Deutschförderklassen - Studie ortet Weiterentwicklungsbedarf
Eine Evaluierungsstudie zu den Deutschförderklassen ortet erheblichen Weiterentwicklungsbedarf. Bei einer Befragung von 700 Lehrkräften und Schulleitern wünschten sich diese etwa, dass die Entscheidung über die Art der Deutsch-Förderung bei den Schulen liegen sollte. Außerdem verlangten sie eine Überarbeitung des Einstufungstests MIKA-D, so Studienautorin Christiane Spiel zur APA. Im Bildungsministerium will man an den Deutschklassen festhalten und kündigte mehr Mittel an.
Die unter Schwarz-Blau eingeführten Deutschförderklassen gibt es seit dem Schuljahr 2018/19. Dabei werden Schülerinnen und Schüler, die die Unterrichtssprache nicht gut genug beherrschen und deshalb als außerordentliche Schüler (a.o.) eingestuft werden, bis zu 20 Stunden pro Woche in eigenen Klassen in Deutsch gefördert. Nur Fächer wie Werken, Musik oder Turnen verbringen sie gemeinsam mit ihrer Stammklasse. Separate Klassen werden allerdings erst ab acht Schülern pro Standort eingerichtet, außerdem sind die Deutschförderklassen nur für Kinder der ersten Schulstufe bzw. gerade in Österreich angekommene Quereinsteiger vorgesehen.
Die maximale Besuchsdauer einer Deutschförderklasse liegt bei vier Semestern. Je nach Ergebnis des MIKA-D können Schüler bei einem entsprechenden Ergebnis als ordentliche Schüler in einer reguläre Klasse wechseln, als außerordentliche Schüler in einen parallel zum Regelunterricht stattfindenden, weniger umfangreichen Deutschförderkurs übertreten oder bis zur Höchstdauer in einer Deutschklasse verbleiben.
Teile der Ergebnisse wurden am Montag von der "Krone" veröffentlicht - sehr zur Verwunderung Spiels. Der Bericht zur Implementierung des Deutschfördermodells liege seit Oktober im Bildungsministerium, aus dem dreiköpfigen Forscherinnen-Team seien jedenfalls vor der geplanten Präsentation keine Daten weitergegeben worden.
"Extremgruppenvergleich"
Basis der Studie war ein sogenannter "Extremgruppenvergleich", so Spiel. Dabei wurden Schulen, in denen Kinder sehr schnell in den ordentlichen Status wechseln konnten, mit jenen verglichen, in denen dies nicht der Fall war. Anschließend wurde geschaut, ob dies in unterschiedlicher Ausstattung oder ähnlichem begründet war.
Zentrales Ergebnis laut Spiel: Beide Gruppen unterschieden sich kaum, die Antworten der Schulleiter und Lehrkräfte waren ähnlich. So sprachen sich etwa praktisch alle dafür aus, dass die Deutschförderung nicht schon nach vier Semestern enden darf. Außerdem wurden durchgehend integrative Fördermodelle besser bewertet als die Deutschförderklassen. Der MIKA-D selbst wurde laut Spiel als mittelmäßig wahrgenommen - er sei nicht ideal, "manche haben sogar gesagt, er ist unbrauchbar".
Die Ergebnisse des MIKA-D würden auch "nicht rosig" aussehen, meinte Spiel. Laut der Befragung der Lehrkräfte und Direktoren erreichten 21 bis 55 Prozent der Schüler die sprachbezogenen Ziele nicht. Daher habe es einen starken Wunsch nach Weiterentwicklung des Tests gegeben. Außerdem wünschten sie sich mehr Flexibilität: Die Entscheidung über die Art der Deutschförderung solle bei der Schule liegen. Außerdem sprach man sich für eine Flexibilisierung aus: Für die Entscheidung über den Wechsel in den ordentlichen Status solle nicht nur der MIKA-D entscheiden, sondern auch die Einschätzung der jeweiligen Lehrkraft, die Deutsch als Zweitsprache unterrichtet.
Generell sollten außerdem nur jene Personen in Deutschklassen unterrichten, die über eine Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache verfügen, schilderte Spiel ein weiteres Befragungsergebnis. Weiters sollte auch nach dem Wechsel in den ordentlichen Status bei Bedarf eine individuelle Förderung erfolgen.
Polaschek hält am System fest
Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) kündigte in einer Aussendung trotzdem ein Festhalten am System an: "Das sichere Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration und damit die Chancenvielfalt für Menschen mit Migrationshintergrund! - um die so rasch wie möglich zu gewährleisten, bleiben die Deutschförderklassen das beste Mittel!" Angesichts der größten Asyl-Welle der Zweiten Republik und der Integration von bisher fast 13.000 Kindern aus der Ukraine sei das System am Rand seiner Kapazitäten. "Wir stellen daher zusätzliche vier Stunden pro Deutschförderklasse an Förderung zur Verfügung." Dafür werden zehn Mio. Euro aufgewendet. Derzeit gibt es knapp 1.400 Deutschklassen.
Die Studie berücksichtige die aktuelle Situation nicht, schränkte man im Ministerium deren Aussagekraft ein. Außerdem gebe es seit diesem Schuljahr eine spezielle Deutschförderung für Schülerinnen und Schüler auch nach dem Übertritt in die Regelschulklasse. Bei der Studie waren Lehrpersonen ganz grundsätzlich zu dem umstrittenen Deutschfördermodell in separaten Klassen befragt worden, die Datenerhebung hat im April/Mai 2022 stattgefunden.
SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz ist von den Ergebnissen nicht überrascht: "Die Deutschklassen waren immer schon eine schlechte Idee und sind nun hochoffiziell gescheitert", hieß es in einer Aussendung. Auch der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) forderte, dass Polaschek "die Reißleine ziehen und das türkis-blaue 'Prestigeprojekt' beenden muss." Deutschförderung in der Schule sei extrem wichtig. "Wir müssen aber die geeigneten, kindgerechten Maßnahmen dafür einsetzen und nicht aus reiner Parteitaktik an einem Projekt festhalten, das nicht funktioniert." Auch die Arbeiterkammer forderte ein Umdenken - die Evaluierungsergebnisse würden den Resultaten anderer Untersuchungen der vergangenen Jahre entsprechen. Der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer hält es für sinnvoll, die Schulen mehr mitreden zu lassen - und nicht ein fixes Modell für alle zu verfügen. Es gebe bereits Gespräche über mehr Autonomie für die Schulen, zeigte sich Himmer in der "ZiB2" zuversichtlich, dass gemeinsam mit dem Bildungsministerium eine gute Lösungen gelingen werde.
Die FPÖ plädiert dagegen für ein Festhalten am Modell: "Wer für Integration ist, kann nicht gegen Deutschförderklassen sein", so der blaue Wiener Bildungssprecher Maximilian Krauss.