-Life-Anwendungen einsetzen zu können. Damit leiste man auch einen Beitrag zu einer zirkulären Wirtschaft.

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