Erste Erklärungstafeln für Grazer Straßennamen werden montiert
In Graz sollen in den kommenden Jahren alle rund 750 personenbezogenen Straßen- und Platznamen Erklärungstafeln erhalten. Die erste montierte Tafel bezieht sich auf die steirische Widerstandskämpferin Maria Cäsar. In diesem Jahr sollen noch an die 90 weitere folgen - darunter auch jene, die Namen von historisch bedenklichen Personen tragen.
Maria Cäsar (1920 - 2017) wurde vielfach für ihre Leistungen im Kampf für ein demokratisches Österreich ausgezeichnet. Nach der steirischen Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime und KPÖ-Aktivistin, die bis ins hohe Alter als Zeitzeugin versuchte, junge Menschen für die Gefahren des Rechtsextremismus zu sensibilisieren, wurde ein Park im Grazer Bezirk Liebenau benannt. Dort fand die Montage der ersten der insgesamt 741 Zusatztafeln statt.
"Es ist wichtig und richtig, dass der mutige Einsatz von Maria Cäsar gegen die Gräueltaten des NS-Regimes nun auch im öffentlichen Raum gewürdigt wird", betonte zu diesem Anlass Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP). Mit den zusätzlichen Informationen schaffe die Stadt Graz "ein Stück Geschichte im öffentlichen Raum und alle können erkennen, welche historischen Persönlichkeiten durch die jeweilige Straßenbenennung geehrt werden".
Das wird auch für jene mehr als 80 Persönlichkeiten gelten, deren Handeln für die Steiermark heute weniger als vorbildhaft, denn als "bedenklich" und "schwer bedenklich" eingestuft wird, nach denen im Laufe der Zeit aber dennoch Straßen oder Plätze im Stadtgebiet benannt wurden. Gustinus Ambrosi (1893-1975) beispielsweise: "Ambrosi schuf als einer der bedeutendsten, international anerkannten Künstler seiner Zeit rund 2.500 Monumentalplastiken und Büsten. Er war für alle politischen Systeme tätig. In der NS-Zeit erhielt er Großaufträge, obwohl ihm die NSDAP wegen seiner Rolle im autoritären Ständestaat die Aufnahme verwehrte. 1945 führte er sein Schaffen erfolgreich fort", wird das Leben des Künstlern nun auf der Hinweistafel umrissen. Sie wird noch im Laufe des Februars im Bezirk St. Peter die ursprüngliche Straßennamentafel ergänzen.
Im Grazer Bezirk Ries wird so mancher Passant erstmals erfahren, dass es sich bei Karl Hanisch (1895-1945) nicht nur um einen Mediziner handelte, der sich Verdienste als Gutachter des Versorgungsamtes Graz erwarb, sondern dass der Gemeindearzt 1941 als Unterstützer der NS-Bewegung in die NSDAP eintrat. Manch anderer wird sich wundern, aus welchem Grund der in Kärnten geborene Jurist Arthur Lemisch (1865-1953), der über mehrere Jahre bis 1906 für die Deutsche Volkspartei im Reichsrat saß und als überzeugter Deutschnationaler Kärnten als Landesverweser und später (1927-1931) als Landeshauptmann führte, überhaupt in Graz-Straßgang im Form eines Straßennamens verewigt wurde.
Texte von LBI und Uni Graz
Die Texte für die Infotafeln wurden von der Universität Graz gemeinsam mit dem Ludwig Bolzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung erstellt. Sie wurden von der ExpertInnenkommission Straßennamen (EKSN) überprüft und freigegeben. "Straßennamen sind ein wichtiges Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Als materieller Gedächtnisspeicher verweisen sie auf die Zeit ihrer Verleihung und zugleich auf den sich bis heute veränderten historischen Kontext. Beides wird durch die Zusatztafeln beleuchtet und sichtbar gemacht", erklärte Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Bolzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung anlässlich der Präsentation der ersten Tafeln. Bei der Auswahl der ersten Tafeln habe man bewusst ein "Potpourri aus bedenklichen und nicht bedenklichen Namensgebern" gewählt, sagte Stelz-Marx auf Anfrage zur APA.
Im Februar werden die ersten zwölf Zusatztafeln aufgestellt: 90 Infoschilder pro Jahr sind geplant, bis 2028 soll das Projekt abgeschlossen sein. Farblich setzt man - egal ob bedenklich oder nicht - auf Einheitlichkeit: Weiß auf Grün bzw. Schwarz auf Weiß mit rotem Rand in der Welterbezone. "Mir ist es wichtig, dass wir mit unserer Geschichte verantwortungsvoll umgehen und nicht versuchen, diese auszulöschen. Als Stadt Graz erfüllen wir mit den Zusatztafeln einen wichtigen Bildungsauftrag", erklärte Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio (FPÖ).
Der Zusatztafel-Initiative war eine lange Diskussion über diskutable Straßennamen vorausgegangen, bis letztlich eine 14-köpfige Expertenkommission die Straßenbezeichnungen in Graz untersuchte. 2017 kam sie zum Schluss, dass von den 1.630 Grazer Verkehrsflächen 82 die Namen von historisch bedenklichen Personen tragen, wovon 20 Personen als höchst bedenklich eingestuft werden. Der Bericht der Kommission wurde im März 2018 veröffentlicht, enthielt aber keine Handlungsempfehlungen.
Service: Informationen zum Grazer Straßennamen-Maßnahmenkatalog unter https://www.graz.at/cms/ziel/10900919/DE