Studie: Menschliche Stickstoffemissionen bremsen Klimaerwärmung
Durch menschliche Aktivitäten in die Umwelt gelangte Stickstoffverbindungen bremsen in der Summe die weltweite Klimaerwärmung. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena in Deutschland in einer Analyse der komplexen Auswirkungen von Stickstoffverbindungen aus der Landwirtschaft und der Verbrennung fossiler Energieträger auf die globale Durchschnittstemperatur.
Insgesamt ergebe sich daraus ein kühlender Effekt, berichteten die Forscher in ihrer nun in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Studie. Ohne menschlichen Stickstoffeintrag hätte sich das Klima noch weiter aufgeheizt. Positiv werten die Expertinnen und Experten dies angesichts der diversen negativen Folgen von Stickstoffemissionen für Mensch und Umwelt aber nicht.
"Das klingt zwar wie eine gute Nachricht", erklärte der Direktor des Jenaer Max-Plack-Instituts, Sönke Zaehle. "Aber dabei muss man berücksichtigen, dass die Stickstoffemissionen viele schädliche Wirkungen etwa auf die Gesundheit, die Artenvielfalt und die Ozonschicht haben." Die Ergebnisse seien kein Grund, die Umweltbilanz der Stickstoffeinträge schönzureden oder in zusätzlicher Stickstoffzufuhr gar ein mögliches "Mittel gegen die Erderwärmung" zu sehen.
Stickstoff ist ein natürlich in der Atmosphäre vorkommenden Gas. Der Mensch setzt zusätzliche Stickstoffverbindungen aber auf verschiedene Weise frei, eine der Hauptquellen sind Gülle und synthetische Düngemittel für die Landwirtschaft. Eine weitere wichtige Quelle ist die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Erdöl und Kohle, bei denen Stickoxide entstehen und sich in der Luft verteilen.
Auslöser sehr unterschiedlicher Wirkungen
Allerdings unterscheiden sich die direkten und indirekten Klimawirkungen der verschiedenen Stickstoffverbindungen. So wirkt aus gedüngten Böden entweichendes Lachgas nach Angaben der Jenaer Forscher als extrem starkes Treibhausgas. Seine Wirkung ist annähernd 300 Mal stärker als die von Kohlendioxid. Zugleich lässt der Stickstoffeintrag aber Pflanzen besser wachsen, sodass diese mehr Kohlendioxid binden.
Durch Verbrennung freigesetzte Stickoxide entfalten ebenfalls widersprüchliche Wirkungen. Unter anderem begünstigen sie die Bildung von Schwebepartikeln in der Atmosphäre, die Sonnenlicht abschirmen und deshalb kühlen. Das Phänomen ist in Bodennähe auch als Smog bekannt. Zugleich führen sie allerdings auch zu einer vermehrten Bildung von Ozon, das wiederum ein sehr starkes Treibhausgas ist.
In der Summe errechnete das Forscherteam daraus einen Kühleffekt von 0,34 Watt pro Quadratmeter durch menschliche Stickstoffeinträge. Zum Vergleich: Der Mensch heizte jeden Quadratmeter laut Weltklimarat IPCC vor allem durch die Emission von Treibhausgasen zwischen 2011 und 2020 im Mittel um 2,7 Watt auf. Daraus resultierte in diesem Zeitraum ein Temperaturanstieg von im Schnitt 1,1 Grad Celsius.
Keine direkte Umrechnung möglich
Eine direkte Umrechnung der kühlenden Wirkung der Stickstoffeinträge auf die globale Durchschnittstemperatur sei allerdings nicht möglich, betonten die Experten aus Jena. Einerseits träten dabei örtliche Effekte auf, zum anderen reagiere das Klimasystem träge und in komplexer Weise auf die Verschiebungen.
Zugleich verwiesen die Forscher auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen von Stickstoffverbindungen - etwa in Form der Überdüngung von Gewässern oder durch deren Rolle bei der Bildung von Feinstaub und dem Entstehen von Atemwegserkrankungen. "Die Stickstoffemissionen sollten reduziert werden", erklärte Zaehle.