Grenzen überwinden
Gastbeitrag --- Der Freiheit von Forschung und Lehre verpflichtet, setzen wir uns permanent mit sozialen, politischen und technologischen Herausforderungen auseinander. Wir nehmen unsere individuelle, institutionelle und gesellschaftliche Verantwortung wahr. Nicht zuletzt deshalb danke ich Ihnen für die Einladung, meine Gedanken und wichtigsten drei Themen zur künftigen Gestaltung der europäischen Rahmenbedingungen für Wissenschaft, Forschung und Bildung anlässlich der bevorstehenden EU-Wahl mit APA Science zu teilen.
1. Stärkung des europäischen Selbstbewusstseins in Wissenschaft und Forschung
Analog zum "Green Deal" braucht es einen "Science Deal", mit dem sich Europa selbstbewusst dem weltweiten Wettbewerb stellt. Europa ist der Forschungsstandort Nummer Eins und darf sich nicht in Micromanagement verlieren. Bürokratischer Aufwand muss reduziert werden. Förderprogramme müssen effizienter gestaltet und europäische Forschungsnetzwerke mit gezielten Investitionen gestärkt werden. Europa sollte für seine Forschungserfolge und Innovationen weltweit offensiv werben. Eine starke globale Präsenz ist notwendig, um Talente und Investitionen anzuziehen und sich im internationalen Wettbewerb und im Spannungsfeld zwischen Russland, China und den USA künftig zu behaupten.
2. Langfristige Absicherung der Universitäten in Österreich
Die Universitäten sind das Herzstück der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in unserem Land. Um diese Rolle dauerhaft zu sichern, müssen langfristige Finanzierungszusagen für Hochschulen sowie Investitionen in moderne Infrastruktur und neue, smarte Technologien gesichert werden. Forschung und Lehre müssen unabhängig bleiben und nicht den Schwankungen der Politik unterliegen. Dafür braucht es eine gesetzliche Verankerung und langfristig gut dotierte Finanzierungsprogramme. Eine stabile Finanzierung, die über zumindest eine Legislaturperiode hinausgeht, gewährleistet Planungssicherheit für nachhaltige Entwicklungsstrategien, internationale Spitzenforschung und attraktive Studienbedingungen.
3. Bildungsabschluss für jedes Kind
Wir dürfen im Interesse der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung niemanden zurücklassen. Jeder junge Mensch muss die Chance auf einen Bildungsabschluss bekommen. Schulen sollten über die Ressourcen verfügen, um individuelle Bildungswege zu unterstützen und jedem Kind den optimalen Abschluss zu ermöglichen. Frühe Förderung und Chancengleichheit sollten Selbstverständlichkeit sein, ebenso wie das Konzept des lebenslangen Lernens gut verankert im gesamten Bildungssystem.
An einer Universität arbeiten viele engagierte Persönlichkeiten mit individuellen Ideen und wissenschaftlichen Fragestellungen. "Grenzen überwinden zu wollen" - mental, geographisch, sozial, ideologisch, technologisch oder historisch bedingt - ist dabei ein gemeinsamer Nenner an der Universität Graz. Das gilt auch für Europa!
Zur Person:
Peter Riedler, 1969 in Graz geboren, promovierte im Bereich Völkerrecht und Europarecht an der Universität Graz. Seine beruflichen Stationen führten ihn unter anderem ins Europäische Parlament in Brüssel, in die Steiermärkische Landesregierung, 2002 ins Bundeskanzleramt, mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Forschung, sowie 2007 als Director of Public Affairs zur AVL List GmbH in Graz. 2011 wurde Riedler Vizerektor, im Dezember 2021 geschäftsführender Rektor. Seit Oktober 2022 ist er gewählter Rektor der Universität Graz.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.