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Mehr zum Thema / Hermann Mörwald / Freitag 18.12.20

Was im Wald ist und sein wird

Wie setzt sich Österreichs Wald zusammen, was bedrängt ihn und wie sollte er künftig ausschauen, um unter klimatisch neuen Bedingungen bestehen zu können? Dazu hat APA-Science mit Experten des heimischen Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) und Österreichs größtem Waldbesitzer und -verwalter, den Bundesforsten (ÖBf), gesprochen.
Bild: APA (dpa) Österreichs Wald wächst stetig

Vorne weg einmal ganz nüchtern die wichtigsten Zahlen: Österreichs Wald, der sich von 115  Meter am Neusiedler See bis auf 2.300 Meter Seehöhe in den Alpen erstreckt, umfasst  laut den letzten Zahlen der Waldinventur (mehr dazu siehe Gastbeitrag „Die Waldinventur – mehr als nur Bäume zählen!„) des BFW mit knapp vier Millionen Hektar rund 48 Prozent der österreichischen Staatsfläche.

Erfreulich ist laut Experten, dass er stetig wächst. Seit dem Beginn der Waldinventur 1961 hat sich Österreichs Waldfläche um 300.000 Hektar (entspricht in etwa der Fläche des Mühlviertels/OÖ) vergrößert. Die Zusammensetzung ändert sich dahingehend, dass der Nadelwald- ab und der Laub- und Mischwaldanteil zunimmt. Etwa 3,4 Mrd. Bäume aus 65 Baumarten stehen im heimischen Forst, somit kommen auf jeden Österreicher um die 420 Bäume.

Die Fichte bleibt klar die Nummer eins. Sie macht weiterhin über 57 Prozent aller Waldbäume aus. Die Tendenz ist rückläufig, lag doch der Anteil bei früheren Zählungen über 60 Prozent. Unter den Nadelhölzern folgen die Lärche mit 4,4 Prozent, die Weißkiefer (4,1 Prozent) und die Tanne (2,5 Prozent). Der häufigste Laubbaum im österreichischen Wald ist die Buche mit 10,2 Prozent Anteil, die Eiche kommt auf 2,1 Prozent.

Naturwälder

Rund 25 Prozent des heimischen Waldes haben Schutzstatus. „Das BFW bewirtschaftet ein Netzwerk an Schutzgebieten (Urwälder), sogenannte Naturwaldreservate (NWR)“, berichtet Peter Mayer, Leiter des BFW. Österreich habe sich 1993 in Helsinki mit der Unterzeichnung der Resoluti­onen der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Eu­ropa verpflichtet, ein Netzwerk von Natur­waldreservaten zu errichten.

 

Durch NWR will man die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald fördern. Die forstwirtschaftliche Nutzung, Totholzauf­arbeitung oder die Einbringung von Waldbäumen ist nicht gestattet. Mit zunehmender Dauer der Nichtbewirtschaf­tung sollen sich die Reservate wieder einem ursprünglichen Wald annähern. In Österreich kommen laut BFW ca. 118 Waldgesellschaften (Waldtypen, die sich über typische Artenzusammensetzungen definieren) in 22 forstli­chen Wuchsgebieten (Großlandschaften mit weitgehend klimatisch einheitlichen Bedingungen) mit vor. Jede Waldgesellschaft soll durch mindestens ein Reservat erfasst werden. Derzeit gibt es 192 NWR mit einer Gesamtfläche von 8.355 Hektar.

Wem gehört Österreichs Wald eigentlich?

Etwa 82 Prozent sind im Privatbesitz, was laut BFW ein Spitzenwert in Europa ist. Über rund 15 Prozent der österreichischen Wälder verfügen die Bundesforste. Der Rest entfällt auf Gemeinden und Länder. Der Privatwald – in der Regel Bauern- und Familienwald – ist kleinstrukturiert. „Jene 50 Prozent der Waldeigentümer, die weniger als 200 Hektar besitzen, haben pro Betrieb eine durchschnittliche Waldfläche von 9,2 Hektar“, erklärt das BFW. 30 Prozent der privaten Waldeigentümer sind Frauen.

Es wird trockener

Woran Österreichs Waldbesitzer und -forscher nicht vorbei kommen, ist, dass der Wald je nach Standort mehr oder weniger unter Extremwetterereignissen und den neuen Klimaverhältnissen der vergangenen Jahre leidet. „Das stellt die Herausforderung der Zukunft dar“, meint Mayer.

Das größte Problem dabei ist die Trockenheit über mehrere Jahre hinweg, dadurch kommen die Bäume in einen Trockenstress. Das bedingt, dass sie entweder durch direkte Trockenschäden absterben, oder der Schädlingsbefall – prominentes Beispiel dafür ist der Borkenkäfer (siehe „Appetit auf Zerstörung“) – massiv ansteigt.

„Baumarten, die außerhalb oder am Rande ihrer ökologischen Nische kultiviert wurden, sind besonders anfällig. Das gilt auch für die flachwurzelnde Fichte, die in höheren Lagen weiterhin ihr ideales Verbreitungsgebiet vorfinden wird, außerhalb davon wie etwa im Mühl- oder Waldviertel aber zunehmend unter den Schäden leidet“, erläutert Norbert Putzgruber, Leiter der Abteilung Wald, Naturraum und Nachhaltigkeit bei den Bundesforsten gegenüber APA-Science.

Dass die Schäden bei der Fichte besonders augenfällig sind, liegt laut Putzgruber hauptsächlich an ihrem massiven Vorkommen. Die Esche zum Beispiel werde durch einen eingeschleppten Schlauchpilz mehr geschädigt, was weniger auffalle, da sie gerade einmal drei Prozent des österreichischen Baumbestands ausmacht.

Neue Bäume braucht der Wald

Einig sind sich die Experten darin, dass Monokulturen keine Zukunft haben, da stimmen sie mit dem WWF (siehe Gastbeitrag „Lebensader Wälder„) überein. Die Bundesforste, die bereits am „Wald der Zukunft“ arbeiten, nehmen an, dass der Fichtenbestand auf rund 40 Prozent (im ÖBf-Bestand) zurückgehen wird. Die Lärche wird laut Putzgruber dazugewinnen – von rund 9 auf 24 Prozent: „Das ist ganz bewusst so gewünscht, da die Lärche besonders gut in hohen Lagen gedeiht.“ Ebenso werde es einen Zuwachs bei der Kiefer geben.

Im Osten Österreichs sollen die Eiche in trockenen und die Tanne in montanen Lagen forciert werden. Der Tannenanteil liege derzeit bei drei Prozent, das, obwohl sie auf der Hälfte der Waldfläche vorkommen könnte. Daher will man bei den Bundesforsten den Bestand verdoppeln. „Das klingt nicht unbedingt ambitioniert, muss aber erst einmal über die Bühne gebracht werden“, verweist er auf die Schalenwildproblematik.

Momentan sei es nämlich so, dass insbesondere die Eichen- und Tannenbestände durch zu hohe Rehwildbestände so nieder gehalten würden, dass sie sich nicht entwickeln können. „Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, wird es in Österreich schwer für den klimafitten Wald der Zukunft „, warnt der ÖBf-Experte. Die Schalenwildbestände müssten besonders in Regionen, wo durch Schadflächen Verjüngungen anstehen, temporär gesenkt werden, bis Eiche und Tanne alt genug sind, um nicht von den Tieren geschädigt zu werden.

Forstliche Zielsetzungen

„Die Bundesforste haben eine sehr gute Datenlage zu ihren Wäldern. Dafür wird der Wald in Bestände (zwei bis drei Hektar) bzw. Forstreviere eingeteilt“, so Putzgruber, „darauf basierend werden Pläne erstellt, wie wir den Wald bewirtschaften wollen. Für sämtliche Bestände wird ein Bestockungsziel festgeschrieben, wie der Wald mit welchen Maßnahmen in 100 bis 150 Jahren unter Berücksichtigung klimatischer Änderungen aufgebaut sein soll.“

 

Generell werden die Laubhölzer allen voran die Rotbuche zunehmen. In trockeneren, wärmen Gebieten soll sich die Eiche – wie bereits erwähnt – besser vermehren. In Bergregionen setzt man auf Ahorn, „hoffentlich kommt die Ulme wieder auf, die Esche ist derzeit ein Problemkind.“

 

Überhaupt werden sich Laubhölzer wie z.B. Linden, Pappeln, Feldahorn, Hainbuchen usw. vermehrt in Österreichs Wäldern finden, ist sich der Bundesforstevertreter sicher. Das gelte auch für Pioniergehölze wie Birken und Weiden. „Wir sind froh darüber, wenn diese große Freiflächen von alleine „anfliegen“ und besiedeln. Sie bilden dann den Vorwald, unter dessen Wipfelschirm Verhältnisse entstehen, wo sich dann Baumarten wie Buche und Tanne wohlfühlen und gedeihen können.“

Klimabedingte Zuwanderer

„Wir testen verschiedene Baumartmischungen an den unterschiedlichsten Standorten. Dabei kommen nicht nur heimische Bäume zum Zug. Die Strategie ist, zu sagen, es gibt Bäume die unter gewissen Klimabedingungen wachsen, und zu fragen, was bedeutet das für unseren Wald, wie können wir diese eventuell nutzen, um einen Wald der Zukunft zu kreieren“, erläutert Mayer.

Die verschiedenen Naturschutz- und Artenvielfaltstrategien müssen dem Klimawandel Rechnung tragen. Das gelte insbesondere für die Ansiedlung neuer, hier noch nicht heimischer Baumarten. Da müsse dynamisch gedacht werden, viele alte Konzepte seien angesichts eines sich ändernden Klimas überholt, meint der BFW-Experte: „Natürlich machen Schutzkonzepte Sinn. So sollen neue Baumarten für die Waldbesitzer ökonomisch eine Alternative bieten, ökologisch gut in den bestehenden Wald eingebracht werden können und – ganz wichtig – nicht invasiv sein. Wir haben da verschiedenste Parameter entworfen, nachdem wir nicht einheimische Baumarten bewerten.“

Die Douglasie zum Beispiel habe – als nicht ganz neuer Zuwanderer – eine gute Chance, sich weiter zu etablieren, ebenso die Küstentanne oder die Roteiche – auch kein kompletter Neuling. Die Zeder könnte in besonders trockenen Gebieten eine Rolle spielen. Die Douglasien seien gut geeignet für außeralpine Standorte wie z.B. das Waldviertel in Mischung mit Laubhölzern, ergänzt Putzgruber. Und sie werden den heimischen Wald nicht überprägen, da der Bestand zu gering sei.

Auch andere Baumarten schließen die Waldexperten nicht aus. „Versuche gibt es mit vielen Bäumen, aber den Wunderbaum schlechthin, der uns das Klima rettet, gibt es einfach nicht. Es wird auf die Mischung ankommen. Das Entscheidende ist, wir müssen den Wald dabei unterstützen, sich möglichst optimal an das künftig zu erwartende Klima anzupassen“, sind sie sich einig.

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