Publikum gerechter als Jury: Studie nimmt Musikbewerbe in den Fokus
Publikumsbewertungen bei Klassik-Wettbewerben verhelfen mehr Frauen zum Gewinn als jene der Jury: Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Auch was den späteren Erfolg von Wettbewerbsteilnehmerinnen und -teilnehmern betrifft, sind Entscheidungen des Publikums treffsicherer als jene der Expertenschaft. Was die Nationalität betrifft, bewertet das Publikum ebenfalls neutraler.
Dass die Meinungen von Jurys und Publikum oft weit auseinander liegen, werde regelmäßig bei Bewerben vom Eurovision Song Contest bis zum Bachmannpreis deutlich, heißt es in einer Aussendung der WU. Ob Expertinnen und Experten die Qualität der Darbietungen dank ihrer Erfahrung wirklich besser beurteilen können, interessierte Roberto Asmat vom Department für Volkswirtschaft an der WU Wien. Gemeinsam mit Karol J. Borowiecki von der Süddänischen Universität und Marc T. Law von der University of Vermont analysierte er Daten von Ergebnissen aus 370 Wettbewerben in klassischer Musik, die zwischen den Jahren 1979 und 2021 in 22 verschiedenen Ländern abgehalten wurden und bei denen sowohl Jury als auch Publikum Preise an ihre Favoriten vergaben.
Aus der Analyse ging hervor, dass Experten und Publikum durchschnittlich nur zu 38 Prozent in ihrem Urteil übereinstimmen. Besonders auffällig war, dass sich sowohl das Geschlecht als auch die Herkunft negativ auf Jury-Bewertungen auswirkten: So hatten weibliche Bewerber genauso Nachteile in der Jury-Wertung wie auch Personen, die aus dem Land stammen, in dem ein Wettbewerb ausgerichtet wird. Einen Bias gegenüber Frauen und Einheimischen will Asmat jedoch nicht ableiten: "Die Bewertung von künstlerischen Darbietungen ist letztlich eine Frage des Geschmacks und immer subjektiv, insofern muss man das Wort 'Bias' hier mit Vorsicht verwenden", wird der Forscher in der Aussendung zitiert.
Objektiv messbar war hingegen, dass sich die Wahrscheinlichkeit, künftige Wettbewerbe zu gewinnen erhöhte, wenn Musikerinnen und Musiker zuvor Publikumspreise gewonnen hatten. Geht es also darum, zukünftigen Erfolg vorherzusagen, sei das Urteil des Publikums aussagekräftiger als die Bewertungen der Jury. Generelle Ableitungen über die Bewertung von künstlerischen Darbietungen würden sich aber nicht herstellen lassen, so Asmat. Diskussionen über die Qualität von Kunst seien so alt wie die Kunst selbst. Die Arbeit des Forscherteams zeige jedenfalls, dass die Stimmen von Amateurinnen und Amateuren "mindestens so wertvoll" seien wie jene von Spezialisten.
Service: https://doi.org/10.1016/j.jebo.2023.06.024