Vision für Zukunft der europäischen astronomischen Forschung veröffentlicht
Rund 100 in Europa tätige Astronomen und Astronominnen, darunter auch eine Handvoll aus Österreich, haben in einer am Mittwoch veröffentlichten Roadmap ihre Vision für die europäische Astronomie bis 2035 dargelegt. Das von Astronet, einem europäischen Netzwerk von Institutionen, herausgegebene Papier umfasst Empfehlungen für die Forschungsförderung und -politik, um das Fortkommen bei den großen astronomischen Fragen unserer Zeit zu sichern.
Besonders attraktive Forschungsgebiete sieht der Wiener Astronom Bodo Ziegler rund um das Aufspüren von Exoplaneten und die Frage nach weiterem Leben und Zivilisation im All. Neuere Infrastruktur, wie im Papier empfohlen, "könnte neue Erkenntnisse liefern - bis hin zur potenziellen Entdeckung von Atmosphären bei Exoplaneten, als Indiz für biologisches Leben - Leben, wie wir es verstehen", sagte der Forscher gegenüber APA-Science. Ziegler hat mit Kollegen vom Institut für Astrophysik der Universität Wien an dem Bericht mitgeschrieben.
Empfehlungen zu Themen und Infrastrukturen
Auch die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien nach dem Urknall bietet noch Anlass für Forschung, "besonders im Hinblick auf die Schwarzen Löcher, die im Zentrum der Galaxien angesiedelt sind - sie sind die letzten großen und bisweilen noch unbekannten Glieder in der Kette, wie wir uns die Sternen- und Galaxienentstehung vorstellen", so Ziegler, der selbst im Bereich der Galaxienentstehung und -entwicklung arbeitet.
An dem im Bau befindlichen optischen Teleskop "Extremely Large Telescope" (ELT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) sind in Österreich tätige Forscher an drei Messinstrumenten beteiligt. Ursprünglich sollte es 2027 in Betrieb gehen, doch laut dem Forscher habe sich dieser Termin bereits um einige Jahre verzögert. Diese Großgeräte würden aber immer für bestimmte Fragestellungen konzipiert und müssten sich damit auch anhand neuer Fragestellungen weiterentwickeln.
Die vorherige "Astronet Science Vision and Infrastructure Roadmap", die 2007 erschien und zuletzt 2015 überarbeitet wurde, enthielt Empfehlungen, die in Vorschläge für wissenschaftliche Infrastrukturen wie das ELT und das Square Kilometre Array Observatory (SKAO) einflossen.
Hoffnungsschimmer für mehr Teleskopzeit
Die Nutzung von Teleskopen wie etwa auch dem "James Webb"-Weltraumteleskop ist für die heimischen Forscher eher herausfordernd: "Durch die geringen budgetären Anteile und Beteiligungen an den internationalen Großinfrastrukturen müssen wir jedes halbe Jahr Anträge auf Teleskopzeit stellen und davon wird durchschnittlich nur maximal zehn Prozent genehmigt. Nur wenige österreichische Forscher sind an Projekten beteiligt, die garantierte Beobachtungszeit bekommen." Die österreichische Beteiligung am ELT ist ein Hoffnungsschimmer, dass sich die Situation künftig etwas bessert.
Bei der Formulierung seiner Empfehlungen berücksichtigt der Bericht die kürzlich veröffentlichten Visionen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), der US-Raumfahrtbehörde NASA und von Beratungsgremien wie dem Konsortium für Teilchenastrophysik. Die Bemühungen von Astronet seien umfassender, meint der Forscher, der über seine Anbindung an die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auch offizieller Repräsentant Österreichs im Netzwerk ist.
Das Strategiepapier Astronets unternehme den Versuch, nicht nur Teilbereiche zu repräsentieren. Der 24-seitige Bericht gibt Empfehlungen zu den Bereichen Computing und Datenmanagement, erdgebundene Einrichtungen, neue Einrichtungen und Upgrades für bestehende Einrichtungen, weltraumgebundene Einrichtungen sowie die laborgebundene Forschung ab. Auch die Nachhaltigkeit, Aspekte von Gleichheit und Ethik, sowie das Training von Nachwuchskräften und die Wissenschaftsvermittlung sind Teil des Berichtes. Die in dem Papier formulierten Ziele sollen dabei vor allem den europäischen und nationalen Förderagenturen Orientierungshilfe bieten.
Orientierungshilfe für Förderagenturen
Ziegler verweist auf ein Großvorhaben in Deutschland: In der Region Lausitz ist die Errichtung des Deutschen Zentrums für Astrophysik und damit ein "astrophysikalisches Zentrum für Forschung, Technologie und Digitalisierung mit internationaler Strahlkraft" geplant, es steht am Beginn einer dreijährigen Aufbauphase. Nach der Aufbauphase ist in der Endausbaustufe eine jährliche Förderung von rund 170 Mio Euro vorgesehen, im Zentrum selbst werden mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigt sein, teilten die Initiatoren im September mit. "Dieses Projekt wurde bereits in der vorherigen Roadmap von Astronet mitgedacht", so Ziegler über die potenziell unterstützende Wirkkraft der formulierten Visionen.
Astronet war bis 2015 ein ERA-NET, ein von der Europäischen Union über das Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020" finanziertes Projekt, und ist heute eine sich selbst tragende Gruppe von Förderorganisationen und assoziierten Einrichtungen. Das Netzwerk umfasst acht Mitgliedsorganisationen, darunter die ESO, sowie zwölf Institutionen mit Beobachterstatus, darunter seit kurzem die ÖAW.
Service: https://www.astronet-eu.org/ - Bericht: http://go.apa.at/tHFiKqyP