Erfinderpreis - Robert Grass: "DNA-Lesen und -Schreiben wird Alltag"
Der 41-jährige Chemieingenieur Robert Grass von der ETH Zürich ist für den Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert. Er hat mit seinem Kollegen Wendelin Stark eine Methode entwickelt, Daten in DNA-Form zu speichern und in Glas zu versiegeln. Die APA sprach mit dem Bregenzer über die Vorteile der Datenspeicherung auf DNA sowie Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie und fragte ihn, warum er keine Karriere in Österreich gemacht hat und wie er zum Seriengründer wurde.
Frage: Warum eignet sich DNA so gut als Informationsspeicher?
Robert Grass: Der eine Vorteil ist die große Datenkapazität. In einem Gramm DNA kann man theoretisch bis zu 200 Exabyte Daten speichern. Wenn man bedenkt, wie groß die Datenspeicher derzeit sind, könnte das den Platzbedarf und auch deren Energieverbrauch stark reduzieren. Zudem ist DNA sehr lange haltbar, wenn sie entsprechend geschützt wird - etwa in Hunderttausende Jahre alten Knochen. Es gibt noch weitere Vorteile, etwa dass sich Information kopieren und verteilen lässt, um sie etwa in Produkte einzubringen. Das lässt sich mit traditionellen Datenträgern nicht machen.
Ihr Vorbild war die Natur, also etwa Knochen, zum Schutz der DNA. Sie versiegeln ihre synthetische DNA in Glas - warum?
Grass: Wir haben mit Knochen, also Kalziumphosphaten gearbeitet, aber uns aus zwei Gründen für ein anderes Material entschieden, nämlich Glas. Einerseits weil es extrem hohe chemische Stabilität hat - wir Chemiker lagern alle unsere Chemikalien in Glas, weil es so beständig ist. Andererseits lässt es sich relativ einfach auf einer nanotechnologischen Ebene bilden. Wir können Glas Molekül für Molekül aufbauen, das kann man nicht mit allen Werkstoffen. Das heißt, wir nehmen DNA und lassen in wässriger Lösung aus Vorläufersubstanzen rundherum Glas wachsen. Diese Glashülle ist, wie wir gezeigt haben, dann dicht und die DNA etwa vor Sauerstoff oder Wasser geschützt.
Ein von Ihnen mitgegründetes Unternehmen wendet diese Methode bereits kommerziell an, etwa als digitale Signatur. In welchen Bereichen konkret passiert das?
Grass: Die erste Anwendung war in Smaragden, die schon in der Mine mit der in Glas verpackten DNA wie mit einem Barcode markiert werden. Damit ist klar, aus welcher Mine der betreffende Edelstein kommt. Derzeit steckt das Unternehmen relativ viel Arbeit in den Nachweis von Fairtrade- oder Bio-Baumwolle, sodass man damit den Weg von Textilien vom Feld bis zum T-Shirt nachverfolgen kann. Seit kurzem wird das auch bei Gold so eingesetzt, wo man mit dieser Technologie ebenfalls die Herkunft nachweisen kann, etwa für Fairtrade-Gold. Zudem gibt es großes Interesse im Lebensmittelbereich. Da ist das Unternehmen gerade dabei, die Auflagen zum Nachweis der Sicherheit dieser Informationsträger und der Herstellungsverfahren, die erfüllt werden müssen, zu durchlaufen, um eine Zulassung zu bekommen.
Wie ist Ihre Vision für diese Technologie?
Grass: Unsere Vision ist, dass wir zukünftig eine Welt haben, in der das Lesen und Schreiben von DNA viel alltäglicher ist. Beim Lesen sehen wir das schon, etwa mit DNA-Lesegeräten, die nicht viel größer sind als ein USB-Stick. Die sind derzeit noch sehr nach medizinischen Ansprüchen ausgerichtet, aber wir glauben, dass sich damit Eigenschaften von und Information zu den verschiedensten Produkten auslesen lassen. So könnte man beispielsweise Produkte herstellen, die ihre Bedienungsanleitung in DNA-Form gespeichert in sich enthalten und immer in Verbindung damit sind.
Wie weit in der Zukunft sind solche Visionen?
Grass: Das kommt nach und nach. Jetzt haben wir die Barcodes in ersten, noch sehr teuren Luxusprodukten. Aber das wird sich nach und nach verbreiten und immer mehr in unseren Alltag hinein kommen, auch wenn das sicherlich noch Jahre dauert.
War für Sie eine wissenschaftliche Karriere in Österreich nie erstrebenswert oder kam das nie infrage, weil sie so mit der ETH Zürich verbunden sind?
Grass: Beides irgendwie. Eine akademische Karriere hat auch viel mit Glück zu tun, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist - und das war bei mir so an der ETH. Ich habe mich vor ein paar Jahren auch um eine Professur für Technische Chemie an einer österreichischen Universität beworben. Da hat man mir freundlich zurück geschrieben, dass das ein sehr schönes Profil, ich aber einfach zu jung sei. Das ist etwas typisch Österreichisches, wo man dem Titel eine gewisse Seniorität mitgeben möchte, während das im US- oder auch im Schweizerischen Hochschulsystem genau in die andere Richtung geht. Da versucht man, möglichst jungen Wissenschaftern Selbstständigkeit zu ermöglichen.
Sie haben bereits im Jahr ihrer Promotion ein Spin-Off gegründet und waren mittlerweile an der Gründung von drei Unternehmen beteiligt. Wie kam es dazu?
Grass: Das hat einerseits mit dem direkten Umfeld zu tun. So war mein Doktorvater (Wendelin Stark, mit dem Grass gemeinsam für den Europäischen Erfinderpreis nominiert ist, Anm.) auch sehr kommerziell getrieben. Und dann hat die Schweiz sehr viel Geld für die Ausbildung in Entrepreneurship ausgegeben, einem Crashkurs in Unternehmertum für Hochschulabgänger. Das hat sicher den Einstieg vereinfacht. Man hat da gesehen, was man braucht, und auch ein Netzwerk bekommen, mit anderen, die in einem ähnlichen Stadium sind und ähnliche Probleme haben.
Das Gespräch führte Christian Müller/APA
Service: Erfinderpreis: www.inventoraward.org; Homepage Robert Grass: https://fml.ethz.ch/people/lecturer.html)