Mit KI umgehen und nicht KI umgehen! - Chancen und Herausforderungen von KI im österreichischen Fachhochschulsektor
Gastbeitrag --- Die rasante Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz hat das Potenzial das Bildungssystem grundlegend zu verändern und setzt Universitäten und vor allem (Fach-)Hochschulen unter erheblichen Transformationsdruck. Doch wie damit umgehen? Eine Studie aus dem FH-Bereich gibt darüber Auskunft.
Die drei großen Themen für Fachhochschulen im Kontext von KI
Die dynamische Entwicklung der KI stellt die größte Disruption des Bildungsbereiches seit der Erfindung des Internets dar und fordert die Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in dreierlei Hinsicht heraus:
Erstens ist es der Anspruch von HAW, eine qualitativ hochwertige wissenschaftliche Ausbildung zu bieten, mit entsprechender forschungsgeleiteter Lehre. Mit den neuen KI-Tools eröffnet sich eine bisher ungeahnte Dimension im Mensch-Maschine-Lehr-Lernprozess. Es wird erforderlich, KI-Tools im Lehr-/ Prüfungs- und Forschungsbetrieb zu integrieren und zu reflektieren.
Zweitens haben österreichische HAW die Anforderung, neue Fach- und Führungskräfte für aktuelle und zukünftige Herausforderungen im jeweiligen Berufsbild auszubilden. Hier gilt es, KI-Tools des jeweiligen Berufsbildes zu identifizieren, anzuwenden, kritisch zu reflektieren und, idealerweise, weiterzuentwickeln und zu verbessern.
Drittens haben Hochschulen die Aufgabe, auch im Bereich KI eine Vorreiterrolle einzunehmen, die zukünftigen Entwicklungen zu antizipieren und gesellschaftlich verträglich mitzugestalten, so dass im Zentrum weiterhin der Mensch steht ("Digitaler Humanismus").
Was sind die größten Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten der österreichischen Fachhochschulen im Umgang mit KI?
Eine kürzlich veröffentlichte Erhebung, die der Autor an den 21 österreichischen Fachhochschulen durchführte, zeigt, dass die größte Herausforderung darin besteht, die KI-Kompetenzen der Lehrenden und Forschenden zu steigern. Entsprechend vielfältig sind die Lösungsansätze. Die Palette reicht von passgenauen Fortbildungsprogramme über dynamische Austauschformate und Best Practice Foren bis hin zu einer engeren Verzahnung mit dem Berufsfeld. Dies schlägt sich auch in schnelleren Überarbeitungszyklen der Curricula nieder.
Als zweitgrößte und nachgelagerte Herausforderung wird die Entwicklung der KI-Kompetenzen und Überprüfung der Lernergebnisse bei den Studierenden genannt. Der Problemkomplex "Plagiat" wird durch "Ghostwriting" abgelöst. Das große Thema bei schriftlichen Arbeiten ist nun, wie die Eigenständigkeit der Leistung gewahrt und überprüft werden kann. Als Lösungsansätze werden vorgeschlagen: stärkere Gewichtung des Entstehungs- und Reflexionsprozesses von schriftlichen Abschlussarbeiten, und eine deutlich praxisorientiertere und individualisiertere Aufgabenstellung bei schriftlichen Arbeiten. Eine Renaissance von mündlichen Prüfungen und eine stärkere mündliche kritischen Reflexion in der hochschulischen Ausbildung ist zu erwarten.
Als drittgrößte Herausforderung werden die rechtlichen und ethischen Aspekte gesehen. Alle untersuchten Hochschulen haben entsprechende Richtlinien verabschiedet, die kontinuierlich angepasst werden müssen. Ethische Aspekte betreffen u.a. die Bias- und Stereotyp-Problematik, die sich aus den KI-generierten Produkten ergeben sowie die Frage, wie gleiche Studienbedingungen mit KI für alle Studierenden geschaffen werden können, da die meisten Tools neben einer kostenlosen auch eine kostenpflichtige Version anbieten. Es zeichnet sich ab, dass KI gekommen ist, um zu bleiben und die meisten Fachhochschulen permanente und interdisziplinäre Arbeitsgruppen installiert haben, die diese Fragen lösen sollen. Optimalerweise werden KI-Tools identifiziert, die FH-weit eingesetzt werden können, wobei diese Liste nicht endgültig sein kann, sondern regelmäßig überprüft und angepasst werden muss. Ein erheblicher Aufwand für alle Beteiligten, aber unverzichtbar. Das Motto lautet: Mit KI umgehen und nicht die KI umgehen.
Zur Person:
Andreas Breinbauer ist Rektor der Fachhochschule des BFI Wien und leitet hier auch den Masterstudiengang "Logistik und Strategisches Management". Außerdem ist er Vizepräsident der Österreichischen Fachhochschulkonferenz (FHK), in deren Rahmen er auch den Ausschuss Lehre leitet, in dem die zitierte Studie entstanden ist. Neben den Forschungsschwerpunkten Hochschullehre, Hochschuldidaktik und Hochschulmanagement beschäftigt er sich mit Supply Chain Management, Logistik und Transportwirtschaft, Transport, Infrastruktur, Investitionsbedingungen und Standortforschung mit Schwerpunkt Emerging Market Economies. Seit 2014 forscht er (ausgehend zunächst vom Infrastrukturbereich) zu den verschiedenen Dimensionen, Aspekten und Auswirkungen der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI).
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.