Gewinner Innovationpreis Steiermark 2022 - acib und Econutri verwandeln CO2 in hochwertiges Protein
Der weltweite CO2-Ausstoß steigt kontinuierlich an. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und mit ihr die Lebensmittelproduktion. Insbesondere der Bedarf an hochwertigen Proteinen wird sich bis zum Jahr 2050 fast verdoppeln. Alternative, nachhaltige Quellen für die Proteinproduktion sind daher gefragt. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und das Start-up Econutri verwandeln mithilfe eines besonderen Mikroorganismus namens Cupriavidus necator das schädliche Treibhausgas CO2 in hochwertiges Protein.
Der Prozess belastet weder Meere noch Landflächen und beugt als alternative Futter- und Nahrungsmittelquelle damit einer Überfischung der Meere und dem "Klimakiller Massentierhaltung" vor. Eine entsprechende Pilotanlage ist derzeit im Bau. Geplante Großanlagen, gekoppelt an Industrieanlagen wie z.B. Zementwerke, haben das Potenzial, CO2 aus Abgasen zu verwenden, um daraus Proteine für die Futtermittelindustrie aber auch menschliche Ernährung herzustellen. Ein weiterer Anwendungsfall könnte die Produktion von umweltfreundlichem Bioplastik sein. Die Technologie wurde heute mit dem Innovationspreis Steiermark 2022 der SFG ausgezeichnet.
Prognosen zufolge wird sich der Proteinbedarf bis zum Jahr 2050 fast verdoppeln. Das stellt die globale Agrarindustrie vor zahlreiche Herausforderungen: Einerseits müssen genügend Futter- und Lebensmittel produziert und diese Produktion andererseits so ressourcen- und klimaschonend wie möglich gestaltet werden. Denn: Neben Energie- und Transportsektor sowie Industrie liegt die Landwirtschaft als CO2-Hauptverursacher auf dem dritten Platz. Auch die Versorgungssicherheit von z.B. Protein ist vielerorts - insbesondere in Entwicklungsländern sowie Konfliktgebieten - nicht flächendeckend gewährleistet.
Eine weitere Herausforderung: Protein wird nicht nur für die menschliche Ernährung, sondern in großen Mengen auch in der Tierzucht verwendet - und fehlt wiederum der Nahrungsmittelindustrie. Derzeit hauptsächlich genutzte Quellen für die Tierernährung sind Fischmehl oder proteinreiche Pflanzenprodukte wie Soja. Der steigende Bedarf an Agrarflächen für die Produktion pflanzlicher Proteine bedingt die Vernichtung von Urwaldflächen. Ein wichtiger CO2-Speicher geht dadurch verloren und der Klimawandel wird weiter vorangetrieben. Dem nicht genug, ist die Gewinnung von Fischmehl hinsichtlich der bereits überfischten Ozeane äußerst strittig: Die biologische Vielfalt und in weiterer Folge Widerstandskraft der empfindlichen maritimen Ökosysteme werden dadurch massiv gestört - was die Weltmeere noch anfälliger für die Klimakrise werden lässt.
Alternativen zur klassischen Landwirtschaft sind daher dringend gefragt, die weniger Fläche und Ressourcen benötigen und bei der gleichen Produktionsleistung an z.B. Proteinen weniger CO2- Ausstoß und graue Energie mit sich bringen.
Schädliche Treibhausgase in hochwertiges Protein verwandeln
In mehreren, aktuellen Schwerpunktprojekten setzt sich das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) zum Ziel, Lösungen gegen Klimawandel und Versorgungsunsicherheit von Nahrungs- und Futtermitteln zu entwickeln. Eine neuartige Carbon-Utilization-Technologie sorgt nun für Aufsehen: 'Dabei handelt es sich um einen neuartigen Prozess, bei dem das schädliche Treibhausgas CO2 in hochwertiges Protein verwandelt wird", erklärt Helmut Schwab, ehemaliger Leiter am Institut für Molekulare Biotechnologie an der Technischen Universität Graz und Gründervater des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib).
Auf Basis seiner jahrelangen Forschung auf diesem Gebiet wurde der Prozess gemeinsam mit acib- und TU Graz Forscherin Petra Heidinger und ihrem Team entwickelt. Petra Heidinger erklärt den Prozess: "Dass Pflanzen CO2 als Rohstoff nutzen können, ist allgemein bekannt. Allerdings benötigen sie dafür Sonnenlicht und sehr viel Platz. Weniger bekannt ist, dass es Mikroorganismen gibt, welche ebenfalls CO2 als Rohstoff nutzen können. Diese nennt man chemolithotrophe Organismen. Ein typischer Vertreter ist ein Bakterium namens Cupriavidus necator. Diese Bakterien sind in der Lage, CO2 als alleinige Kohlenstoffquelle zu verwenden und somit auf Zucker oder andere organische Substanzen aus landwirtschaftlicher Produktion als Kohlenstoffquelle völlig verzichten zu können." Für die Umsetzung des Prozesses benötigt das Bakterium lediglich Wasserstoff. "Am Ende des Prozesses kann C. necator in seiner Biomasse bis zu 80% an hochwertigem Protein einlagern - und das umweltfreundlich und platzsparend", ergänzt Helmut Schwab.
Großindustrielle Produktion geplant
Die Forscher planen, schon bald konkrete Anwendungen industriell umzusetzen. Dazu wurde 2021 die steirische Firma Econutri ¬- mit einem Eigenkapital von 1 Mio. Euro - gegründet. Das Start-up geht aus dem acib und der Technischen Universität Graz hervor. Das Ziel von Econutri ist, schon in den nächsten Jahren Bioreaktoren mit Industriegroßanlagen zu koppeln, um CO2 beispielsweise aus Abgasen von Industrieanlagen zu verwenden. "Aktuell bauen wir in Zusammenarbeit mit einem österreichischen Unternehmen einen Pilot-Bioreaktor mit einem Gesamtvolumen von 300 Litern, um die notwendigen Grundlagen für einen wirtschaftlichen Bioprozess zu schaffen. In weiterer Folge sollen die Erkenntnisse in die Planung einer Großanlage fließen, um Proteine in den nächsten Jahren im Multi-Tonnen-Maßstab produzieren zu können", erklärt Econutri-Geschäftsführerin Verena Schwab. Die genaue Zusammensetzung der in Zukunft hergestellten Proteine kann je nach Verwendungszweck variiert werden. Als aufbereitete, proteinreiche Biomasse kann das Produkt etwa direkt an Tiere verfüttert werden, darunter Fische, Hühner oder Schweine. Der Prozess hilft dabei, weder Meere noch Landflächen zu belasten: "Biotechnologisch hergestelltes Protein könnte einem Fischsterben in mehrfacher Hinsicht vorbeugen: Indem Futtermittel produziert werden, können zahlreiche Arten geschützt und der Fischfang global reduziert werden. Außerdem könnte dadurch eine zusätzliche, alternative Form der Nahrungserzeugung geschaffen werden, die ohne Anbau- und Weideflächen und mit weniger Ressourcen auskommt", erklärt Econutri-Mitbegründer und -CSO Helmut Schwab. Derzeit setzt die Landwirtschaft bis zu 37 Prozent an allen menschgemachten Treibhausgasen frei. Vor allem die Massentierhaltung und durch sie entstehendes Methan, das um das 25-fache schädlicher ist als CO2, gelten als Klimakiller. Helmut Schwab: "Wir denken deshalb auch darüber nach, unterschiedliche Proteinprodukte für die humane Ernährung zu produzieren, zum Beispiel Proteinnahrungsergänzungsmittel aber auch Spezialnahrung für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen." Die Grundtechnologie könnte auch dazu genutzt werden, umweltfreundliches Bioplastik herzustellen.
Stärkeres Bewusstsein für umweltfreundliche Entwicklungen gefordert
Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für neuartige, industriell produzierte Nahrungsmittel steigt. Auch seitens der Industrie müsste ein noch stärkerer Strukturwandel hin zu umweltfreundlicheren Entwicklungen stattfinden, "damit unsere Technologie weiten Teilen der Bevölkerung zugutekommen und nicht zuletzt dem Klimawandel vorbeugen kann", gibt Verena Schwab zu bedenken. Der Prozess benötigt relativ viel Energie in Form von Wasserstoff. Eine Ressource, die nach wie vor sehr teuer ist. "Wir gehen aber davon aus, dass Wasserstoff bei der Nutzung von grünem Überschussstrom und in größeren Mengen wesentlich günstiger hergestellt werden kann." Der restliche, mikrobiologische Prozess ist hingegen äußerst energieeffizient: "Die Mikroorganismen vermehren sich selbst, benötigen nur wenige Nährstoffe und CO2, welches ausreichend vorhanden ist", erklärt Petra Heidinger.
Innovationspreis Steiermark 2022 an acib und Econutri
Das acib und die Econutri GmbH wurden für ihren Prozess nun vom Land Steiermark mit einer ganz besonderen Würdigung bedacht: Die Carbon-Utilization-Technologie wurde heute mit dem Innovationspreis Steiermark 2022 in der Kategorie Nachhaltigkeit: F&E-Institutionen ausgezeichnet. Für Mathias Drexler, Geschäftsführer des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), eine ganz besondere Würdigung: "Als eines der am schnellsten wachsenden Zukunftsfelder zeigt die industrielle Biotechnologie einmal mehr ihre Relevanz, durch anwendungsorientiertes Forschungs-Know-how Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit zu liefern, darunter Krisen wie Klimawandel oder weltweite Versorgungsunsicherheit. Der Innovationspreis Steiermark ist eine besondere Ehre für unsere Bemühungen, wissenschaftliche Ideen auch in der Industrie zu verankern, wie im Falle der erfolgreichen Ausgründung des Grazer Start-ups Econutri GmbH." Verena Schwab, Geschäftsführerin von Econutri GmbH, freut sich ebenso über die Auszeichnung: "Der Innovationspreis Steiermark macht das Potenzial des Projektes auch nach außen stärker sichtbar. Nämlich zukünftig den CO2-Ausstoß in Österreich deutlich zu verringern und die Technologieführerschaft in diesem zukunftsträchtigen Bereich zu sichern."
Über acib
Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMVIT, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.
Rückfragehinweise
Mag.rer.nat.Dr.rer.nat. Petra Heidinger acib-Researcher and Project Leader Phone: +43 316 873 - 4092 Mail: petra.heidinger@acib.at Verena Schwab CEO Econutri Phone: +43 664 169 11 37 E-Mail: info@econutri.com
Pressekontakt
Martin Walpot, MA Head of Public Relations and Marketing acib GmbH Phone: +43 316 873 9312 E-Mail: martin.walpot@acib.at