Bildgebendes Verfahren schließt Morbus-Alzheimer-Verdacht aus
Die Wissenschaft vermeldet einen deutlichen Fortschritt in der Abklärung von Morbus Alzheimer. Mit dem bildgebenden Verfahren der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) lässt sich ein Demenz-Verdacht mit hoher Genauigkeit ausschließen, berichteten jetzt deutsche Nuklearmediziner. Möglicherweise wird es in Zukunft in der EU doch ein erstes ursächlich wirkendes Alzheimer-Medikament geben.
"Wenn Gedächtnis und geistige Beweglichkeit allmählich nachlassen, steht schnell die Frage im Raum, ob es sich noch um eine normale Alterserscheinung handelt oder bereits um die ersten Anzeichen einer Alzheimer-Demenz. Gerade zu Beginn einer Demenz ist die Diagnose oft nur schwer zu stellen. Eine Studie aus Frankreich legt nun nahe, dass die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) in dieser diagnostischen Grauzone für mehr Klarheit sorgen könnte", schrieb vergangene Woche der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN).
Anwendbare Diagnoseverfahren wichtig
Bei stark steigenden Zahlen von Demenzerkrankungen, von denen rund zwei Drittel auf Morbus Alzheimer entfallen, für die individuelle Versorgungsplanung bei Betroffenen, die Planung von Pflege etc. in der Gesundheitspolitik und schließlich für die Erforschung neuer Therapien werden damit frühzeitig anwendbare Diagnoseverfahren immer wichtiger. "Um das Krankheitsmanagement zu verbessern, aber auch um die Entwicklung künftiger Therapien zu unterstützen, wäre es wünschenswert, Patientinnen und Patienten mit einem hohen Demenzrisiko möglichst frühzeitig identifizieren zu können", stellte Detlef Moka, Vorsitzender des BDN fest.
In der Diagnose einer vorliegenden bzw. sich entwickelnden Morbus Alzheimer wird die sogenannte PET-Bildgebung bereits erfolgreich eingesetzt. Von einem französischen Forschungsteam wurde sie nun einem weitergehenden Praxistest unterzogen - und könnte offenbar einen größeren diagnostischen Beitrag leisten als bisher. An der Studie, über die das Team um den Nuklearmediziner Antoine Verger von der Universität Nancy im Fachmagazin "Alzheimer's Research & Therapy" berichtet hat, nahmen insgesamt 403 Patientinnen und Patienten teil. Sie alle hatten wegen leichter kognitiver Einschränkungen ein Gedächtniszentrum aufgesucht, waren jedoch nicht mit einer Demenz diagnostiziert worden.
PET-Hirnscans zeigen Aktivitätsmuster
Dann kam das bildgebende Verfahren auf Basis der Nuklearmedizin zur Anwendung. Den Studienteilnehmern wurde der Markerstoff 18F-Fluordesoxyglukose (18F-FDG) intravenös verabreicht. Dabei handelt es sich um ein schwach radioaktiv markiertes Zuckermolekül, das sich in stoffwechselaktivem Gewebe anreichert. "In nachfolgenden PET-Hirnscans lassen sich dann aktive und weniger aktive Hirnregionen gut voneinander unterscheiden", erläuterte Moka. Das beobachtete Aktivitätsmuster gebe Aufschluss über mögliche Einschränkungen der Gehirnfunktion und das Vorliegen einer neurodegenerativen Erkrankung.
In der französischen Studie wiesen 120 von 403 Patientinnen und Patienten - also rund 30 Prozent - normale 18F-FDG-PET-Befunde auf, die übrigen 70 Prozent der Scans wurden dagegen als neurodegenerativ gewertet. Dann wurden die Studienteilnehmer weiter beobachtet. In den folgenden drei Jahren entwickelte jeder vierte Teilnehmer (26 Prozent) eine manifeste Demenz, 13 Prozent starben, ohne Anzeichen für eine Demenz entwickelt zu haben, 61 Prozent überlebten demenzfrei.
Vor- und Nachteile des Verfahrens
In der Studie zeigten sich Vor- und Nachteile des Verfahrens: Viele der Probanden, deren PET-Bilder ursprünglich Anzeichen für neurodegenerative Veränderungen gezeigt hatten, blieben demnach im Untersuchungszeitraum von einer Demenz verschont, woraus sich in der statistischen Auswertung ein nur geringer positiver Vorhersagewert der PET ergibt. Doch der Fortschritt liegt offenbar beim Ausschluss eines Alzheimer-Risikos für den jeweils Untersuchten. "Demgegenüber war der negative Vorhersagewert - also der Wert für den Anteil an Personen, die frei von der gesuchten Krankheit sind - mit 85 Prozent sehr hoch", sagte der deutsche Experte. "Von 100 Personen mit unauffälliger Bildgebung bleiben demnach 85 in den folgenden drei Jahren tatsächlich demenzfrei." Ein unauffälliger PET-Befund gebe somit recht zuverlässig Entwarnung.
Die markergestützte PET ist in der Diagnostik neurodegenerativer Erkrankungen bereits etabliert. Bei leichten Demenz-Symptomen kann die 18F-FDG-PET verwendet werden, um die Wahrscheinlichkeit für das Voranschreiten zu einer manifesten Alzheimer-Demenz zu ermitteln. PET-Scans, bei denen die für Alzheimer kennzeichnenden Amyloid-Ablagerungen im Gehirn markiert werden, gelten als eine der Diagnosemöglichkeiten für die Erkrankung. "Die etablierten Diagnoseverfahren, zu denen neben der Amyloid-PET auch die Untersuchung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit zählt, können und sollen durch die 18F-FDG-PET nicht ersetzt werden", betonte Moka. Angesichts knapper Ressourcen könne die Bildgebung aber dabei helfen zu entscheiden, bei wem eine weitergehende Diagnostik notwendig ist - und bei wem ohne wesentlichen Erkenntnisverlust darauf verzichtet werden kann.
Entscheidungen auf europäischer Ebene
Auch für die Entwicklung neuer Alzheimer-Therapien sind solche Verfahren wichtig, weil damit für klinische Studien zu deren Wirksamkeit und Verträglichkeit geeignete Probanden besser identifiziert werden können. Das würde die Forschung beschleunigen und die Aussagekraft von Studien erhöhen. Rund um solche Arzneimittel könnte sich hier in der EU doch noch eine neue Entscheidung anbahnen: Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) muss jetzt auf Antrag des Pharmakonzerns Eisei ihre negative Entscheidung über die Zulassung des monoklonalen Antikörpers Lecanemab noch einmal überprüfen.
Ende Juli dieses Jahres hatte das EMA-Expertengremium der EU-Kommission empfohlen, das Medikament, das zu einem Abbau krankhafter Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten führen soll, nicht zuzulassen. Die Nutzen-Risiko-Bewertung für die EU war negativ ausgefallen. In den USA gibt es das Arzneimittel bereits seit 2023 auf dem Markt. Alzheimer-Spezialisten hatten sich zu der EMA-Entscheidung unterschiedlich geäußert. Die Wirkung von Lecanemab dürfte in der Verzögerung der Entwicklung von Morbus Alzheimer relativ gering sein - bei einem gleichzeitig deutlichen Nebenwirkungsrisiko. Solche Beta-Amyloid-Antikörper könnten allerdings die erste ursächliche Therapie gegen die Alzheimer-Demenz darstellen.