Österreichischer Biodiversitätsrat präsentiert Ergebnisse der Parteienumfrage zum Schutz unserer Lebensgrundlage
Sechs Tage vor der Nationalratswahl präsentiert der Österreichische Biodiversitätsrat die Ergebnisse seiner Umfrage unter den im Nationalrat vertretenen Parteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Die Grünen, NEOS) zu ihren Positionen und geplanten Maßnahmen zum Schutz und der Wiederherstellung der Artenvielfalt und ihrer Lebensräume.
Elf Fragen für einen Stopp der Biodiversitätskrise
Vier der fünf im Nationalrat vertretenen Parteien haben ihre Antworten auf 11 konkrete Fragen mitgeteilt. Die ÖVP reagierte trotz mehrfacher Nachfrage nicht. „Österreich hat sich in der Nationalen Biodiversitätsstrategie und weiteren internationalen Vereinbarungen verpflichtet, den Verlust der Artenvielfalt bis 2030 zu stoppen. Dafür muss die neue Bundesregierung rasch und umfassend Akzente zum Schutz der Natur in Österreich setzen“, erläutert Franz Essl von der Universität Wien und Mitglied im Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates die Hintergründe zur Umfrage. „Der Fragenkatalog greift ein breites Spektrum an – aus fachlicher Sicht – wichtigen Maßnahmen auf, die in Österreich rasch umzusetzen wären, um den Schutz der Artenvielfalt und damit unserer Lebensgrundlagen auch rasch zu erreichen“, ergänzt Andreas Tribsch von der Universität Salzburg und ebenfalls Mitglied im Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates. „Die Integration von Biodiversitätsbelangen in alle politischen Handlungsfelder, die Sicherung einer ausreichenden Finanzierung der nationalen Biodiversitätsstrategie und der Aufbau eines Biodiversitätsforschungsprogramms wären beispielsweise besonders wichtige Maßnahmen“, führt Andreas Tribsch weiter aus.
Die Positionen der Parteien und eine fachliche Einordnung
Die SPÖ hat zu fast allen Fragen umfangreiche Antworten gegeben und zahlreiche konkrete Vorhaben angeführt. Besonders hervorzuheben ist ein geplanter Biodiversitätscheck für neue Gesetze und das Bekenntnis zur raschen Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung, sowie die Budgetierung einer Biodiversitätsmilliarde. Eine ablehnende Position nimmt die SPÖ zum Beschluss eines Bundesrahmennaturschutzgesetzes ein. Hier verweist sie auf einen Bund-Länder Dialog.
Die FPÖ beantwortet nur wenige Fragen substanziell und setzt eher auf ein „Weiter wie bisher. Die Partei erkennt aber die Bedeutung eines verstärkten Umwelt- und Naturschutzes an und will dafür auch konkrete Maßnahmen setzen. Sie unterstützt beispielsweise die Einrichtung eines nationalen Zentrums für Biodiversitätsdokumentation und steht der Einführung einer Biodiversitätsmilliarde tendenziell positiv gegenüber. Die Mehrzahl der Fragen beantwortet die FPÖ dennoch vage. Sie lehnt die bereits beschlossene und aus wissenschaftlicher Sicht ausgesprochen wichtige EU-Renaturierungsverordnung weiterhin ab. Bei anderen Fragen verweist die FPÖ auf die Zuständigkeit der Bundesländer und strebt keine stärkere Rolle der Bundesebene an.
DIE GRÜNEN lassen in ihren umfassenden Antworten das deutlichste und umfassendste Bekenntnis zu einer starken Biodiversitätspolitik erkennen. Sie haben alle Fragen umfangreich und substanziell beantwortet und viele wirksame Maßnahmen ausgearbeitet. Besonders hervorzuheben ist ihr klares Bekenntnis zur Einführung einer Biodiversitätsmilliarde, zahlreiche weitere konkrete Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt, sowie ein Biodiversitätsforschungsprogramm. Die Pläne für die Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung sind bei den Grünen umfangreich und konkret skizziert.
Die Antworten der NEOS zeigen, dass sie in vielen Bereichen die Notwendigkeit einer ambitionierten Biodiversitätspolitik anerkennen: Fast alle Fragen wurden umfangreich beantwortet, viele Maßnahmen wurden genannt. Besonders hervorzuheben ist, dass die NEOS eine stärkere Rolle des Bundes in der Biodiversitätspolitik befürworten, etwa bei der Umsetzung internationaler Übereinkommen und durch ein Bundesrahmennaturschutzgesetz. Kritisch sehen die NEOS die Einführung einer Biodiversitätsmilliarde und die Frage der Beibehaltung eines Klima- und Umweltministeriums wird offengelassen, verstärkte Forschung wird auch als sehr wichtig gesehen.
Die Kanzlerpartei ÖVP hat die Umfrage des Biodiversitätsrates nicht beantwortet. Sie gewährt damit leider keine Einsicht auf ihre Ideen, Lösungswege und Absichten im Umgang mit der europäischen und globalen Biodiversitätskrise – also mit unseren Lebensgrundlagen. Zur Einschätzung der Positionen der ÖVP verweist der Biodiversitätsrat daher auf die bisherige Naturschutz- und Biodiversitätspolitik der Partei und ihr aktuelles Wahlprogramm.
Fazit
Jene vier Parteien, die auf die Umfrage geantwortet haben, lassen einerseits ein Bewusstsein für den Schutz von Artenvielfalt und Lebensräumen erkennen, andererseits ist das konkrete Engagement zum Schutz der Biodiversität der Parteien sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Während einzelne Antworten sogar einen Rückschritt befürchten lassen (Bsp. die Ablehnung der bereits beschlossenen EU-Renaturierungsverordnung durch die FPÖ), würde die Umsetzung mancher anderen Positionen und Ideen (Bsp. das deutliche Bekenntnis zur Biodiversitätsmilliarde durch Grüne und SPÖ) große Schritte in Richtung der Sicherung von Biodiversität und Lebensgrundlagen bedeuten. Ohne Antworten der ÖVP kann ein Vergleich zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forderungen nicht hergestellt werden. Wie die ÖVP den Bereich Biodiversität in Zukunft bearbeiten möchte, bleibt offen.
Aus Sicht des Österreichischen Biodiversitätsrates ist es entscheidend, dass Biodiversität im Programm der neuen Bundesregierung höchste Priorität erhalten muss. Nur auf diese Weise lässt sich die Artenvielfalt und damit der Schutz der Lebensgrundlagen in Österreich sichern.
Downloads:
Rückfragehinweis: Assoz.-Prof. Dr. Franz Essl, Universität Wien franz.essl@univie.ac.at, 0676 6091638 Assoz.-Prof. Dr. Andreas Tribsch, Universität Salzburg andreas.tribsch@plus.ac.at, 0699 81121344